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ihnen die ersten Bedürfnisse des Lebens zu versagen.,, (Concordia, S. 110.) 1) „Der Zweck des rationalen Ackerbaues ist nicht Vermehrung der Lebensmittel selbst, sondern Vermehrung des disponibeln, gänzlicher Willkür heimfallenden Theils vom ökonomischen Ertrage, welches nur geschehen kann, indem das Product nach Möglichkeit denen entzogen wird, die zur Hervorbringung am meisten beigetragen haben“. (C., S. 138.) Der „Widerspruch des heutigen Geldsystems gegen die ewige Natur der Dinge" zeigte sich besonders schreiend in der Erklärung des bayerischen Finanzministers 1819 gegen die dortige „Geldrepräsentation", dass er bei tieferem Sinken der Kornpreise ein neues Creditvotum bedürfe. (C., S. 140.) Sonst hatte Müller die englische Volkswirthschaft bewundert als die gesunde Vermittelung zwischen Lehenwesen und strengem Eigenthum, zwischen Grundbesitz und beweglichem Vermögen, Ackerbau und Handel, Adel und Bürgerthum, Krieg und Frieden (E. II, S. 88 ff.); er hatte Burke als die höhere Einheit zwischen Montesquieu und Ad. Smith, als den grössten Staatsmann der drei letzten Jahrhunderte, den grössten Gesetzgeber seines Jahrhunderts (Verm. Schr. I, S. 57.), als den eigentlichen Ausdruck unserer Zeit gepriesen. (E. I, S. 86. 26. III, 236.) Jetzt hingegen „nähert sich England seinem politischen Tode, indem es mehr und mehr in zwei verschiedene Völker, die Arbeiter und Renteniere, zerfällt, und Principien, die immer verbunden sein sollten, Schaffen, Fortschreiten, Liberalität Erhalten, Bleiben, Legitimität, einander entgegensetzt. (C., S. 101.) Um 1821 ist „die britische Macht nur die Tête der Jacobinischen Colonne, die sich in Amerika bildet, die Spitze der liberalen Phalanx, die dereinst Europa zu zerbrechen droht". Darum hat Europa jetzt hauptsächlich zwei Bedürfnisse, das Wort Gottes und eine grosse Marine, zu deren Bildung Oesterreich, Frankreich und Russ

1) Solche Aeusserungen hatten bei Metternich grossen Anstoss gegeben, und veranlassten darum Gentz zu dem ernstlich warnenden Briefe (Briefwechsel, S. 324 ff.), worin er geradezu sagt: >bei den ersten in Ihrem Sinn unternommenen Schritten stürzte das ganze Gebäude über unseren Köpfen zusammen.<<

land eine ewige Allianz schliessen, den Maltheserorden wiederherstellen sollten u. dgl. m. (Briefw. mit Gentz, S. 340 fg.)

Positiv freilich beruhen diese Aeusserungen auf einem ganz andern Grunde, als die ähnlichen des Socialismus. Die Lehre, dass alles Einkommen von der Arbeit herrühre, wird von Müller entschieden bekämpft. (C., S. 106.) In jeder menschlichen Thätigkeit unterscheidet er vielmehr drei Factoren: die Kraft (die von Gott herrührt), das Material (Grundstücke und schon vorhandene Kapitalien) und das Werkzeug (Arbeit). Durch Vergessen der göttlichen Kraft, die auch den beiden anderen Elementen zu Grunde liegt, gerathen drei Vertreter der Arbeit und des Materials in einen zerstörenden Kampf mit einander. (C., S. 93. 114. 153.) Seine Hoffnungen für die Zukunft setzt Müller hauptsächlich auf einen grossen Völkerbund, den er Kirche nennt. Der wahre Protestantismus ist von dem wahren Katholicismus ebenso unzertrennlich, wie die Freiheit vom Gesetz. Völlig gesondert, wird jener zu einer leeren Willkür, dieser zu einem versteinerten Glauben. Jedenfalls darf man unter Glaubensfreiheit nicht die negative Befugniss verstehen, beliebig aus der Kirche auszutreten, sondern vielmehr die positive Berechtigung, eigenthümlich in die Kirche einzugreifen. (E. III, S. 311 ff.)

