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Ausdruck geben wollen. Diese Ansicht ist für die Rechte und Pflichten der Menschen in der Gesellschaft wohl haltbar; aber es ist unmöglich, in Beziehung auf die Selbsterhaltung das Recht aus der Pflicht und die Pflicht aus dem Rechte abzuleiten. Hier kann nur das eine die Basis des andern sein, und danach mufs dann auch konsequent das Verhältnis der Menschen in der Gesellschaft bestimmt werden. Das Schwanken unseres Schriftstellers ist vielleicht daraus zu erklären, dafs er, wie man sieht, Locke folgt, sich dann aber unter dem Einflusse Wolffs bewusst wird, dafs das Lockesche Naturrecht zunächst nicht zum Begriffe des Rechts, sondern dem der Pflicht führt1. Welches sind nun diese Pflichten? Zuerst, wie wir gesehen, eine Pflicht gegen uns selbst, die Pflicht der Selbsterhaltung. Dann aber auch Pflichten gegen andere: Ich mufs das ausschliefsliche Eigentum des andern an seiner Person und an dem von ihm Erworbenen anerkennen, wenn er das meinige anerkennen soll. Da die Natur den Individuen ungleiche Fähigkeiten gegeben hat, so folgen daraus Ungleichheiten des Vermögens, die durch das Naturrecht gerechtfertigt sind 2. Fügen wir hinzu, diese Ungleichheiten sind das Werk

1 Eine ähnliche Zusammenstellung von Rechten und Pflichten, aber in weit logischerem Zusammenhange, findet sich bekanntlich bei Wolff, den Dupont de Nemours neben Confucius, Socrates, Galilei und andern zu den Märtyrern der Wissenschaft zählt (Daire I, p. 356). Ein natürliches Gesetz, führt Wolff aus, ist dasjenige, welches seinen hinreichenden Grund in der Natur des Menschen und der Dinge hat. Dieses Gesetz wird gewöhnlich das Recht der Natur genannt. Da nun die Natur des Menschen und der Dinge ihren Grund in Gott haben, so ist das natürliche Gesetz auch ein göttliches, und es verbindet folglich alle Menschen. Durch die Natur wird aber der Mensch verbunden, die Handlungen zu begehen, welche seine und seines Zustandes Vollkommenheit befördern. Weil aber niemand seinen Zustand allein vollkommen machen kann, sondern ein jeder des andern Hilfe nötig hat, so verbindet das Naturrecht die Menschen, 1) ihren Zustand mit vereinten Kräften vollkommen zu machen, und ein jeder ist verbunden, zur Vollkommenheit des andern soviel beizutragen, als er ohne Schaden der Verbindlichkeit gegen sich selbst vermag, und 2) auch alle Handlungen zu unterlassen, wodurch des andern oder sein Zustand unvollkommen gemacht wird. Da nun weiter der Mensch sich und die andern vervollkommnen soll, so darf er es auch. Es leitet also Wolff aus der dem Menschen durch seine Natur auterlegten Pflicht das Recht ab. So entstehen Rechte aus der Pflicht, sich selbst zu vervollkommnen, und aus der Pflicht, andere zu vervollkommnen. Ich weifs nicht, ob Mercier unter dem Einflusse der Wolffschen Philosophie gestanden hat. Wenn es der Fall gewesen ist, so hat er ihre Anregungen jedenfalls frei benutzt. Unmöglich ist die bezeichnete Einwirkung nicht, da, wie man sich erinnern wird, die Philosophie Wolffs in Frankreich einen ehrenvollen Einzug gehalten hatte. Quesnay leitet an verschiedenen Stellen die droits aus den devoirs ab, z. B. Un enfant... a un droit naturel à la subsistance, fondé sur le devoir indiqué par la nature au père et à la mère. Und: Il y a un ordre... dans la jouissance du droit naturel de chacun . . . qui doit être réglé ... conformé ment aux devoirs prescrits par la nature (Droit Naturel chap. I, III. Daire I, p. 42, 49).

2 La loi de la propriété est bien la même pour tous les hommes;

Gottes; also sind sie auch von ihm gewollt. Doch anerkennt Mercier auch eine unnatürliche und nicht notwendige Ungleichheit an. Diese gegenseitigen Rechte und Pflichten sind absolut gerecht, weil sie aus der physischen Notwendigkeit hervorgehen, die ein Werk Gottes ist.

