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grossen Brennereien, zahlen daher für den Eimer Spiritus eine ungleiche, und zwar in dem Grade höhere Verzehrungssteuer als sie eine geringere Spiritusausbeute haben 1). Das gegenwärtig geltende System der Branntweinbesteuerung unterscheidet zwar zwischen grossen Brennereien, deren Maischgefässe eineh Gesammt-Rauminhalt von wenigstens 30 Eimern besitzen, und kleinen, deren Maischgefässe einen geringeren Rauminhalt repräsentiren, und unterliegen die grossen Brennereien dem Gesetze v. 8. Juli 1868, die kleinen dem Gesetze vom 28. März 1868, allein die Grösse bildet kein genügendes Merkmal, und dürfte somit nach dem Mitgetheilten sich die Unterscheidung in landwirthschaftliche und gewerbliche Branntweinbrennereien empfehlen.

Eine dritte Klage richtet sich gegen die ungenügende Unterscheidung der zur Branntwein-Erzeugung verwendeten Rohstoffe. Wie wir gesehen, unterscheidet das Gesetz vom 8. Juli 1868:

a. die ausschliessliche Verarbeitung von roher Rübe, bei welcher die Alkoholausbeute unter Zu-Grunde-Legung einer 48-stündigen Gährdauer mit 6 Perzent pro Eimer Maischraum angenommen wird,

b. die Verarbeitung von mehligen Stoffen, welche nach der Annahme des Gesetzes bei einer gleichfalls 48-stündigen Gährdauer eine Alhoholausbeute von 7 Perzent für jeden Eimer Maischraum geben, und

c. die Verarbeitung von Zuckermelasse, welche nach der Annahme des Gesetzes zwar ebenfalls eine Alhoholausbeutè von 7 Perzent pro Eimer Maischraum, jedoch schon bei 36stündiger Gährdauer giebt. Es ist somit die Steuer bei der

1) Vgl. den Bericht über die »Generalversammlung der k.k. patriotisch-ökonomischen Gesellschaft am 15. und 16. Mai 1869» in Prag in dem >Zentralblatt für die gesammte Landeskultur, herausgegeben von der k. k. patr.-ökon. Gesellschaft im Königreiche Böhmen», Jahrgang 1869, II. Bd. S. 288 ff., insbes. S. 291. (Prag J. G. Calve'sche Universitäts-Buchhandlung.) ferner den Bericht über die allgemeine ordentliche Sitzung der Handels und Gewerbekammer in Prag am 25. Februar 1869 S. 51 u. 52. (Verlag der Handels- und Gewerbekammer.)

ausschliesslichen Verarbeitung von roher Rübe am niedrigsten bemessen, sie steigt bei Verarbeitung mehliger Stoffe, und ist am höchsten bei der Verwendung von Zuckermelasse. Diese Unterscheidung wird insbesondere nach zwei Richtungen hin angefochten.

Von einer Seite wird geltend gemacht, dass die von dem Gesetze gemachte Unterscheidung der Verarbeitung von mehligen Stoffen und von Zuckermelasse und die höhere Besteuerung im letzteren Falle, von Nachtheil sei. Diese Anschauung wird von der Handelskammer in Prag in einem Gesuche derselben an das Handelsministerium um Zugestehung einiger Erleichterungen für die Spiritus-Industrie vertreten 1).