Hätte sich Müller, der beim Erscheinen der Elemente 30 Jahre alt war, nachher in normalster Weise fortentwickelt; hätte er seine Kenntnisse gründlicher und praktischer, seine Ideen klarer und consequenter gemacht: so wäre er unstreitig einer der ersten Nationalökonomen aller Zeiten geworden. Nun meint er zwar selbst 1820, dass seine Elemente eine Jugendarbeit gewesen, die, verführt vom Zeitgeist und eigener Selbstgefälligkeit, Vieles für eigenes Machwerk angesehen, was Nachklang einer christlichen Erziehung war (C., S. 117.), eine dem Evangelium bewusstlos entwendete Philosophie". (Briefw. mit Gentz, S. 281.) Leider ist diess der einzige Fortschritt, den Müller inzwischen gemacht hatte. Im Gegentheil: seine späteren Schriften sind viel weniger sprühend von Geistesfunken, als die früheren, ohne doch gelehrter zu sein;

und dabei entschieden noch mystisch unklarer 1), noch doctrinär unpraktischer. Statt der früheren Anläufe, zwischen Protestantismus und Katholicismus eine versöhnende höhere Mitte einzunehmen, wurde Müller, der freilich schon 1805 zum Katholicismus übergetreten war, immer leidenschaftlicher ultramontan und hierarchisch. Hatte er schon in den Elementen hier und dort geringschätzig von den deutschen Kleinstaaten geurtheilt (III, S. 185) und merkwürdige Prophezeiungen ausgesprochen über die Nothwendigkeit politischer Einheit für Deutschland, wenn nicht alle einzelnen Theile auch ökonomisch abhängig und arm bleiben sollten, während von Natur kein Land Europas für das innere ökonomische Gleichgewicht so gut ausgestattet sei, wie eben Deutschland (III, S. 128 fg.): so hat er diess nachmals bekanntlich dadurch bethätigt, dass er mit Leib und Seele in die Dienste des Metternich'schen Systems eintrat. Freilich war das bei ihm nicht so sehr eine Umwandlung, als ein Abschluss: da er von jeher Oesterreich für den viel solidern, gesundern Staatskörper, Preussen bloss für den künstlichen Ausbau der Individualität Friedrichs M. gehalten hatte. (III, S. 192 ff. 228.) Man wird es schon hieraus erklärlich finden, wenn Müller mit der Zeit immer extremer wurde: wenn er z. B. schon im D. M. (II, S. 227 ff.) alle Reform und Reformation nur einen bescheidenern Ausdruck für Revolution nannte und ein Wachsen der Landwirthschaft nach Abstreifung des Feudalismus für so unmöglich hielt, dass man nur zwischen christlich edler, wechselseitiger Lehensabhängigkeit und römisch sklavischer Verschuldung zu wählen hätte!

Bei dieser Gelegenheit wird es übrigens passend sein, daran zu erinnern, dass 1819 ein Mann wie Rotteck, in lebhaftester Polemik gegen Müller begriffen, ihm die Kraft hoher Genialität und edler, nach der Gesinnung wirklich himmlischer Begeisterung" zugeschrieben hat. (Briefw. zwischen Gentz und Müller, S. 305.)

1) Man vgl. z. B. die Behauptung im D. Museum I, 157, dass der Sachwerth aller Dinge im 18. Jahrhundert ungebührlich gestiegen sei«, viel mehr, als die Vermehrung der Geldzeichen und die Steigerung der Nachfrage erkläre!

Karl Ludwig von Haller.

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(1768-1854.)

VIII.

Wie von allen Männern der reactionären Schule in Deutschland Gentz der praktischste, Ad. Müller der geistreichste, so ist K. L. von Haller unstreitig der ehrlichste, consequenteste und rücksichtsloseste. Seine Ansichten haben sich im Laufe eines halben Jahrhunderts, voll der grössten Veränderungen draussen, so gut wie gar nicht 1) verändert: wie man aus einer Vergleichung seiner Geschichte des österreichischen Feldzugs von 1799 in der Schweiz" (1801) mit seiner Schrift „über Domänen und Regalien" (1807), seinem „Handbuche der allgemeinen Staatenkunde" (1808), seiner „Restauration der Staatswissenschaft oder Theorie des natürlich-geselligen Zustandes der Chimäre des künstlich-bürgerlichen entgegengesetzt" (VI, 1816 ff.) und seinem letzten, 1850 erschienenen Werke ersieht.

