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Eheschließungen, Wanderungen usw. treten irgendwo als selbständige Gebiete der Wirtschaftsstatistik auf; sie können vielmehr höchstens zur Illustration bestimmter Wirtschaftsfragen, wenn nämlich eine Verbindung von Wirtschaftserscheinungen mit menschlichen Massenerscheinungen zweckmäßig wird, verwendet werden.

So illustriert wohl der persönliche Beruf, den die Volkszählungen erfassen, das Wirtschaftsleben, aber er erklärt es nicht und ist nicht ein Spiegelbild der Wirtschaft, zumindest kein klares, sondern bestenfalls ein stark verzerrtes, wie folgende bekannte Erwägung zeigt. In der Brauereiindustrie z. B. gibt es außer den Brauern noch Böttcher, Kutscher, Maurer usw.; der persönliche Beruf aber stellt eben nur diesen, nicht aber die wirtschaftliche Arbeitsstätte fest. Oder, in der Eisengießerei gibt es neben den Gießern, Gußputzern usw. noch Modelltischler u. a. Es ist sehr wahrscheinlich, daß bei einer statistischen Darstellung des persönlichen Berufs alle diese Modelltischler, die nun natürlich in die Gruppe,,Holzbearbeitung" fallen, fast die Hälfte, vielleicht noch mehr der Angehörigen dieser Gruppe darstellen, während sie im Wirtschaftsleben zur Eisenindustrie gehören.

Die Berufsstatistik gehört zweifellos zur Bevölkerungsstatistik, wenn sie nur den persönlichen Beruf vorträgt, was eine ebenso persönliche Angelegenheit ist wie die Wanderungen oder die Eheschließungen usw. Ein Thema wie das der Berufsgebürtigkeit oder das der Berufssterblichkeit müßte andernfalls sehr unbequeme Anleihen in der,,Wirtschaftsstatistik" machen, wenn wir die (persönliche) Berufsstatistik zu ihr rechnen wollten. Oder: Geschlecht und Familienstand der Berufstätigen und Berufszugehörigen haben wohl bevölkerungspolitisch große Bedeutung, auch natürlich wirtschaftspolitisch, aber der persönliche Beruf rückt in die Gewerbestatistik und die Agrarstatistik nun einmal überhaupt nicht ein und es ist nicht abzusehen, wohin die Verbindung des persönlichen mit dem sog. Unternehmerberuf führt, denn es kommt gerade auf die Gegenstellung der beiden Betrachtungsmöglichkeiten an und nicht auf ihren Abgleich 1).

Es ist deshalb falsch, den persönlichen Beruf als eignen Gegenstand in der Wirtschaftsstatistik darzustellen, und es ist bedauerlich, daß G. von Mayr2) über diesen Konfliktstoff nicht hinweg kam, sondern die persönliche oder subjektive Berufsstatistik in die Wirtschaftsstatistik einbezogen wissen wollte; noch dazu im,,allgemeinen Teil" derselben, wo sie überhaupt nichts zu suchen hat, wenn

1) Vgl. unten den Abschnitt,,Berufsstatistik" und folgende.
2) G. von Mayr, Zur Systematik usw., a. a. O., S. 25.

man nicht gerade den,,allgemeinen Teil" eines Lehrbuches nur als Einleitung faßt, was aber dem wahren Sinn jeder Wissenschaft widerspricht.

Es ist nicht Aufgabe der Wirtschaftsstatistik, die,,natürliche Gliederung" des Lebens und seine,,soziale Gliederung", wie sich G. von Mayr ausdrückt1) er meint die Besetzung des Bodens mit Menschen nach Berufs- oder Gewerbegruppen -in Beziehung miteinander zu setzen. Vielmehr steht diese Aufgabe in erster Linie der weiteren Sozialstatistik zu, die als Bevölkerungsstatistik solche Fragen stets mit besonderem Interesse verfolgt hat, aber auch als Kriminalstatistik an der sozialen Gestaltung auf der Erde als physischem Boden sehr viel Anteil nimmt, und als soziale Schichtungsstatistik den Gegenstand am besten behandelt.

Wohl aber wird uns der Betriebsberuf (auch Unternehmerberuf genannt) durchgehends beschäftigen müssen, dessen volles Verstehen uns dann doch zwingen wird, dem persönlichen Beruf auf Grund der Berufszählungen gesondert nachzugehen.

Die Moralstatistik wieder hat in der Wirtschaftsstatistik keinen eigenen Platz, weil sie sich mit Vorgängen beschäftigt, die vom sozialen Menschen nicht losgelöst werden können, wenn sie eine Erkenntnis vermitteln sollen.

Das Hauptgebiet der Moralstatistik ist die Kriminalstatistik, hier werden die gerichtlich geahndeten Vergehen und Verbrechen nach der Person der Kriminellen dargestellt. Wohl wird die allgemeine Lage der Wirtschaft die Kriminalität stark beeinflussen 2), aber die Lage der Wirtschaft bleibt Begleiterscheinung der Kriminalstatistik.

