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der Bundesrath die Urtheile des Bundesgerichts, so wie die Vergleiche oder schiedsrichterlichen Sprüche über Streitigkeiten zwischen Kantonen vollziehe 1); sondern es sind auch gewichtige sachliche Ausstellungen zu machen. Wenn nämlich auch aus dem Stillschweigen des Gesetzes der Schluss gezogen werden kann, dass das in den gewöhnlichen Rechtsfällen von dem Gerichte zu befolgende Verfahren auch bei den Processen zwischen Kantonen zur Anwendung zu kommen hat; wenn ferner, allerdings mit geringerer Zwangkraft der Auslegung, aus der unbedingt festgestellten Zuständigkeit des Gerichtes geschlossen werden darf, dass die neben den gerichtlichen Urtheilen ebenfalls erwähnten Vergleiche und schiedsrichterlichen Sprüche nicht an die Stelle jener gesetzt werden können, sondern nur einleitende, den eigentlichen Rechtsgang vielleicht unnöthig machende Versuche sein sollen; wenn endlich über das schiedsrichterliche Verfahren gar nichts gesagt ist, darin also Verschiedenheit und Unzweckmässigkeit statthaben kann: so sind namentlich zwei entschieden fehlerhafte Bestimmungen zu rügen. Einmal ist das Bundesgericht nicht gut geordnet. Es ist zwar eine stehende Behörde, aber es ist nicht immer versammelt, was Verzögerungen zur Folge haben muss, und es werden seine Mitglieder alle drei Jahre neu vom Bundesrathe ernannt, wodurch Ausbildung und Feststellung eines Gerichtsgebrauches in Frage gestellt wird, vielleicht auch Partheiströmungen ungebührlicher Einfluss erwächst. Ueberdiess ist für eine besondere Befähigung der Mitglieder zur Lösung der oft schwierigen Rechtsaufgaben keine gesetzliche Vorsorge getragen. Zweitens und hauptsächlich ist zu missbilligen, dass Streitigkeiten staatsrechtlicher Art dem Gerichte entzogen und der Entscheidung der Tagsatzung unterstellt sind, also einer wesentlich politischen und von politischen Leidenschaften bewegten Versammlung. Dass hierdurch gerade in den wichtigsten Fällen die Unpartheilichkeit der Entscheidung sehr bedroht und das Vertrauen in eine gerechte Entscheidung geschmälert ist, liegt auf der

1) S. Bluntschli, a. a. O., S. 429 fg.

Hand. Es ist möglich, dass gebieterische Rücksichten auf die bei der Gründung der Verfassung bestehenden Verhältnisse eine ausführlichere Gesetzgebung und einen festeren Organismus nicht gestatteten; allein damit ist die Sache selbst nicht besser. Das Bundesgericht theilt den Character der ganzen Verfassung, welcher mit der Bezeichnung als halbe Maassregel kein Unrecht zugefügt wird; es ist dasselbe keine Musteranstalt.

5. Die Vereinigten Niederlande.

Auch in dem mächtigeren Staatenbunde von Republiken, welche ein so bedeutendes Element der älteren europäischen Zustände bildete, dem der Vereinigten Niederlande wurde gleich bei der ersten Gründung das Bedürfniss einer Einrichtung zur Erhaltung des Friedens unter den Bundesgenossen gefühlt und demgemäss Vorkehrung getroffen. Später erhielten diese Bestimmungen an der Hand der Erfahrung eine nähere Ausbildung.

