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Denn der Statistik ist jedes Rätselraten und jede Prophezeiung ebenso fremd, wie die Fähigkeit, durch Rechnung Rückschlüsse auf irgendein Vorkommen, sei es ein bekanntes oder gar ein unbekanntes, zu ziehen.

Eine gute Erntestatistik setzt dreierlei voraus: 1. ein vollendetes Grundkataster, aus dem die Anbauflächen einwandfrei bekannt sind, 2. ein detailliertes Erhebungsformular, das möglichst alle Arten von Erntefrüchten vorsieht, 3. die individuelle Befragung der Erzeuger.

Es war der Leiter des bayerischen statistischen Landesamtes, Staatsrat von Hermann, der in 1854 auf solcher Basis die Ernte des Jahres 1853 erstmalig zu erfassen versuchte. Das von ihm angewendete Fragenschema stammte aus der schon genannten Zollvereinskommission, war aber von dieser für eine internationale Anbaustatistik vorgeschlagen worden, und bloß in Bayern zur Verwendung gelangt. Erst in 1893 hat Bayern die Individualbefragung fallen lassen,,,aus Sparsamkeitsgründen" und um sich dem Reichsschema anzupassen.

Der Weltkrieg hat die Individualermittlung der Ernteflächen erneut gebracht. In Ergänzung und auch im Gegensatz zur Anbauflächenerhebung, die Ende Mai oder Anfang Juni stattfindet, ist die Ernteflächenerhebung im ersten Kriegswirtschaftsjahr vom 1.-4. Juli 1915, im zweiten vom 1.-20. Juni 1916 und im dritten vom 15.-25. Juni 1917 vor sich gegangen. Die Betriebsinhaber hatten ihre Angaben einzeln zu machen, vom Eigenland wie vom Pachtland, vom Lande innerhalb wie außerhalb des Gemeindebezirks.

Zur Sicherung der Durchführung der Erhebung waren in jeder Gemeinde mehrere Aufnahmekommissionen zu bestellen, die das Recht hatten, die Katasterauszüge einzusehen, die Grundstücke der zur Angabe Verpflichteten zu betreten, Messungen vorzunehmen und Auskunft von Gerichts- und Steuerbehörden einzuholen. Außerdem sollten drakonische Strafbestimmungen alle falschen Angaben vermeiden helfen.

Doch die Notwendigkeit raschester Ergebnisdarstellung dürfte die so wichtige Nachprüfung der Angaben fast regelmäßig ausgeschlossen haben; wobei das Drängen nach frühzeitiger Kenntnis der möglichen Ernte dazu geführt hat, daß ganz summarische Ernteertragsschätzungen schon im Juli vorgenommen wurden, die nicht viel mehr als bloße Erntevorschätzungen waren.

Diesen aber hafteten noch stärkere Mängel an als den Ernteschätzungen, weil jetzt der Landwirt noch vor der Ernte oder mitten in der Erntearbeit seine Angaben machen mußte.

Da im ersten Kriegsjahr die Angaben nur nach Kommunalver

Diehl-Mombert, Grundrisse. Bd. 21.

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bänden, also für ganze Landkreise, Bezirksämter usw. gesammelt verlangt wurden, denn mit diesen wurde von seiten der Zentralbehörden bei der Brotversorgung usw. allein gearbeitet, waren sie anfangs trotz Individualerhebung wenig zuverlässig; darum war es ein Fortschritt, als vom zweiten Kriegsjahr ab die Individualerzeugererträge für die einzelnen Gemeinden angefordert wurden.

Während der letzten Kriegsjahre haben wir den individuellen Ernteertrag sehr genau erfahren durch die Wirtschaftskarte, die nach württembergischen und elsässischem Muster im Erntejahr 1917 für das ganze Deutsche Reich eingeführt worden war, dann aber nach dem Kriege wieder aufgegeben wurde, um jede neue statistische Belästigung der Produzenten zu vermeiden. Wir haben damals sogar nicht bloß den Ernteertrag, sondern auch seine Verwendung erfahren: durch die Fragen danach, wieviel im ganzen geerntet wurde, wieviel als Saatgut verwendet, wieviel für Futterzwecke zurückbehalten, wieviel für den Hausbedarf (eigener Konsum) zurückbehalten, wieviel zum Verkauf gebracht wurde, wie große Vorräte am Meldetermin vorhanden

waren.

Trotz des auf diese Weise angefallenen wertvollen Materials über die Wirtschaftseinheiten ist nur ganz wenig davon nach dem Kriege wissenschaftlich bearbeitet worden.

Neben der wertvollen Arbeit von Prof. Gerlach, Königsberg, sind es hauptsächlich einige Dissertationen, die den Ernteertrag an Hand der Wirtschaftskarten dargestellt haben, z. B. zwei in meinem Seminar entstandene von Schöne1) und Strohbücker2).