In der Tat ist die Moralstatistik bisher noch nirgends in die Wirtschaftsstatistik gelangt, was sie eigentlich tun müßte, wenigstens bei denjenigen Autoren, die erhebliche Teile der Bevölkerungs- und der engeren Sozialstatistik in die Wirtschaftsstatistik eingeführt haben.

Die sog. Kulturstatistik schließlich gehört nicht zur Wirtschaftsstatistik, obgleich in den Erscheinungen der Kulturarbeit recht viele wirtschaftliche Momente stecken; z. B. die Sportanlagen für den Sportbetrieb; die Kirchenbauten für den Gottesdienst usw., die Schulhäuser und die Lehrergehälter für den Schulunterricht usw.

Die Kulturstatistik, zu der wir z. B. die Schul- und Hochschulstatistik, die Schaustellungsstatistik, die Musikstatistik, die Kirchen

1) a. a. O., S. 23.

2) Vgl. z. B. Beßler, Die Kriminalität der Provinz Westpreußen. Hallische Dissertation 1912.

statistik, die Sportstatistik, dazu weite Gebiete der Rechtsstatistik, der Wohlfahrtspflege, der sozialen Versicherung usw. rechnen, bildet vielmehr ein eigenes, in seinen Einzelheiten hier nicht zu systematisierendes Gebiet materieller Hilfswissenschaft für die Wissenschaften von den ,,immateriellen Gütern".

§ 9. Wirtschaftsstatistik und Sozialstatistik im besonderen.

Daß das Wirtschaftsleben eines Volkes ohne eine ausreichende Sozialpolitik nicht in geregelten Bahnen gehalten werden kann, ist ein Axiom des alten Liberalismus, dem in der Zeit von etwa 1802-1919 intensiv nachgelebt wurde,

Die kapitalistische Entwicklung des Unternehmertums zuerst in England, dann auf dem europäischen Kontinent, dann noch stärker in Amerika, entstand auf der Grundlage des freien Wettbewerbes und der übrigen Freiheiten im Wirtschaftsleben, löste eine staatliche Schutzpolitik der Armen und Schwachen aus, der man wegen ihrer Beschränkung auf eben diese eine Schicht die Bezeichnung Sozialpolitik gab; die gleiche Gesellschaft, die die Gewerbefreiheit, die Verkehrsfreiheit usw. proklamiert und pflegt, sieht sich,,moralisch" veranlaßt, den durch solche Freiheiten Bedrückten ihren besonderen Schutz zuteil werden zu lassen.

Die statistische Beobachtung der Auswirkung solcher sozialpolitischen Maßnahmen ist selbstverständlich möglich, ja sie ist notwendig, um das Ausmaß der Wirkungen objektiv kennen zu lernen.

Aber diese statistische Arbeit gehört nicht in den Bereich einer Wirtschaftsstatistik; denn die Beobachtung sozialpolitischer Auswirkungen geht vom Menschen als Objekt aus, während die Wirtschaftsstatistik grundsätzlich vom wirtschaftlichen Gut als Objekt ausgeht.

Die Statistik des Arbeiterschutzes, des Arbeitsmarktes usw. aber auch die Statistik der Wohlfahrtspflege u. ä. trägt ausgesprochen sozialpolitischen Fragen Rechnung, und kann nur sozusagen tangential mit der Wirtschaftsstatistik in Beziehung gelangen, was gerade eine Verselbständigung dieser statistischen Forschungsgebiete anregt und ermöglicht, nämlich als engere Sozialstatistik.

Denn unter engerer Sozialstatistik verstehen wir jene Gebiete, die sich mit ausgewählten, d. i. sozial begrenzten, Menschenmassen beschäftigen, im Gegensatz zur Bevölkerungs- und zur Moralstatistik, die von Massenerscheinungen in der Gesamtheit des Volkes ausgehen, wie es die Geburten und Sterbefälle usw. in der Bevölkerungsstatistik, die Vergehen und Verbrechen in der Kriminalstatistik sind.

Es bedeutet deshalb eine nutzlose Belastung der Wirtschaftsstatistik, wenn man ihr sozialpolitische Bestandteile zuführt; und es bedeutet andererseits ein Zerstören der Bevölkerungs- und der Moralstatistik, wenn man ihnen das personale sozialstatistische Relief nimmt, wie es z. B. die Berufsgruppenstatistik gewährt.

Hieraus fließt sogar nicht zuletzt die Bejahung der Zweckmäßigkeitsfrage, die engere Sozialstatistik mit der Bevölkerungs- und der Moralstatistik zu einer,,weiteren" Sozialstatistik zusammenzufassen, worauf ich oben schon hingewiesen habe.

Einen gangbaren Ausweg aus den überstarken synthetischen Bestrebungen Georg von Mayr's hat Friedrich Zahn in der schon genannten Ehrengabe für jenen gefunden, indem er einen Abschnitt mit dem Sammeltitel,,Wirtschafts- und Sozialstatistik" versah, in dem außer der eigentlichen Wirtschaftsstatistik einige wichtige im engeren Sinne sozialstatistische Themata zur Darstellung gelangt sind.