Zur Begründung wird angeführt, dass für Melassenbrennereien durch die Herabsetzung der Gährdauer von 72 Stunden (nach dem Gesetze vom 18. Oktober 1865) auf 36 faktisch eine Verdoppelung der Steuer eingeführt wurde, und dass dieselben somit gegenwärtig nicht im Stande seien mit den anderen Brennereien, die mehlige Stoffe verarbeiten zu konkurriren, und diess um so weniger als das gewonnene Nebenprodukt, die Schlempe wohl einen entsprechenden Düngerwerth aber einen sehr geringen Futterwerth hat. Werde die Melasse zur Spirituserzeugung verwendet, so gestatte sie lediglich eine Verwerthung von 1 fl. 50 kr. bis 1 fl. 80 kr. pro Centner, während sie im Falle des Exportes mit 2 fl. 30 kr. bis 2 fl. 50 kr. bezahlt werde. In Folge dessen gelange der grösste Theil der Melasse zum Export, wodurch die heimischen Melassenbrennereien zum Stillstande verurtheilt, und dem Grund und Boden die in der Melasse enthaltenen Salze vorenthalten werden. Von anderer Seite hingegen wird die in Rede stehende Unterscheidung des Gesetzes gebilligt und darauf hingewiesen, dass die Melassenmaische zukerreicher sei, daher eine grössere Ausbeute an Alkohol gebe als die

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1) Vgl. den in der vorstehenden Note zitirten Bericht über die Sitzung am 25. Februar 1869. S. 48 ff. ferner die als Manuskript gedruckte Petition der prager Zuckerfabrikanten und Spiritus-Industriellen an das österr. Abgeordnetenhaus. (Prag im Mai 1868.)

Kartoffelmaische. Würde daher die Steuer in beiden Fällen gleich hoch bemessen, so würden jenen landwirthschaftlichen Brennereien, welche wegen ihrer Lage, also wegen ihrer Entfernung von Zuckerfabriken, auf die ausschliessliche Verarbeitung von Kartoffeln angewiesen sind, alle Möglichkeit benommen mit jenen Brennereien zu konkurriren, welche in der Nähe von Zuckerfabriken sich befinden und daher entweder ausschliessliche Melasse oder Kartoffelmaische mit einem entsprechenden Zusatze von Melasse (wodurch leichtere Gährung der an sich dickeren und zuckerarmen Kartoffelmaische und somit eine reichere Alkoholausbeute erzielt wird) verarbeiten.

Wird wenigstens theilweise - die Unterscheidung von Melassen- und anderen Brennereien als überflüssig und nachtheilig erklärt, so wird es andererseits dem Gesetze zum Vorwurfe gemacht, dass es in seiner Unterscheidung nicht weiter geht, und bei der Verarbeitung von Mais nicht einen höheren Steuersatz normirt. Die Prager Handelskammer in ihrem vorhin erwähnten „Gesuche" führt an, dass die Melassenmaische wegen ihres bedeutenden Gehaltes an Salzen nicht vollständig vergährt, während die Mais-Maische vollständig und schneller vergährt, so dass Spiritusausbeute aus Einem Eimer MaisMaische um die Hälfte bis zwei Drittheile grösser sei als die Alkoholausbeute aus Einem Eimer Melassenmaische. Noch grösser ist der Vortheil der Verarbeitung von Mais gegenüber den Kartoffelbrennereien, denn der Mais besitzt einen Stärkegehalt von 80 pCt., die Kartoffel dagegen lediglich von 12 bis 15 pCt. und trotzdem ist der Preis des ersteren nicht bedeutend höher als der der letzteren. Diese Ungleichheit des Rohstoffes, welche im Gesetz nicht berücksichtigt ist, macht es den Kartoffelbrennereien ganz unmöglich mit den Maisbrennereien zu konkurriren, und das Uebel wird dadurch noch verschärft, dass die Kartoffelbrennereien vorzugsweise auf Westösterreich entfallen, wo die bezüglichen Steuergesetze streng gehandhabt werden, während die ungarischen Maisbrennereien unter einer viel laueren Kontrolle stehen. Hiezu kommt weiter, dass das zwischen den west-österreichischen Ländern geschlossene Zoll

und Handelsbündnis 1) in seinem Art. XI. verfügt, dass die indirekten Abgaben in beiden Ländergruppen durch gleichartige, daher gegenseitig zu vereinbarende Gesetze geregelt werden, und dass in Folge dessen eine Abänderung des Gesetzes vom 8. Juli 1868 welches auf Grund einer Vereinbarung mit dem ungarischen Ministerium erfloss - erst nach Ablauf des fünften Jahres seit Abschluss jenes Vertrages, beantragt werden kann.

