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That, er hat aus der französischen Quelle, die im Ganzen so farblos ist, dass der Pariser Herausgeber ihre eigentliche Tendenz gar nicht erkannte, ein Meisterwerk der Satyre geschaffen, die witzigste und zugleich treffendste, die jemals gegen die Jesuiten geschrieben worden ist. Es ist das Fischartsche Gedicht nicht bloss eine Erweiterung des französischen, es ist vielmehr eine eben so geistreiche als poetisch tüchtige Entwicklung des in dem Vorbild liegenden Gedankens, den ihr Urheber nur sehr unvollkommen zu verwerthen verstand. Das „Jesuitenhütlein" verhält sich zur „Légende" ungefähr so wie Shakspeares Romeo und Julia zur italienischen Novelle, aus der er seinen Stoff entnommen hat. Und auch hier bewährt sich die Richtigkeit der Bemerkung, welche, wenn ich nicht irre, Göthe irgendwo gemacht hat, dass nicht die Erfindung des Stoffes den Dichter beurkunde, sondern dessen Ausführung. die Zusätze abgerechnet, nur 212 Verse enthält, das „Jesuitenhütlein" dagegen 1142, dieses also um fünfmal oder wenigstens (wenn man die kürzeren Zeilen bei Fischart in Anschlag bringen will), um mehr als dreimal länger iet, so ist jene doch viel wortreicher, wie man sich aus der Anrede Lucifers an das Hütlein überzeugen kann. Nicht allein ist diese bei Fischart um 10 Verse kürzer, sie ist auch viel inhaltreicher und bewegt sich nicht bloss in Attributen, welche dem Hütlein beigelegt werden, wie dies bei der „Légende" beinahe durchgehends der Fall ist. Uebrigens muss man hierbei auch das Verhältniss der Anrede zum Ganzen in Betracht ziehen; in der „Légende" beträgt sie, wie schon gesagt, beinahe die Hälfte des Gedichts; bei Fischart nicht einmal den dreizehnten Theil.

Obgleich die „, Légende“

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Der Gang des französischen Gedichts ist nicht nur höchst einfach; es ist auch der eigentliche Punkt, auf den es ankommt, nicht recht, wenigstens bei Weitem nicht klar genug motivirt. Schon der Anfang steht nicht in passendem Zusammenhang mit dem Folgenden. Als Lucifer vom Himmel in die Hölle gestürzt war, heisst es, rief er seine Teufel herbei, um mit ihnen zu berathen, wie sie wieder zu Ansehn und Macht kommen könnten. Lucifer und die Seinigen waren aber schon von Anfang der Welt von Gott abgefallen; es konnte also damals

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noch von keinem „Vierhörnigen Hütlein" die Rede sein. Fischart verlegt die Erzählung daher mit vollem Recht in die Zeit nach Christus, durch welchen die Macht der Hölle gebrochen worden war. Die Légende lässt ferner den Lucifer sogleich das Vierhörnige Hütlein durch seine Gesellen machen. Fischart, der nicht bloss den Jesuitismus, sondern den Katholicismus überhaupt als verderblich darstellen wollte den Jesuitismus wollte er nur als den schlimmsten Auswuchs desselben erscheinen lassen holt weiter aus, indem er das Mönchsthum, das hierarchische Princip und dessen Spitze, das römische Papstthum als Machwerke des Teufels darstellt. Da wir nicht erwarten können, dass allen Lesern des „Archivs" das Fischartsche Gedicht zu Gebote steht, will ich die kurze Inhaltsübersicht desselben (doch etwas erweitert) mittheilen, wie ich sie in den schon angeführten „Deutschen Dichtern“ u. s. w. gegeben habe, damit man wenigstens den Gang des Jesuitenhütleins" mit dem der „Légende" vergleichen könne.

Als nach Christi Himmelfahrt Lucifer seine Macht vernichtet sah, berief er alle Teufel zu einer Versammlung, um mit ihnen zu berathen, wie die Gewalt der Hölle wieder hergestellt werden könne. Die Menschen, sagt er, welche früher unter dem Heidenthum auch die scheusslichsten Gestalten angebetet hätten, verachteten jetzt die Teufelshörner, oder fürchteten sich vor ihnen. Da aber gerade in diesen Hörnern die Kraft der Hölle beruhe, so müsse man die Menschen zu täuschen suchen und die Hörner auf eine heilige Art gestalten. So macht er zuerst

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Auss aller Farb Thuch vnd Gewand

Auss Weiss, Schwartz, Blo, Gelb, Rot vnd Gro

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das aus Faulheit und einfältigem Schein besteht und mit der Nadel der Heuchelei und dem Faden der Täuschung zusammengenäht ist; und dieses Spitzhorn nennt er „Kuttenkappe.“ Sobald sie zum grossen Jubel der Teufel verfertigt ist, befiehlt er ihnen, das „Kuttenhorn" durch die ganze Welt zu ver