In der Utrechter Union von 1579 ) war allerdings vor Allem verabredet, dass kein Krieg und gewaltsames Verfahren unter den Verbündeten stattfinden dürfe; allein damit war die Möglichkeit von Streitigkeiten nicht beseitigt, noch also auch die Nothwendigkeit einer Einrichtung zu einer vollständigen Schlichtung derselben. Es wurden demnach auch zweierlei weitere Verabredungen getroffen, welche nicht verwechselt werden dürfen. Einer Seits war nämlich dafür Sorge getragen, (Art. 9,) dass Einigkeit unter den Provinzen in solchen das Verhalten der Gesammtheit betreffenden Dingen hergestellt werde, welche nicht durch Stimmenmehrheit in den GeneralStaaten beschlossen werden könne. (Zu diesen gehörten denn aber gerade die wichtigsten, so namentlich Kriegserklärungen, Waffenstands- und Friedensschlüsse.) Im Falle einer Meinungsverschiedenheit hierüber sollten die sieben Staathalter

1) S. dieselbe bei Trotz, Commentarius legum fundament. föderati Belgii. Haling. 1771, 4, S. 352 fg. Der Commentar von keiner Bedeutung; vortrefflich dagegen: P. Paulus, Verklaring der U. v. Utrecht. Utr., 1775 fg., I-IV.

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der Provinzen zusammentreten und einen Spruch thun, nöthigen Falles unter Zuziehung weiterer unpartheiischer Beisitzer oder Schiedsrichter; der Beschluss derselben sei unbedingt zu befolgen. Andrer Seits waren in Betreff von Streitigkeiten der einzelnen Provinzen unter sich über besondere Angelegenheiten festgestellt, (Art. 16,) dass solche von den übrigen Provinzen oder durch Abgeordnete derselben zu begleichen seien. Berühre der Streit sämmtliche Provinzen, so soll die Entscheidung den sieben Statthaltern in der vorstehenden Weise übertragen sein. Der Spruch habe spätestens innerhalb eines Monats vom Tage der Anrufung zu erfolgen und sei zu vollstrecken, ohne dass irgend ein Rechtsmittel dagegen eingelegt werden könne 1).

Es bedarf nicht erst eines Nachweises, dass die zuerst angeführte Bestimmung nur ein, freilich schwerfälliges und daher nicht sehr glückliches Mittel war, um in wichtigen allgemeinen Angelegenheiten einen Mehrheitsbeschluss an die Stelle der grundsätzlich nothwendigen, aber im concreten Falle nicht zu erreichenden Einhelligkeit setzen zu können. Von Streitigkeiten der Staaten unter sich über eigenthümliche Rechte und Interessen ist dabei nicht die Rede; solche sind erst in der zweiten Bestimmung berücksichtigt. Diese verdient nun aber sachlich nur geringes Lob und mag nur etwa durch die Nothwendigkeit, schnell ein Bündniss gegen die spanischen Dränger zu Stande zu bringen und desshalb untergeordnetere Puncte blos nothdürftig zu ordnen, entschuldigt sein. Nicht nur ist kein Gericht und Rechtsverfahren bestellt, was schon H. Grotius bitter beklagte, sondern auch die für die Mehrzahl der Fälle bestimmte schiedsrichterliche Vermittlung

1) Die Bestimmungen des Art. 1, welche die Streitigkeiten in den einzelnen Provinzen den Rechten und Behörden derselben überlassen und der Gesammtheit ein Eingreifen nur im Falle des Ungehorsams gegen die rechtliche Ordnung vorbehalten, gehören nicht hierher, wo sich nicht von Streitigkeiten im Innern des einzelnen Staates, sondern von solchen zwischen Staat und Staat handelt. S. Bynkershoek, Quaestiones juris publici, cap. 23. Opera omnia, Colon. Altobrug, 1761. Fol., T. II, S. 253; Paulus, a. a. O., Bd. III, S. 183 fg.

der Mitverbündeten ist durchaus nur in den allgemeinsten Umrissen angedeutet, ohne dass für die in solchen Fällen so nöthige Beschleunigung des Spruches gesorgt oder über die Art der Bildung des Schiedsgerichtes und seines Verfahrens irgend etwas bestimmt wäre. Ueber manche wichtige Fragen bestanden schwer zu lösende Zweifel 1). Dass die für die Unterstellung einer Streitigkeit zwischen einem Staate einer Seits und den übrigen Staaten anderer Seits vorgeschriebene Entscheidungsweise etwas genauer geordnet war, macht einen geringen Unterschied, da dieser Fall selbstverständlich nur ganz ausnahmsweise vorkam.