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Zum Schlusse theilen wir eine zum Theile der in S. 564. Note 1 erwähnten Petition, zum Theile den mehrfach zitirten amtlichen Ausweisen Ergebnisse der Verzehrungssteuer" entnommene Zusammenstellung der Erträgnisse der Branntweinsteuer während der Jahre 1850 bis 1868 mit. Hiernach bezifferte sich dasselbe in Gulden österr. Währg. im Jahre: 1850 mit

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.

3,194.502 1860 mit

. 13,974.776

4,311.521 1861

6,237.619 1862
6.894.109 1863

7,304.858 1864

8,015.925 1865 9,393.336 1866 10,517.973 1867

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14,541.165

12,986.682

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10,159.649 1868
11,560.766

. 10,472.224

12,670.153

Die Erhöhung der Steuer durch das Gesetz vom 8. Juli 1868 findet ihren Ausdruck in dem gestiegenen Erträgnisse dieses Jahres.

Prag im November 1869.

1) Gesetz 24. Dezember 1867. Nro. 4 des R.-G.-Bl. (pro 1868), wodurch das Ministerium der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder zur Vereinbarung eines Zoll- und Handelsbündnisses mit dem Ministerium der Länder der ungarischen Krone ermächtigt wird. Giltig für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder.

II. Literatur.

Die Moralstatistik und die christliche Sittenlehre. Versuch einer Socialethik auf empirischer Grundlage von Alexander von Oettingen, o. Prof. der Theologie in Dorpat. I. Theil. I. Hälfte, 1868; Geschichtliches und Methodologisches 2. Hälfte, 1869: Analyse der moralstatistischen Daten nebst einem Tabellenwerke. Erlangen. Verlag Deichert.

Besprochen von Regier.-Rath Prof. Dr. Wahlberg an der Universität Wien.

Es geht ein tiefsinniger Zug durch die neuere Psychologie, Ethik und strafrechtliche Zurechnungslehre, die richtige Formel für das Verhältniss von Gesetzmässigkeit und Freiheit in der Lebensbethätigung des Einzelnen als eines Gliedes der Gemeinschaft aufzufinden. Die neueren Leistungen auf diesen Gebieten versuchen es, die Psychologie, die Ethik, die Imputation über die Grenzen des Einzelsubjektes zu erweitern, den Begriff der Mitverantwortlichkeit oder der Gesammthaftbarkeit wissenschaftlich zu begründen, das Individuum für sein Thun und Lassen zum Theile zu entlasten, zum Theile für das Thun und Lassen Anderer mit verantwortlich zu machen. Man spricht von Völkerpsychologie, von collektiver Sittlichkeit und collektiver Criminalität, von einem Collektiv gewissen.

Der Ausgangspunkt für diese Anschauungsweise ist die gliedliche Beziehung der Einzelnen zu der Gesammtheit, der sie einverleibt sind. Der Weg zur Lösung des gestellten Problemes ist der Versuch, die individuellen Willensäusserungen der Menschen in der Gesellschaft anf allgemeine Gesetze nach naturwissenschaftlicher Methode zurückzuführen.

Den Schlüssel zur Lösung soll nun die Moralstatistik, die Massenbeobachtung der sittlichen Lebenserscheinungen nach dem Gesetze der grossen Zahl an die Hand geben.

Der Verfasser der vorliegenden Untersuchung unternimmt es auf dieser Grundlage eine Socialethik zu construiren, geleitet durch ein tieferes Verständniss für den organischen Charakter menschlich - sittlicher Lebensbewegung. Allein der wisschenschaftliche Werth seiner fleissigen und mühsamen Arbeit wird getrübt sowohl durch die Un

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