Neben die Notierungen der Ernteschätzungskommissionen treten. z. B. in Luxemburg neuerdings noch Einzelanzeigen, nach denen Getreideprämien gewährt werden.

Durch Artikel 13 des Vertrages über den wirtschaftlichen Anschluß Luxemburgs an Belgien und luxemburgisches Gesetz vom 13. Mai 1926 sind die Brotgetreide bauenden Personen verpflichtet, alljährlich der Gemeindebehörde Anzeigen über das angebaute und das geerntete Brotgetreide (Weizen, Roggen, Menggetreide) zu erstatten.

Diese Einzelanzeigen sind durch Verfügung des Staatsministers vom 4. November 1925 erstmalig schon für die Ernte aus 1925 zu erstatten gewesen. Es ist deshalb anzunehmen, daß die agrare Schätzung in Luxemburg, die seit 1905 in Übung ist, seither nicht mehr vergleich

1) Schöne, Die landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse im Kreise Gardelegen.

2) Strohbücker, Zwangswirtschaftliche Leistungen von Groß- und Kleinbetrieb im Kreise Lauenburg.

bare Daten liefert, wohl aber für das Brotgetreide vollkommen einwandfrei ist.

Denn die einwandfreieste Art der Ernteermittlungen ist allein die Individualerhebung bei den landwirtschaftlichen Erzeugern mit gemeindeweiser Berichterstattung. Das in Deutschland seither wieder angewendete Verfahren der gemeindlichen Ernteschätzung für alle Erzeuger im Gemeindegebiet ist irreführend und falsch, denn es beruht auf der unzuverlässigen Anbauflächenschätzung und der ebenso unzuverlässigen Saatenstandsschätzung, noch dazu meistens derselben Beauftragten, die die Ernteschätzung vorzunehmen haben.

Andererseits sind die Schwierigkeiten der individuellen Erzeugeranzeige nicht zu verkennen. Einmal ernten sie nicht alle zur gleichen Zeit, man muß einzelne sehr viel später fragen als sonst. Zweitens ist es bei vielen Ernteerträgen gar nicht möglich, die Gewichtsmengen bei der Ernte festzustellen. Beim Getreide nicht, solange es ungedroschen ist; bei den Kartoffeln nicht, weil erhebliche Mengen in Mieten eingelagert werden und andere Mengen nur wagenweise gezählt werden; ähnlich bei den Rüben usw. Drittens wechselt ja auch das Saatgut und die Feldfrucht, wechselt ihr Erntegewicht usw. Kurz, eine einigermaßen zuverlässige Erzeugeranzeige ist eine sehr schwierige Angelegenheit.

Aber wenn es nicht um hastige Berichterstattung geht, wenn das Volkswohl über der Belästigung des Einzelnen steht, müßte doch allmählich die Individualbefragung zu einem geeigneten Termin gelingen.

§ 35. Agrarstatistische Sondererhebungen.

Die ungewöhnliche Fülle von wirtschaftlichen Problemen, die der Landwirtschaftsbetrieb auslöst, läßt es begreiflich erscheinen, daß die landwirtschaftlichen Betriebszählungen wie auch die sonstigen Erhebungen, die der Erkennbarmachung der landwirtschaftlichen Tätigkeit und ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft dienen, längst nicht auf alle überhaupt aufkommenden Fragen der Landwirtschaft antworten. Besonders wird das der Fall sein, wenn starke Umstellungen der Wirtschaft erfolgt sind oder zu erwarten sind, wie das z. B. durch die Inflation der deutschen Mark bald nach dem Weltkriege eintrat.

Der Eigentümer; der seinen Hof selbst bewirtschaftet, hat unter diesen Erscheinungen am wenigsten gelitten; aber die Pächter und Verpächter haben je nach Lage, Stellung und Umstellung, teilweise große Opfer gebracht, teilweise große Gewinne gehabt.

Hieraus entsprang der Wunsch, gerade die Pachtverhältnisse. in der Landwirtschaft genau zu erforschen, wofür die Betriebszählungen nur sehr mangelhafte Unterlagen boten. Da die Pacht nur einen Teil der Landwirtschaft betrifft und weiter die Zustände der Inflation sich offensichtlich ziemlich gleichmäßig in weiten Gebieten Deutschlands zeigten, auch die Verhältnisse zu Taten drängten, so wäre eine zählblattmäßige erschöpfende Massenbeobachtung zu umständlich gewesen. Eine stichprobenweise aber immerhin zählblattmäßig fest vorgeschriebenc Erhebung war hier ausreichend.

