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liebe für eine starke monarchische Gewalt, die charakteristisch für die epikureische Doktrin ist1.

3. Hobbes.

Aber nicht durch Gassendi selbst, sondern durch Hobbes, den Zeitgenossen der Männer, welche England in einen fürchterlichen Bürgerkrieg stürzten, den langjährigen Freund und Mitstreiter Gassendi's für die Wiederbelebung des Materialismus, sollte der Epikureismus ein Ferment in den politischen Wissenschaften werden. Seine grofsen Werke,,Über den Bürger“ und ,,der Leviathan" ruhen unzweifelhaft auf der Grundlage der epikureischen Lehren; aber sie sind zugleich vom Geiste des christlichen Naturrechts erfüllt. Und doch ist das Ganze eine neue, eigentümliche Schöpfung von eiserner Konsequenz der Gedanken, der es hier und da nicht an grimmigem Humor gebricht, zugleich ein Zeugnis für das tiefe Bedürfnis Englands nach Frieden und einer starken Staatsgewalt.

Das freundliche Licht, welches der milde Propst von Digne noch über die menschliche Natur ausgegossen hatte, wird durch den mifstrauischen Ernst des einsiedlerischen Engländers verdunkelt. Nach Gassendi vereinigen sich die Menschen durch natürliche Zuneigung zu Horden; die Individuen aber, die in Hobbes' Werken den Staatsvertrag abschliefsen, lieben einander nicht; sie fürchten sich gegenseitig und suchen die Gemeinschaft nur deshalb, weil ein jeder Ehre und Vorteil darin zu finden hofft. So bereitet er sich psychologisch den Boden für den genialsten Zug seiner Theorie: Die Verlegung des Unterwerfungsvertrages in den Vereinigungsvertrag 2.

Neu und eigentümlich ist seine Formulierung und Weiterbildung des epikureischen Naturrechtes, das in seinen Grundlehren bestehen bleibt. Von einem Naturrecht im stoischen Sinne kann keine Rede sein, da die metaphysische Voraussetzung der allwaltenden Vernunft fehlt. Hobbes nennt Naturrecht das schrankenlose Recht der freien und gleichen Menschen auf alles im Naturzustande, was den Begriff des Unrechtes ausschliefst. Indem aber nun die von Selbstsucht und Furcht bewegten Menschenatome feindlich gegeneinander drängen und stofsen, entwickelt sich die Erkenntnis des Elends der allgemeinen Unsicherheit und Entwicklungsunfähigkeit. Und nun lehrt die Vernunft, dafs der Friede anzustreben sei, als Mittel zur Erhaltung des menschlichen Geschlechtes und des Einzelnen. Dieses Vernunftgebot nennt er das Naturgesetz. Die Verwandtschaft

1 a. a. O. p. 367.

2 Vgl. Gierke, Althusius p. 86.

und die Verschiedenheit dieses Begriffes von dem des rò tys quoεws dizaιov Epikurs wird unmittelbar einleuchten.

Aus diesem Grundgesetz der Natur leitet nun Hobbes eine Reihe besonderer natürlicher Gesetze ab. Das erste dieser letzteren besagt, dafs das Recht aller auf alles nicht beizubehalten ist, sondern dafs einzelne Rechte zu übertragen oder aufzugeben sind, weil der Friede auf keine andere Weise gesichert werden kann. Wenn zwei oder mehrere sich ihre Rechte gegenseitig übertragen, so heifst dies ein Vertrag. Die Vernunft schliefst daher (zweites Gesetz), dafs Verträge gehalten werden müssen, weil dies allein die Erhaltung des Friedens und damit die Erhaltung der einzelnen und der Gattung verbürgt. Die Vernunft lehrt wei er die Notwendigkeit der Dankbarkeit als der Voraussetzung gegenseitiger Hilfe, der Verzeihung, wenn Bürgschaft für die Zukunft geleistet ist, der Billigkeit, der Bescheidenheit u. s. w. Diese natürlichen Folgerungen der Vernunft heifsen nur uneigentlich natürliche Gesetze. Da sie aber mit den Vorschriften des göttlichen Gesetzes übereinstimmen, was er im vierten Kapitel seiner Schrift,,Über den Bürger" nachweist, so darf man den Folgerungen der Vernunft die Bezeichnung,,natürliche Gesetze" beilegen1. Ausserdem ist die natürliche Vernunft ein von Gott verliehenes Erkenntnismittel und darum das natürliche Gesetz dasjenige,,,welches Gott durch sein ewiges uns eingeborenes Wort, d. h. durch die natürliche Vernunft kund gethan hat" 2.