Im Verlaufe der menschlichen Entwicklung genügen die von der Natur gebotenen Unterhaltsmittel nicht mehr, die Erde mufs mit Mühe und Kosten urbar gemacht werden. Wer diese auf sich genommen hat, mufs gerechterweise Eigentümer des Bodens und der Ernte werden. Wer ihm das Grundeigentum rauben wollte, der würde sein persönliches und dingliches Eigentum verletzen. Also gehört auch das Grundeigentum zum Bestande der natürlichen Ordnung. Wenn nun auch durch die Einführung des Privateigentums an der Erdoberfläche viele vom Privateigentum ausgeschlossen werden, so erhalten sie doch ein Recht auf den Mitgenufs der Ernte, wenn sie sich nützlich machen. Mercier ist nun zu einer Definition der wesentlichen Ordnung gelangt. L'ordre essentiel des sociétés est l'accord parfait des institutions sans lesquelles ce bonheur et cette multiplication ne pourraient avoir lieu1.

Die höchstmögliche Entfaltung der materiellen Wohlfahrt und die gröfstmögliche Menschenvermehrung hängen ab von der socialen Freiheit. Der Mensch wird seine Kräfte nicht aufs äusserste anstrengen, wenn ihn nicht der Wunsch zu geniessen antreibt. Wenn aber die Freiheit des Genusses nicht besteht, wer wird dann Arbeit und Mühe auf sich nehmen? Désir de jouir et liberté de jouir voilà l'âme du mouvement social2. Der Mensch kennt eben nur zwei Beweggründe: den Hang zum Vergnügen und die Abneigung gegen den Schmerz.

Was versteht er also unter der socialen Freiheit? La liberté sociale peut être définie une indépendance des volontés étrangères qui nous permet de faire valoir le plus qu'il nous est possible nos droits de propriété et d'en retirer toutes les jouissances qui peuvent en résulter sans préjudicier aux droits de propriété des autres hommes3. Die Freiheit kann nie schädlich sein. Denn unser Drang nach Genufs macht uns von andern abhängig. Damit sie uns helfen, müssen wir ihnen ebenfalls Genüsse bieten. So ist mit der Vermehrung unserer Genüsse die Vermehrung der Genüsse aller andern verbunden. Unter der Bedingung socialer Freiheit strebt ein jeder nach seinem eigenen Besten und damit nach dem Besten der ganzen Gesellschaft. Die Gegenüberstellung des Privatinteresses und des allgemeinen Interesses erscheint

les droits qu'elle donne sont tous d'une égale justice, mais ils ne sont pas tous d'une égale valeur. I, p. 21.

1 I, p. 40.

2 I, p. 54.

3

a. a. O.

Mercier als widersinnig. Das allgemeine Interesse ist nur die Summe aller Einzelinteressen1.

Eigentum, Sicherheit und Freiheit zu geniefsen: das sind die Säulen der natürlichen und wesentlichen Ordnung der Gesellschaft. Es ist eine natürliche Ordnung; denn die sociale Ordnung ist ein Teil der allgemeinen Naturordnung. Es ist physisch unmöglich, ohne Lebensmittel zu existieren, und es ist physisch unmöglich, dafs sich die Menschheit vermehre, wenn nicht die Kulturarbeit die Schätze der Erde erschliefst: Folglich ist auch das Privateigentum an Grund und Boden physisch nötig, das Eigentum an den beweglichen Sachen ist physisch nötig. Kurz: la base fondamentale de cet ordre est évidemment le droit de propriété, parceque sans le droit de propriété, la société n'aurait aucune consistance, et ne serait d'aucune utilité à l'abondance des productions2.

