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der zugleich für die Nationalität und eine übernationale Welthierarchie, für die ununterbrochene organische Fortentwickelung und ein Auslöschen der drei letzten Jahrhunderte aus der Geschichte, für die halbe Staatslosigkeit des Mittelalters und die Staatsallmacht der neuesten Centralisation schwärmt. Hallers Consequenz bildet die unabsichtliche, unbewusste, aber wirksamste ad absurdum deductio seiner geist- und widerspruchsreicheren Gesinnungsgenossen.

Den eigentlich technischen Fragen der Nationalökonomik steht Haller ebenso fremd gegenüber, wie die meisten Socialisten: insoferne ein Rückfall in die Zeiten vor Hume, wo man auch fast nur an das: Wie ist es? und: Wie soll es sein?, aber fast gar nicht an das: Wie wird es so? dachte.

Bemerkungen über die Volkswirthschaftslehre und

ihr Verhältniss zur Sittenlehre.

Von Dr. K. H. Rau, geh. Rath u. Prof. in Heidelberg.

I. Die neueren Bearbeiter der staatlichen Wirthschaftslehre theilen sich nach zwei verschiedenen Richtungen. Einige sind, wenn wir diese Wissenschaft einem Gebäude vergleichen, bemüht, dasselbe zu vergrössern und in seinen einzelnen Theilen zu vervollkommnen, auch mangelhafte Stücke durch haltbarere zu ersetzen. Andere beschäftigen sich mit den Grundlagen, prüfen die Festigkeit derselben und suchen sie zu vertiefen, zu erweitern oder auch an eine andere Stelle zu verlegen. Die zahlreichen Arbeiten der ersten Art haben fortwährend gute Früchte gebracht, auch fehlt es nicht an Gegenständen, über welche die Meinungen sich noch nicht vereinigt, oder neue Untersuchungen angefangen haben, so dass noch Stoff in Fülle für fernere Forschungen sich darbietet, z. B. Arbeitslohn, Grundrente, Preis der beiden Münzmetalle gegen einander und gegen die Waaren, Credit, Bankwesen, Papiergeld, Genossenschaften u. dgl. Die Bestrebungen der zweiten Art sind am meisten in Deutschland zum Vorschein gekommen. Sie sind auf die Grundbegriffe und auf die allgemeinen einleitenden Sätze, sowie auf die Methode in der Behandlung der Wissenschaft gerichtet. Das Verdienstlohn solcher Untersuchungen, die sich auf das ganze Lehrgebäude beziehen, ist gleichfalls nicht in Abrede zu stellen, es können neue Gesichtspunkte gewonnen werden, es wäre sogar möglich, dass aus ihnen die Nothwendigkeit einer Umgestaltung der bisherigen

Wissenschaft erkannt würde und viel Einzelnes als unbrauchbar erschiene. Letztere Wirkung ist von verschiedenen Schriftstellern beabsichtigt und verkündigt worden, z. B. in der Schrift eines Ungenannten: Volkswirthschaftliche Gespräche (Berlin 1869), die einen Vertilgungskrieg gegen die heutige Volkswirthschaftslehre versucht, jedoch den Leser darüber in Ungewissheit lässt, welche Lehren auf den Trümmern dieser Wissenschaft aufgerichtet werden sollen, denn einzelne unbestimmte, vieldeutige Aussprüche sind hiezu offenbar ungenügend. Solche Erscheinungen erinnern an die Angriffe, die einst Lueder gegen die Statistik und Politik machte, die aber bekanntlich erfolglos blieben. Wie wenig auch die gänzliche Umbildung der politischen Oekonomie sein mag, die seit A. Smith bedeutende Fortschritte gemacht hat, deren Ergebnisse sich in der Erfahrung bewährt und in den Maassregeln der wirthschaftlichen Staatskunst als nützlich erwiesen haben und die bereits in die Gedankenrichtung unseres Zeitalters eingedrungen sind, - es ist immer der Mühe werth, Einwendungen und Anklagen der erwähnten Art sorgfältig und unbefangen durchzudenken, besonders wenn sie von Männern ausgehen, die das gesammte System vor Augen haben und im Stande sind, ihre Ansichten in demselben durchzuführen. Es lassen sich bei den abweichenden Meinungen über die Grundlagen der Volkswirthschaftslehre Missverständnisse nachweisen. Eine leidenschaftliche Bekämpfung entgegenstehender Lehren verleitet aber leicht dazu, dem Gegner durch Folgerung aus seinen Worten handgreifliche Irrthümer schuldzugeben, gegen die er sich mit Recht verwahren kann. Grosse Streitfragen werden nur dadurch dauernd geschlichtet, dass man die Stelle aufsucht, bei der die Meinungs-Verschiedenheit anfängt, und dass man gegenseitig Zugeständnisse macht, die wenigstens zu einer Annäherung Anlass geben.