Wirtschaftsstatistik und Sozialstatistik sind grundsätzlich voneinander zu trennen, genau so wie Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik, da die Wirtschaftsstatistik ein integrierender Bestandteil der logischen Reihe Wirtschaftslehre, Wirtschaftsstatistik, Wirtschaftspolitik ist; gerade so wie die (engere) Sozialstatistik in die Reihe Soziallehre, Sozialstatistik, Sozialpolitik gehört.

Faßt man den Begriff Sozialstatistik aber weiter, unterlegt man ihm die Sozialwissenschaften als Gegenstand, so ist eine Abgrenzung der Wirtschaftsstatistik in der gleichen Denkebene nicht mehr möglich, denn dann ist die (menschliche) Wirtschaft nur ein Bestandteil der menschlichen Gesellschaft.

So teile ich denn auch die Gesamtstatistik auf nach den Gesichtspunkten, die materiell gleichwertig nebeneinander stehen, in 1. theoretische Statistik als die Lehre vom Wesen der Statistik, ihrem Gegenstand, ihrer Beobachtung, Bearbeitung und Darstellung; 2. Sozialstatistik als die zählblattmäßige Massenbeobachtung der Menschen in geordneten öffentlichen Verbänden, wobei die Bevölkerungsstatistik auf der einen Seite, die sog. Moralstatistik auf der anderen die beiden Seiten des Auftretens der Individuen in der Gesellschaft erfassen; 3. Wirtschaftsstatistik, die als Hilfswissenschaft zu den eigentlichen Wirtschaftswissenschaften, auch als Hilfsdisziplin der Staatswirtschaftswissenschaft (nämlich als Finanzstatistik) auftritt.

Daneben steht noch die engere Sozialstatistik, die traditionell zwar gern im Anschluß an die Moralstatistik vorgetragen wird auch

ich selbst halte es aus Zweckmäßigkeitsgründen1) so die aber mit der oben unter 2. genannten Sozialstatistik die Kategorie der staatlich geordneten Gesellschaft nicht teilt, sondern nur eine soziale Schichtenstatistik, d. h. eine sozialpolitische Statistik ist, wie die Armenstatistik, die Arbeiterversicherungsstatistik usw. und in einer Statistik der menschlichen Gesellschaft tatsächlich nur eine Hilfsfunktion, nicht eine selbständige Wissenschaft sein kann; noch weniger aber, was G. von Mayr in seiner Systematik der Wirtschaftsstatistik jedoch fordert (a. a. O. S. 19), ein Kapitel in einer,,besonderen" Wirtschaftsstatistik sein darf.

§ 10. Primärstatistische und sekundärstatistische Produktion.

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Mayr's Unterscheidung der statistischen Produktion in primärstatistische und sekundärstatistische ist dagegen von erheblicher Bedeutung auch für die Wirtschaftsstatistik 2); denn es liegt auf der Hand, daß das Wirtschaftsleben sehr oft statistische Produktion nicht von Anfang an erheischt, sondern erst nach Ablauf gewisser Wirtschaftsperioden, die entsprechend dem Wesen aller Wirtschaft als planmäßig und auf einen materiellen Erfolg zielend von vornherein genauester Festhaltung aller den Verlauf der Wirtschaftsbetätigung bezeichnenden Einzelheiten wohl unterzogen werden, aber die zählblattmäßige Beobachtung gar nicht überall vertragen, sondern auf pseudostatistische Beobachtung abgestellt sind, aber gewöhnlich erst, wenn ein mangelhafter Erfolg der Wirtschaftsbetätigung erkennbar wird, was dann die statistische Bearbeitung unstatistischer Materialien auslöst, welchen Vorgang wir mit G. von Mayr als sekundärstatistische Produktion bezeichnen.

Soweit es um öffentliche Verwaltungsinteressen geht, wird ebenfalls das sekundärstatistische Material eine hervorragende

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1) Die Spezialvorlesungen im Bereiche der allgemeinen und besonderen Staats- oder Sozialwissenschaften" haben sich seit langer Zeit entweder auf gesetzgeberischen oder auf statistischen Inhalt abgestellt; im besonderen ist das Kolleg Sozialpolitik, wenn es überhaupt selbständig erscheint, gewöhnlich eine harmlose Trilogie von Soziallehre, Sozialstatistik (als Arbeiter- und Angestelltenstatistik) und Sozialpolitik. Das heißt, daß an den Universitäten, wo ein eigenes Kolleg Sozialpolitik regelmäßig gelesen wird und Halle gehört zu diesen hier ein umfangreiches,,sozial"-statistisches Material vorgetragen wird, was die gleiche Materie vernünftigerweise aus dem Kolleg Sozialstatistik ausschließt. Tatsächlich trage ich in dem Abschnitt ,,engere Sozialstatistik“ überhaupt nur die Gewinnungsmethoden der Arbeiter- usw. Statistik vor.

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2) Ganz allgemein ist die Bedeutung dieser Unterscheidung in meiner,,Theoretischen Statistik", a. a. O., S. 227f., 245f. vorgetragen worden.

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