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Zwischen tatsächlichem Kulturkonsum und tatsächlicher Produktion entstehen oft Spannungen, die sich als Überproduktion zeigen. Andererseits ist die Privatwirtschaft durchaus wirtschaftsstatistisch faßbar. Der einzelne Haushalt sowohl, selbst in Loslösung von anderen Haushalten und sogar unter Loslösung von den Erwerbsmöglichkeiten, kann Gegenstand der wirtschaftsstatistischen Erforschung sein; denn es besteht immer die Möglichkeit, daß er bis zu einem gewissen Grade typisch für andere Hauswirtschaften ist. Wie denn der Wirtschaftsforscher ja selbstverständlich nicht auf den ersten besten Haushalt losgehen wird, sondern sich vorweg Klarheit verschaffen wird, ob seine Arbeit sich lohnt, ob der,,ausgewählte" Haushalt Anspruch auf Generalisierung hat usw.

Aber noch viel weiter greift die einzelne Wirtschaft in die volkswirtschaftliche Erkenntnismöglichkeiten ein, wenn es sich um eine produzierende Wirtschaft, d. h. um einen Betrieb, einen gewerblichen, landwirtschaftlichen, handelt. Hier geht es um den Bedarf an Produktionsgütern1), d. i. um den Bedarf an den für die Aufrechterhaltung des Produktionsprozesses erforderlichen Gütern, die durch den Produktionsprozeß erst einmal,,verzehrt" werden, um dann in wirtschaftlich gewöhnlicher besser verwertbarerer Gestalt neu zu erstehen.

In der Landwirtschaft sind das z. B. das Saatgut und die Düngemittel, von denen ersteres gegebenenfalls auch als unmittelbares Konsumgut auf den Markt gelangen kann; wenn z. B. bei schlechtem Ernteausfall die Nachfrage nach diesem Produkt sich so steigert, daß nicht gewöhnliche Preise, sondern überhöhte Preise geboten werden, wodurch schon manches Saatgut den Weg in den direkten Verkehr gegangen ist, wodurch aber die Anbauflächen verkleinert und der Ertrag der nächsten Ernte entsprechend herabgesetzt wurde, so daß eine gefährliche Schraube ohne Ende in Bewegung gesetzt worden war.

Es liegt auf der Hand, daß bei solchen Möglichkeiten die Bedarfsermittlung an Saatgut eine zwingende Notwendigkeit ist, und es ist nur ein Glück, daß die meisten agraren Produzenten einsichtiger als der spekulative Handel in Agrarprodukten sind, und sich ihr Saatgut selbst unter schwersten Verhältnissen im eigenen Betrieb gewöhnlich nicht aus der Hand nehmen lassen.

Aber hier ist eine natürliche Grenze durch den Zwang zum Wechsel im Saatgut gegeben; wodurch der Landwirt oft zum Einkauf anderer ,,Frucht" gezwungen wird.

1) Oder wie sie z. B. Eugen von Philippovich nennt,,Produktivgütern“. Grundriß der politischen Ökonomie I, 15. Aufl., Tübingen 1920, S. 35.

Wie soll jetzt immer erkennbar sein, daß es sich nicht um Einkauf für unmittelbaren Verzehr, sondern um Ankauf von Saatgut handelt? Die Qualität der eingekauften Erzeugnisse besagt hierfür gar nichts, die,,Sorte" auch fast nichts, und nur durch sehr kleine Menge des Einkaufs könnte der Verdacht aufkommen, daß es nicht um Saatgut, sondern um Konsumware geht.

Der Zweck der Bedarfsstatistik liegt hier klar zutage; sie hilft dem einzelnen Landwirt über gewisse Zwangslagen im Betriebe hinaus, indem er selbst zur Offenheit gegen sich und zur Beherzigung seiner Offenheit angehalten wird.

Noch mehr tritt die Bedarfsstatistik in der Industrie hervor; aber sie ist hier überhaupt noch nicht entwickelt. Vielmehr ist es der freie Markt, dem die Bedarfsdeckung nach Gutdünken überlassen bleibt.

Hieraus fließt jene Anarchie der Wirtschaft, die einmal zu Wirtschaftskrisen überhaupt, zu Arbeiterentlassungen, Preistreibereien, aber auch Preisausfällen, im besonderen führt, und die private Wirtschaft in vollen Miẞkredit bei den Betroffenen, hauptsächlich also den Arbeitnehmern und den kleinen Konsumenten gesetzt hat.

Es würde die ganze Produktion aufs stärkste stützen, wenn eine Betriebsbedarfsstatistik angelegt würde, wie sie im einzelnen natürlich vielfach besteht und diesen Betrieben ein wirtschaftliches Übergewicht verleiht, das die bloßen Eklektiker der Wirtschaft nimmer aufbringen werden.