II. Es ist nicht selten behauptet worden, die Volkswirthschaftslehre sei auf den Eigennutz, auf schnöde Selbstsucht, auf den Dienst des Mammon gegründet und nehme folglich die Befriedigung unedler Lüste in Schutz. Man ist soweit gegangen, sie grundsätzlich unsittlich, gottlos zu nennen. Hier

ist es leicht, das Missverständniss deutlich zu machen. Die Volkswirthschaftslehre stellt keinen Satz dieser Art auf, geht aber von der Thatsache aus, dass die Menschen sich der Sorge für die Sachgüter als die unentbehrlichen Mittel für Leben, Wohlbefinden und die manchfaltigsten Zwecke nicht entziehen können, vielmehr sich mit der Erwerbung, Erhaltung und Verwendung jener Güter beschäftigen, also wirthschaftliche Thätigkeiten verrichten und die hierauf sich beziehenden Klugheitsregeln befolgen. Diese Regeln, nach denen man in dem Erwerbe den grössten Reinertrag zu erzielen, also den Rohertrag zu vergrössern, den Kostenaufwand zu vermindern, die einträglichere Unternehmung vorzuziehen, vorzüglich auf den Ersatz der Kosten Bedacht zu nehmen, Verlust zu verhindern hat, sind allgemein bekannt und werden von allen Verständigen beachtet. Sollen Arme unterstützt, soll die Wissenschaft, die schöne Kunst gepflegt, die Gesundheit erhalten und wiederhergestellt, sollen die Zwecke des Staats, der Kirche, der verschiedenen Vereine gefördert werden, so muss ein genügender Gütervorrath zur Verfügung stehen. Wenn es für die höchsten Güter der Menschen nützlich wäre, dass ein Theil von diesen fortwährend ein beschauliches Leben in der Abgeschiedenheit führte, ohne einen nach aussen wirkenden Beruf zu üben, was übrigens nicht der Fall ist, so müsste der andere Theil der Menschen für jene arbeiten und wirthschaften; viele Klöster und geistliche Orden wissen aber den Werth der Sachgüter so wohl zu schätzen, dass sie die Sorge für dieselben gerne selbst übernehmen. Man hat sich mit Unrecht darauf berufen, dass das Christenthum diess Gebiet menschlicher Thätigkeit missbillige. Christus wollte in dem Gleichniss von den Lilien im Felde gewiss nicht lehren, dass der Mensch nicht säen, erndten und spinnen, also nicht arbeiten solle. Andere Aussprüche in den Evangelien deuten an, dass wirthschaftliche Verrichtungen, insbesondere landwirthschaftliche, als zulässig anerkannt wurden, es wird auch das zinsliche Anlegen einer Geldsumme gelobt. Das verdammende Urtheil über die Reichen ist ohne Zweifel nicht so allgemein zu verstehen, wie man es wohl gethan hat. Wäre

das Erwerben überhaupt als Selbstsucht, als Eigennutz anzusehen, so wäre es auch egoistisch, dass der Leidende den Arzt zu Hülfe ruft oder den Brand löscht, statt diese Uebel mit Ergebung zu ertragen. Wie Alles in der Welt, so kann freilich die wirthschaftliche Thätigkeit zu weit gehen und das Vermögen gemissbraucht werden. Habsucht, Geiz, Verschwendung, Schwelgerei kommen allerdings vor. Aber auch der Verstand, das Wissen, die Religion kann zu verwerflichen Absichten benutzt werden. Das Verfolgen wirthschaftlicher Zwecke ist im Allgemeinen um so weniger zu missbilligen, da es in den meisten Fällen nicht allein für den, der es ausübt, sondern auch für Andere geschieht und hiedurch veredelt wird. Der Hausvater und seine mitarbeitenden Hausgenossen sorgen mit Liebe, mit Anstrengung, nicht selten mit Verzicht auf eigenen Genuss für die ganze Familie, der Vormund für seinen Mündel. Wir sehen Vorsteher oder Verwalter von Gemeinden, von anderen Körperschaften und wohlthätigen Anstalten, sowie die Mitglieder von Gesellschaften nicht weniger eifrig für den wirthschaftlichen Vortheil dieser grösseren Verbände wirken, als zu ihrem eigenen Nutzen und in vielen Fällen finden sie in dem gemeinnützigen Erfolge ihre Befriedigung, ohne an demselben sachlich betheiligt zu sein. Aber selbst für den eigenen Vortheil als guter Wirth bedacht zu sein, gilt als Pflicht, schon weil dadurch Mittel zum Wohlthun gewonnen werden. Wer tadelt den Kaufmann, der wohlfeil einkauft und theuerer verkauft, oder der, um eine Zahlung an einem entfernten Orte zu bewirken, sich eines Wechsels bedient, falls er mit ihm wohlfeiler seinen Zweck erreicht? Wer macht es dem Grundeigner zum Vorwurfe, wenn er seine Erzeugnisse um den Marktpreis verkauft und zwar da, wo dieser günstiger ist als anderswo? Wer muthet ihm zu, seine Ländereien um einen Zins zu verpachten, der unter dem Reinertrage steht, ausser etwa, um einen redlichen Pachter zu erhalten und zu unterstützen? Der edelmüthigste Reiche wird sich von dem Selbstsüchtigen mehr in der Verwendung seines Einkommens als in der guten Betriebsart seines Erwerbes unterscheiden.

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