Das Bedürfniss einer besseren Ordnung musste sich daher, namentlich bei der zu häufigen Streitigkeiten führenden grossen Eifersucht der einzelnen Staaten auf ihre Selbstständigkeit, lebhaft geltend machen, und fand denn auch in dem Haager Vertrage von 1652 eine wenigstens theilweise Befriedigung 2). Es wurde ein auf alle Fälle anwendbares einheitliches Verfahren angeordnet und eine etwas genauere Vorschrift über die Bildung und das Vorgehen des Schiedsgerichtes gegeben. Es sollten nämlich in jedem Falle die Streitenden in gleicher Zahl Schiedsrichter bestellen, jeder derselben wenigstens Einen, in staatlichen Geschäften erfahrenen, friedfertigen, unpartheiischen Mann. Wenn diesen eine Versöhnung nicht gelinge, so sei die Zahl von beiden Seiten zu verdoppeln und von diesen ein Obmann zu wählen, nöthigen Falles durch Loos. Diese haben einen Eid auf völlige Unpartheilichkeit abzulegen, ihr Urtheil aber sei inappellabel und keinerlei Rechtsmitteln ausgesetzt. Auch hier wurde der Ausnahmsfall eines Streites Einer Provinz gegen sämmtliche sechs andern besonders hervorgehoben und zu dessen Ordnung ein Schiedsgericht von 24 Mitgliedern angeordnet.

Die Verbesserung fällt in die Augen; doch blieb immerhin auch hier die Wahl der weniger kräftigen und folgerich

1) S. Bynkershoek, S. 225 fg.; de Ranitz, Over Art. 68 der Grondwet. Gron., 1858, S. 12 fg.

2) S. dasselbe bei Caesius à Zesen, Leo Belgicus, Amst. 1660, S. 201.

tigen Entscheidungsweise zu tadeln, so wie der Mangel an genaueren Bestimmungen über Beschleunigung und über Verfahren; überdiess wurden nicht alle Bundesglieder einig über die Anwendung 1). Bald entstanden auch itzt wieder Verbesserungswünsche, allein die verschiedenen Versuche zu ihrer Befriedigung führten bis zum Ende der Republik zu keinem Ergebnisse. Weiter als einen kärglichen Nothbehelf zeigt uns somit die Geschichte hier nicht.

6. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Nur mit Befriedigung kann man sich von den mehr oder weniger mangelhaften Einrichtungen der Niederlande und der Schweiz zu denen der grossen transatlantischen Staateneinheit wenden. Hier ist fast nur für Lob nicht aber für Kritik Raum gelassen. Wie in den beiden bisher besprochenen europäischen Verbänden von Freistaaten Erfahrung und Nachdenken die Gründung von Anstalten zur friedlichen Schlichtung von Streitigkeiten der Mitglieder zu Wege brachte, so machte sich auch in dem Bunde der sich von England's Oberherrschaft losringenden Kolonieen in Nordamerika alsbald ein gleiches Bedürfniss geltend. Der erste Gedanke war hier ebenfalls, durch Schiedsrichter solche Zwistigkeiten beilegen zu lassen. Allein verschieden von den Niederlanden und selbst von der Schweiz liess man sich die Mängel dieser Einrichtung nach kurzer Zeit zur Warnung dienen und gieng ohne Zaudern zu dem sichersten Mittel, nämlich zu der Einsetzung eines Gerichtes über. Allerdings standen diesem Entschlusse in dem neuen Lande keine früheren Institutionen und kein den Gedanken abschwächendes Herkommen entgegen; allein die Selbstverläugnung ganze Staaten und ihr Selbstständigkeitsgefühl einer zwingenden rechtlichen Gewalt zu unterwerfen, musste doch auch hier schwer fallen. Dennoch wurde dahin entschieden und es mit tapferer Folgerichtigkeit durchgeführt. Man ersieht aus den Vorverhandlungen über die Einführung der neuen Verfassung, dass zwar den leitenden

1) S. Bynkershoek, a. a. 0.

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