Dieses sind gewissermalsen die wirtschaftlichen Grundrechte der Menschen und die Fundamente der Gesellschaft; dringen wir nun tiefer in das speciell nationalökonomische Gebiet ein. Die ersten Kapital- und Arbeitsaufwendungen (avances foncières), an welche sich die Einsetzung des Grundeigentums knüpft, genügen nicht, um die Nahrungsmittel dauernd zu erzeugen, es müssen auch Aufwendungen für Instrumente, Zugtiere u. s. w. (avances primitives) und für den Lebensunterhalt der arbeitenden Menschen und Tiere (dépenses annuelles) gemacht werden. Soll nun die Erzeugung von Nahrungsmitteln ihren regelmäfsigen Gang gehen, so muls eine bestimmte Quote des Ertrags zur Erneuerung des Anlagekapitals und es müssen die jährlich wiederkehrenden Auslagen ganz zurückgelegt werden. Hierzu kommt dann noch eine Risikoprämie für Hagelschlag u. s. w. Sie zusammen bilden die reprises des cultivateurs.

Dieser Teil des Ertrages mufs also unverletzlich sein, er darf weder vom Eigentümer noch vom Staate in der Form von Grundrente oder Steuer in Anspruch genommen werden. Dies ist eine der wichtigsten Forderungen der natürlichen Ordnung, von welcher die Erhaltung der einzelnen, die Vermehrung und das Glück der Menschen abhängt. Damit sie verwirklicht werde, ist aber nichts weiter nötig, als dafs der Staat nichts thue. Überläfst er die Verteilung des Ertrages ganz dem freien Vertrage zwischen Gutsbesitzer und Pächter, so wird die Konkurrenz schon dafür sorgen, dafs die notwendigen Auslagen stets zurückerstattet werden

1 Au moyen de cette liberté, qui est le véritable élément de l'industrie, le désir de jouir irrité par la concurrence, éclairé par l'expérience et l'exemple, vous est garant que chacun agira toujours pour son plus grand avantage possible et par conséquent concourra... au plus grand accroissement possible de cette somme d'intérêts particuliers, dont la réunion forme .. l'intérêt général du corps social. I, S. 58.

2 I, p. 48.

und doch andererseits der Anteil des Pächters so mässig wie nur möglich ausfällt 1.

Der Anteil des Grundbesitzers ist der Reinertrag; von diesem Teil darf und soll der Staat eine Quote als Steuer erheben, denn der Staat ist das notwendige Mittel zur Förderung der ganzen Volkswirtschaft. Es ist von der hervorragendsten Wichtigkeit, dafs das produit net möglichst grofs ausfalle: je gröfser es ist, um so vorteilhafter wird es, Eigentümer zu sein. Je vorteilhafter dies, um so mehr Boden wird in Kultur gewonnen; je ausgebreiteter und je vollkommener die Kultur, um so mehr Unterhaltsmittel werden erzeugt; je grösser deren Menge, um so mehr Genüsse können sich die Menschen gönnen; um so glücklicher sind sie. Je glücklicher sie sind, um so mehr vermehren sie sich. Da nun die Klassen der Gewerbetreibenden und Kaufleute ebenfalls von den Überschüssen der Landwirtschaft erhalten werden müssen, wie wir noch sehen werden, so darf man sagen, dafs das Gedeihen der ganzen Menschheit von dem möglichst grofsen Reinertrag abhängt. Das Geheimnis aber, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Herstellung der freien Konkurrenz. Da die Gewerbetreibenden sowohl ihre Rohstoffe wie ihre Nahrungsmittel aus dem Ertrag der Landwirtschaft erhalten, so können sie keine neuen Güter producieren. Ihre Thätigkeit besteht darin, dafs sie den vorhandenen Stoffen durch ihre Arbeit eine neue Form geben. Der höhere Wert, welchen diese Klasse den Rohprodukten verleiht, ist gleich dem Wert der Unterhaltsmittel und Kapitalauslagen, die zu jener Umformung nötig waren. Damit aber die Summe der Unterhaltsmittel und der Kapitalauslagen möglichst gering sei, ihr Einkommen das Mafs des gesellschaftlich Notwendigen nicht übersteige, ist wiederum die vollste wirtschaftliche Freiheit nötig. Dasselbe gilt von den Kaufleuten, welche den Austausch der Güter besorgen. Der höhere Wert, welchen sie den Waren verleihen, ist volkswirtschaftlich auf Kapitalauslagen und Unterhaltsmittel zurückzuführen. Diese werden bei voller wirtschaftlicher Freiheit am geringsten sein. In den Überschüssen der Landwirtschaft liegt also die Ursache der Gröfse der Volkswirtschaft: je grölser jene, um so bedeutender diese: Gewerbetreibende und Kaufleute dürfen