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breiten. Darnach lässt er eine Mütze mit zwei Hörnern machen; die soll in Gold und Silber glänzen und es soll darein die geistliche Hoffart mit der Nadel der Herrschsucht und dem Faden der Schafschinderei vernäht, mit den „Perlein" reicher Geschenke und mit dem Gestein „,Oneingedenck" gestickt werden. Dies ist der „Bischofshut," den er, in Bisamsladen eingemacht, ebenfalls durch die ganze Welt führen lässt, daher die,,Prälatenhörner" weit verbreitet und wegen ihrer Pracht hoch geehrt sind. Für seinen Statthalter lässt er sodann ein dreifaches Horn bilden, darin des Judas Säckel, Simonie, Rachgier, Neid, Wollust, Ehrgeiz, Meineid, Gift, Aufruhr, Lug und Trug mit dem Judenzwirn der Menschensatzung und der Nadel des Banns und Blutdursts vernähen; zur grösseren Zierde werden Messkram, Bullen und Ablass und zum Schein der Heilige Petrus darauf gestickt, worauf ein Teufel das Horn nach Rom brachte. Nun glaubten alle Teufel, Lucifer habe seine Bosheit ganz ausgekramt; aber nach langer Verzuckung berichtete er, dass er noch etwas Grässlicheres gefunden habe, eine vierhörnige Mütze, welche viermal mehr Gift enthalten solle, als die drei andern zusammen, weil sie auch von vierfachen Bösewichtern getragen werden solle, welche sich noch mehr verstellen könnten als selbst die Teufel. Deshalb würden sie sich „Jesuiten" nennen, ob sie gleich Jesuwider" heissen sollten, da sie ja seine, des Widerchrists Kinder seien. Ein Spanier, Ignatz Luguol („zu Teutsch Feurart Lugevol“), werde die Gesellschaft gründen, zu des dreifachen Hutes Trost, der in ihnen seine beste Stütze finden werde, wenn seine Macht abnimmt. Denn sie

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Selbst die Mönche und Pfaffen müssen sich vor ihnen demüthigen, weil sie bei der dreifachen Krone wohlgelitten sind; denn sie haben nicht bloss die drei Gelübde der andern Klosterlente, sondern auch noch ein viertes, dem Pabste leibeigen zu sein und dessen Aberglauben in alle Welt auszubreiten. Deshalb habe er das Horn aus dem tiefsten Abgrund geholt, dass es erst zur letzten Zeit komme, die Leute verwirre, die Sonne verdunkle, das Licht der Wahrheit verfinstere. Zum Stoff für die Mütze sollen die Teufel scheinheilig Teufelthum nehmen, pechschwarz wie die Hölle, und sollen sie mit Höllenglut füttern. Die Teufel alle, selbst die Grossmutter, begannen nun, fleissig an dem Hütlein zu arbeiten, spannten es über den Leisten Heuchelei, nähten es mit der Nadel Römischer Tyrannei, und thaten ins vordere Horn Abgötterei, Teufelslist, vergiftete Schmeichelworte, Arglist, Betrug, Scheinarmuth und Ehrgeiz, in die beiden Seitenhörner Sophisterei, allerlei Lügengespinnst und Verführung der Jugend, und in das hintere Mordstiftung und Unfrieden; und als dies Horn noch nicht gewichtig genug gefunden wurde, setzten sich die Teufel selbst hinein, so dass, als das Hütlein fertig war, Lucifer selbst davor erschrak:

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Weil jhm vor Augen gleich thät schweben,
Was für Jamer es werd erheben.“

Doch weihte und segnete er es, worauf sich die Sonne verfinsterte und ein Sturmwind sich erhob, der es in die Welt trug.

Es ist nicht nöthig auseinanderzusetzen, wie hoch das Gedicht Fischarts über seiner französischen Quelle steht; es geht dies schon aus der vorstehenden Uebersicht deutlich genug hervor; und ich glaube, dass durch die Entdeckung dieser Quelle Fischarts Ruhm nicht nur nicht beeinträchtigt werden, sondern dass gerade dadurch seine poetische Schöpfungskraft zur vollsten Anschauung gelangt ist, da er aus einem so unscheinbaren Keim, wie die Légende jedenfalls ist, ein so reiches, episch fortschreitendes Gemälde entwickelt hat.

Es wäre interessant, auch noch das mir unbekannte Reimwerk: „Vom Ursprung und wunderlichen Herkommen der Je

suiten" (1577. 4o) zu vergleichen, von welchem in Vulpius „Curiositäten“ (9, 185) ein kurzer Bericht gegeben wird. Der Verfasser des Aufsatzes (,,Pilger aus Friedberg in der Wetterau") hält den bekannten Georg Nigrinus für den Verfasser; weder Gödeke (Grundriss S. 399) noch Weller (Die falschen Druckorte. 2. Auflage. 1864) führen diese Satyre an.

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