Das Forschungsinstitut für Agrar- und Siedlungswesen an der Universität Berlin hat mit Unterstützung des Reichsarbeitsministeriums eine solche Sondererhebung, die eine Verbindung von Zählblattauslese und Enquete darstellte, in 1921 und 1922 in ganz Deutschland durchgeführt, wobei ein ungemein gründlicher Fragebogen 1. die Charakteristik der Eigentums- und Betriebsverhältnisse, 2. die Charakteristik des Pachtwesens, 3. die Wirkungen der Pachtwirtschaft zu schildern ermöglichte und Reformvorschläge für das Pachtwesen anzuhängen

waren.

Der umfangreiche Fragebogen war so angelegt, daß die Antworten nicht für einen einzelnen Betrieb galten, sondern eher für einen typischen Betrieb, der mit genauen Angaben über die üblichen Pachtverhältnisse im Berichtsbezirk zu verbinden war.

Er enthielt tatsächliche (direkte) Fragen allgemeiner Art; z. B. die erste Frage lautete: Herrscht (im Bezirk) großes, mittleres, kleines Grundeigentum vor?

Oder die vierte Frage: Hat seit der Betriebszählung von 19071) die Pachtwirtschaft deutlich zu- oder abgenommen?

Oder weiter: Wer sind die hauptsächlichsten Verpächter: Staat, Gemeinde, Kirche, Stiftungen? Private Großgrundbesitzer? Kleingrundbesitzer ?

Hier war durch einfaches Unterstreichen der genannten Gruppen. eine leichte Kennzeichnung möglich.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Sondererhebung 2), deren Ergebnisse leider nicht sämtlich veröffentlicht worden sind, der Regelung

1) Das ist die letzte landwirtschaftliche Betriebszählung vor der Sondererhebung gewesen.

2) Sering, Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Zeitpacht in der deutschen Landwirtschaft. Berlin 1924. Erschienen in,,Berichte über Landwirtschaft", herausgegeben vom Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Berlin 1924.

der Pachtgesetzgebung in den Inflationsjahren und aus Anlaß der forcierten Siedlungsgesetzgebung bedeutende Dienste geleistet hat.

Eine ebenfalls das Pachtwesen betreffende Sondererhebung hat der Verfasser im Benehmen mit den maßgebenden Stellen durchgeführt, um ein Bild von der Tätigkeit der Pachteinigungsämter zeichnen zu können, da die Höhe des Pachtschillings, der Übergang zur Naturalpacht und später zur Naturalwertpacht, dann die Pachtdauer der Praxis der Pachteinigungsämter1) teils zu verdanken hatten, gerade in den für manchen Pächter, aber ebenso für manchen Verpächter schwierigen Inflationsjahren.

Die Pachtschutzordnung ist zurzeit für Preußen in der Fassung vom 16. Oktober 1925 (Gesetzsammlung S. 141) in Kraft. Die statistische Auswertung der Tätigkeit der in §§ 8ff. behandelten Pachteinigungsämter ist noch nicht geregelt. Wir halten diese Regelung für dringend erforderlich, damit nicht bloß die Qualität ihrer Leistungen, sondern auch der Umfang derselben der Öffentlichkeit nicht länger vorenthalten wird.

Neben den periodischen zählblattmäßigen Massenbeobachtungen, den periodischen Gemeindebodennutzungserhebungen, den gemeindlichen Ernteschätzungen, den von Einzelberichterstattern durchgeführten monatlichen Saatenstandsberichten und der jährlichen Anbauflächenstatistik verträgt die landwirtschaftliche Statistik also auch noch Sondererhebungen, die sowohl enquetenmäßig wie (im Falle der Pachteinigungsämter) statistisch-repräsentativ unternommen werden.

Nicht voll erkennbar ist aus der landwirtschaftlichen Betriebszählung auch die Zupacht, d. i. die Landpacht durch Landwirte, während die Pacht oft von Nichtlandwirten getätigt wird. Durch besondere statistische Bearbeitung des Materials gelingt es erst, in dieses wichtige Problem 2) Einsicht zu nehmen.

Neben die Sondererhebungen treten also noch Sonderbearbeitungen des vorhandenen Materials, um statistisch wertvolle Feststellungen besonderer Art machen zu können.

Aber dringend nötig ist in allen Fällen die rechtzeitige Heranziehung der zünftigen Statistik, wenn die Öffentlichkeit volles Vertrauen zu den Erhebungen und ihren Bearbeitungen und Darstellung haben soll.

Mit besonderer Genugtuung ist es darum zu begrüßen, daß die Agrarstatistik auch von der Verwaltung und der führenden Landwirt

1) Vgl. Egon Graf Merveldt, Die Bedeutung der Reichspachtschutzordnung, Dissertation Halle 1924.

2) G. von Krosigk, Die landwirtschaftliche Zupacht. Dissertation Halle 1924.

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