Der Bedarf an Kohle, Rohkohle, Briketts, Preßsteinen, der Bedarf an Erzen, an Steinen, an Salzen usw. in bestimmten Industriezweigen, der Bedarf an textilen Rohstoffen, Farbstoffen usw. in bestimmten anderen darf nicht eine unbekannte Größe in der Volkswirtschaft bleiben, darf auch nicht nur mittelbar aus Einfuhr- oder Absatzmengen abgeleitet werden, was heute gemeinhin der einzige Weg der Wirtschaftserkenntnis ist, sondern ist durch eine Bedarfsstatistik periodisch festzustellen.

Die weit ausgebreitete Organisation der großen Produktionszweige in den Nachkriegsjahren hat hier manchen Wandel bereits geschaffen. Es wird in manchem Syndikat, ja in mancher reinen Verkaufsvereinigung, heute manches Bedarfsgüterproblem fortlaufend mit Erfolg gelöst, indem die Mitglieder der Vereinigung ihre Bedarfsmengen bei dem Büro der Vereinigung anzeigen.

Aber zur allgemeinen Kenntnis werden solche Daten leider noch nicht gebracht; soweit tatsächlich kein öffentliches Interesse daran besteht, kann der Volkswirt wohl damit einverstanden sein; jedoch ist klar, daß wir kaum ein feineres Konjunkturbarometer besitzen als den

Wechsel in der Nachfrage der Produzenten in Produktionsgütern. Denn es ist dieser Bedarf im großen, der den Pulsschlag des Wirtschaftslebens nicht bloß fühlen läßt, sondern auch bestimmt.

Das Bedarfsproblem ist aber auch ein geographisch-statistisches. Bedarfs- oder Zuschußgebiete und deren Einwohnerzahl und Bedarfsmenge sind zuletzt im Weltkriege oft festgestellt worden, ebenso oft wie die Überschußgebiete und deren Überschußmengen.

Ohne die einigermaßen genaue Kenntnis der Bedarfsmengen gerade der Zuschußgebiete und im besonderen des Zuschußbedarfs wäre die nachhaltige Versorgung und die hierzu nötige Beschaffungsregelung sicherlich vielfach falsche Bahnen gegangen. Es war auch hier die Feststellung des vermutlichen Bedarfs die wichtigste Unterlage nicht bloß der Produktionsregelung, sondern auch der Verteilungsregelung.

Aber Zahn1) hat Recht, wenn er sagt:,,Im Frieden war eine Statistik über Verteilung und Verbrauch landwirtschaftlicher Erzeugnisse von mehr theoretischem Interesse." Denn was das Inland zu wenig lieferte, wurde, da bei dementsprechend anziehenden Preisen die Einfuhr lohnte, durch Auslandserzeugnisse gedeckt.

Für eine staatliche Bedarfsdeckungsregelung wird vom Menschen als Normalmenschen ausgegangen; d. h. sie werden in ihren Erhaltungsbedürfnissen gleichgesetzt. Männer, Frauen und Kinder, jedes gilt als ein Kopf; den durch die Agrarproduktion bekannten Eigenmengen jedes Zuschußgebietes sollte damals so viel Ware zufließen als Köpfe noch nicht versorgt waren.

Der Ausfall von Millionen von Männern als Essern, die im Felde standen, in der Heimat hat in jener Zeit ein gewisses Sicherheitsventil für die Bedarfsgebiete gebildet, da die zurückbleibende Bevölkerung dementsprechend an vollen Essern weniger hatte.

Für die Städte im besonderen war die fortlaufende Beobachtung der versorgungsberechtigten Bevölkerung eine große Aufgabe, die zu bewältigen vielfach selbständige neue Behörden geschaffen worden sind; in einer ganzen Reihe Städte wurde aber das vorhandene statistische Amt mit diesen Aufgaben betraut.

Daneben dienten die Personenstandsaufnahmen, die aus steuerlichen Gründen jährlich erfolgen, als Unterlage für die Ermittlung der versorgungsberechtigten Bevölkerung.

1) Fr. Zahn, Fortbildung der Landwirtschaftsstatistik, a. a. O., S. 100.

§ 16. Die Haushaltungsbudgetstatistik.

Fürs erste ist also die Bedarfsstatistik in Produktionsgütern nur mangelhaft entwickelt. Um so besser ausgestattet ist die Bedarfsstatistik in Konsumtionsgütern, im besonderen in der Form der sog. Haushaltungsstatistik, die wir seit seit Karl Büchers Darlegungen1) hierüber besser als Wirtschaftsrechnungen bezeichnen.

Denn die hier festgehaltenen Ausgaben für die Lebenshaltung sind nicht nur Verbrauch, sondern sind in viel höherem Grade Bedarfsmaßstab und Bedarfsausdruck; weil sie uns die Grundlage für die richtige Bemessung des Umfanges der Produktion verschaffen.

unternommenen

Noch weiter in die Bedarfsstatistik hinauf führen die aus Einzelbeobachtungen rechnungsmäßigen Bedarfsermittlungen, wie sie in Ermanglung von praktischen Wirtschaftsrechnungen vor allem in der Nachkriegszeit in Deutschland aufgestellt und verwendet werden, wir meinen vor allem die auf ernährungsphysiologischer Basis aufgebotenen Teuerungszahlen, mit denen wir uns im Anschluß an die eigentliche Budgetstatistik beschäftigen wollen.