Ein durchaus mittelalterlicher Geist, der, ohne viel Studium mittelalterlicher Geschichten und Urkunden, rein instinctmässig fast auf jede wichtigere Frage eine Antwort zu geben pflegte, wie sie gewisse Zeiten des Mittelalters gegeben haben oder geben würden. Die Schriften dieses Mannes, der mir wie ein Siebenschläfer vorkommt, im Mittelalter eingeschlafen und auf der Gränzscheide des 18. und 19. Jahrhunderts wieder erwacht, haben desshalb für die lebendigere Kenntniss der mittelalterlichen Geschichte einen ähnlichen Nutzen, wie die Aufdeckung von Herculanum und Pompeji für die lebendigere Kenntniss der römischen Alterthümer. Nichts ist verkehrter, als seinen allmälich, mit Widerstreben vollzogenen Uebertritt zum Katholicismus der Heuchelei nach irgend einer Seite hin zu beschuldigen. Ein so mittelalter

1) Unter den sehr wenigen Ausnahmen hiervon ist wohl die merkwürdigste der Vorschlag, alle schweizerischen Klöster zu secularisiren, welcher in der Geschichte des österreich. Feldzuges in der Schweiz, S. 553 gemacht wird.

licher Mensch, wenn er überhaupt religiös ist, muss sich zu den Religionsformen des Mittelalters hingezogen fühlen. Und da er nicht von irreligiösen, sondern von protestantisch religiösen Erziehungsgrundlagen ausgegangen war, so scheint auch sein langes Widerstreben gegen diese Consequenz begreiflich 1).

In der Wissenschaft ist es Hallers vornehmstes Verdienst, die älteren Theorien vom Naturstande und Gesellschaftsvertrage mit am erfolgreichsten bekämpft und zur Verbreitung richtigerer Ansichten über die Anfänge der Staatsbildung mitgewirkt zu haben. Sehr natürlich da ein solcher Kopf der Wiege des Volkslebens wirklich näher steht, zu ihrem Verständniss wirklich geringerer Abstraction bedarf, als die Kinder unserer Zeit.

Indess knüpft sich eben hieran die verhängnissvolle Einseitigkeit Hallers: dass er, den allgemeinen Gesellschaftsvertrag in eine beliebige Anzahl privater Einzelverträge auflösend, jeden Gesammtzweck des Staates, man darf wohl sagen, jede Ganzheit des Staates, ja sogar des Volkes leugnet. In diesem Atomismus berührt er sich mit dem entgegengesetzten Extreme der plattesten Radicalen. Obwohl er Patrimonialfürsten, Militärherrscher, geistliche Oberhäupter und Republiken, d. h. unabhängige Corporationen, unterscheidet: so sind ihm doch alle diese verschiedenen Staaten nur Analogien privatrechtlicher Verhältnisse, namentlich des hausherrlichen, gutsherrlichen, lehensherrlichen, Zunftverhältnisses etc. Den socialrechtlichen Staat, mit seinem höhern Gesammtinteresse, welches die Einzelinteressen seiner Mitglieder wohl umfasst und fördert, aber nicht eigentlich in diesen aufgeht; in welchem die Rechtssphäre des Herrschers wie der Unterthanen in zwei verschiedene Gebiete zerfällt, eins, wo man Rechte um seiner selbst willen hat (Privatrechte),

1) Vgl. seine berühmte, unzähligemal gedruckte, übersetzte und bestrittene Lettre à sa famille, pour lui déclarer son retour à l'église catholique. (1821.) Freilich ist das keine Entschuldigung für die cynischen Angriffe auf Luther in seiner Geschichte der kirchlichen Revolution von Bern, (1836) S. 6.

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