1 En cette partie l'administration n'est point embarrassante; elle n'a rien à faire, il lui suffit, de ne rien empêcher... de laisser ainsi la concurrence en possession d'être l'arbitre naturel et souverain de ces mêmes débats.. ils (cultivateurs) seront done constamment assujéttis par elle à ne prendre dans ces produits bruts que la portion qu'on ne peut absolument leur refuser; et, cette portion étant ainsi la plus modique qu'il soit possible, celle qui formera le produit net, pour se partager entre les propriétaires et le souverain, sera par conséquent toujours aussi forte qu'elle peut et doit l'être. Daire II, p. 460.

2 Vgl. Dupont de Nemours. Daire I, p. 346.

3 Eine humoristische Ausführung dieses Satzes, der sehr sophistisch Forschungen (43) X 2. Hasbach.

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daher vom Staate keine besondere Begünstigung erfahren1. Von ihnen darf aber auch keine Steuer erhoben werden, sie reproduzieren nur ihre Konsumtion. Der einzige Teil des jährlichen Ertrages, auf welchem eine Steuer lasten darf, ist folglich der Reinertrag, das produit net.

Also ist die Einführuug der vollen wirtschaftlichen Freiheit das unumgänglich notwendige, aber auch das einfache gottgewollte Mittel zur Begründung des Glückes der Menschheit. Da dieses durch die Beschränkung der Concurrenz sehr gehindert wird, so ist sie ein ungeheures Verbrechen. Darum sagt Dupont de Nemours: „Se livrer à cet attentat, ce serait déclarer la guerre à ses semblables; ce serait violer les droits et manquer aux devoirs institués par le Créateur; ce serait s'opposer à ses décrets autant que le peut notre faiblesse, ce serait commettre un crime de lèse-majesté divine et humaine". Um aber diese Ordnung der gröfstmöglichen Freiheit und Sicherheit durchzuführen und aufrecht zu erhalten, um ihr Glück nicht zu beschränken, sondern zu steigern, ernennen die Menschen eine schützende Obrigkeit; sie treten in die bürgerliche Gesellschaft ein. Diese Obrigkeit hat also keine andere Aufgabe, als jene Naturordnung zu schützen. Es steht ihr nicht etwa zu, Gesetze zu machen 3.

Die Verwandtschaft mit Lockes Theorie tritt hoffentlich ebenso deutlich hervor, wie der Unterschied des politischen Ziels und die breite Entwicklung der nationalökonomischen Grundgesetze und Grundsätze, die aber noch immer eng mit dem Naturrechte verbunden bleiben. Die Lockeschen,,Two Treatises" haben einen wesentlich politischen Charakter, die physiokratischen Schriften einen wesentlich wirtschaftlichen. Hier wie dort bildet das Individuum das Princip der Theorie, obwohl Locke wie Quesnay die Existenz einer natürlichen Gesellschaft annehmen;

das pourquoi und comment unterscheidet, bei Ba udeau, Explication du Tableau Economique. Daire II, p. 849. laisse aller d'elles-mêmes

1 Que le gouvernement économique. les dépenses steriles. Quesnay. Daire I, p. 88.

Daire I, p. 346.

3 Car les lois sont toutes faites par la main de celui qui créa les droits et les devoirs . . . Les ordonnances des souverains, qu'on appelle lois positives, ne doivent être que des actes déclaratoires de ces lois essentielles de l'ordre social. Widersprechen die positiven Gesetze den Naturgesetzen der socialen Ordnung, so verdienen sie nicht den Namen von Gesetzen, sie wären des actes insensés qui ne seraient obligatoires pour personne". Es giebt also einen natürlichen und höchsten Richter über alle positiven Gesetze, und dieser ist l'évidence de leur conformité ou de leur opposition aux lois naturelles de l'ordre social". Die Obrigkeit ist aber auch verpflichtet, die Naturgesetze zu verkünden, und die Menschen wären gebunden par religion de for intérieur" sich ihnen zu unterwerfen, wenn sie nicht verkündet wären, da sie ihnen vorteilhaft sind. a. a. O. S. 347.

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