Haushaltungsstatistik besagt genau genommen, daß eine zählblattmäßige Beobachtung aller Haushaltungen in einem Erhebungsgebiet vorgenommen wird; wie das tatsächlich gelegentlich der Volkszählungen geschieht, aber neuerdings durch das Zusammendrängen von mehreren Haushaltungen je in einer Wohnung erst wirklich ein statistisches Thema großen Stiles geworden ist.

Die Haushaltungsstatistik ist hier also eine Familienanzahl-, Familienzusammensetzungs- und Familienzusammendrängungsstatistik, und die Bezeichnung ist hier bestimmt zutreffend.

Daher ist es besser, die Bedarfsbeobachtungen in den Haushaltungen nicht zuletzt, weil die erschöpfende Massenbeobachtung hier immer ausfällt, nicht als Haushaltungsstatistik anzusprechen, sondern nach dem Bücher'schen Vorschlage als Wirtschaftsrechnungen, denen der Charakter von (einzelnen) Haushaltungsbudgets erst zukommt, wenn neben den Ausgaben auch noch die Einnahmen notiert werden.

Es ist bemerkenswert, daß die wissenschaftliche Aufstellung von Haushaltungsbudgets nicht erst mit dem Fabrikarbeiter-Elend in England und später in Deutschland beginnt, welches Elend gerade in den ersten Jahrzehnten des Fabrikbetriebes dadurch so groß war, daß die in die Fabriken eintretenden Arbeiter noch gar keinen ökonomischen Maßstab für den Preis ihrer Arbeit besaßen, weil sie bisher ganz oder

1) Karl Bücher, Haushaltungsbudgets oder Wirtschaftsrechnungen?, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Tübingen, 62. Jahrgang, 1906.

überwiegend in Naturallohn (als landwirtschaftliche Arbeiter, Insten, Pächter usw.) gelebt hatten, sondern schon bei dem Aufkommen gemischt-landwirtschaftlicher Lohnarbeit am Ende des 18. Jahrhunderts sowohl in Deutschland wie in England.

So stellt Schnapper-Arndt1) fest, daß Johann Beckmann in seinen Beiträgen zur Ökonomie, Technologie, Polizei- und Kameralwissenschaft (Göttingen 1779 ff.) mehrere Budgets ländlicher Haushaltungen veröffentlicht hat. Auch die ersten Haushaltungsbudgets in England sind für Landarbeiterfamilien aufgestellt worden; so von dem Reverend Arthur Young, dem Sohn des schon genannten politischen Arithmetikers, im Jahre 1793 und von Davies, der in den Jahren 1788-1794 auf Grund einer Parlamentsanregung aus 1785 mehr als 100 Budgets ländlicher Arbeiterfamilien gesammelt hat.

Erst Sir Frederik Morton Eden hat i. J. 1797 in seinem,,the State of the Poor or an History of the Labouring Classes in England. . .“ die Lage der Fabrikarbeiter besonders beachtet, wozu ihn die Schwierigkeiten bewogen, unter denen die arbeitenden Klassen durch den hohen Preis des Korns und der Lebensmittel überhaupt, sowie der Kleidung und der Heizstoffe in den Jahren 1794 und 1795 litten. Eden, den man als Philanthrop ansprechen muß, war sehr einheitlich vorgegangen, indem er einen festen Fragebogen aufstellte; aber die Personen, die diese Fragebogen sammelten, zerfielen letztlich doch in drei Kategorien:

I. beobachtete er selbst eine Anzahl Familien,

2. beschäftigte er einen Angestellten auswärts zu dem gleichen Zwecke,

3. füllten freiwillige Vertrauenspersonen das Formular nach Besuch und Ausfragen der Familien aus.

Hieraus ist eine merklich ungleichmäßige Beantwortung des einheitlichen Fragebogens entstanden, die sich wegen der Nichtanzeige der jeweiligen Art der Gewinnung in Eden's Buch leider nicht nachprüfen läßt.

Beinahe wertlos sind die etwas später aufgenommenen Feststellungen über earnings and expenses in anderen Teilen Englands und ebenso die der letzten französischen Arithmetiker Lavoisier und Lagrange, weil sie die Gewinnung der mitgeteilten Daten nicht zeigen. Erst nach der Revolution von 1848 war wieder starkes Interesse für die Lebenserhaltungskosten der arbeitenden Klassen allgemein vorhanden; in Frankreich selbst schon seit der Julirevolution, die auch der Moral

1) G. Schnapper-Arndt, Sozialstatistik, a. a. O., S. 382.

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