Die Befolgung dieser Gesetze im Naturzustande seitens einzelner wäre Thorheit, solange nicht alle sie befolgen3.

1,,Was ich die natürlichen Gesetze nenne, sind nur gewisse Folgerungen, welche die Vernunft erkennt, und die sich auf Handlungen und Unterlassungen beziehen. Dagegen ist das Gesetz nach dem strengen Sprachgebrauche der Ausspruch dessen, der andern etwas zu thun oder zu unterlassen mit Recht befiehlt. Daher sind jene natürlichen Gesetze eigentlich keine Gesetze; denn sie gehen aus der Natur selbst hervor; soweit sie indes von Gott in der Heiligen Schrift gegeben worden sind heifsen sie recht eigentlich auch Gesetze; denn die Heilige Schrift ist ein Ausspruch des mit dem höchsten Rechte über alles gebietenden Gottes." De cive, Übersetzung von Kirchmann, Kap. III, § 33, p. 69. Die vorliegende Darstellung fufst fast allein auf diesem Werke des Hobbes, der Leviathan ist nicht in Betracht gezogen. Siehe die Berechtigung dazu bei Kirchmann p. 282.

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a. a. O. p. 174. Vgl. p. 190 Kap. XV, § 3: Gott kann seine Gesetze . verkündigen erstens durch die stillschweigenden Gebote der rechten Vernunft u. s. W.

„Die meisten Menschen sind infolge des falschen Begehrens nach dem gegenwärtigen Vorteil wenig geeignet, die vorgenannten Gesetze, obgleich sie sie anerkennen, zu befolgen. Wenn daher einzelne, die gemäfsigter als die übrigen sind, diese von der Vernunft gebotene Billigkeit und Rücksicht üben wollten, ohne dafs die andern dasselbe thäten, so würden sie damit keineswegs der Vernunft folgen; denn sie würden sich nicht den Frieden, sondern nur einen sichreren und frühzeitigeren Untergang bereiten und durch Beobachtung der Gesetze eine Beute jener werden, welche sie nicht befolgen," a. a. Ŏ. p. 65. III, § 27.

Allein es genügt auch noch nicht, wenn die Mehrzahl hierzu einwilligt; denn die Eintracht der Verbündeten kann durch Verschiedenheit der Ansichten, durch Neid und Nebenbuhlerschaft getrübt werden. Solange nicht eine Furcht alle zwingt, werden sie einander weder immer helfen, noch Frieden untereinander halten wollen. Die Sittlichkeit des Individuums ist nur möglich im Staate.

Der Staat kommt dadurch zustande, dafs ,, die einzelnen ihren Willen dem Willen eines einzelnen, d. h. eines Menschen oder einer Versammlung, so unterordnen, dafs dieser Wille für den Willen aller einzelnen gilt, soweit er etwas über das zum gemeinsamen Frieden Nötige bestimmt, und zwar vermittelst eines Vertrages, durch welchen sich jeder gegen jeden verpflichtet, dem Willen dieses einen, dem er sich unterworfen hat, keinen Widerstand zu leisten". Dieser erlangt dadurch ,,eine so grofse Macht, dafs er durch den Schrecken derselben den Willen der einzelnen zur Einheit und Einigkeit zusammenhalten kann" 1.

In der so gebildeten bürgerlichen Gesellschaft, die also erst Eigentum, Sicherheit des Lebens, kurz materielle und sittliche Kultur ermöglicht, ist der Inhaber der Staatsgewalt die Quelle alles Rechtes und aller Sittlichkeit, ohne doch selbst an die Gesetze des Staates gebunden zu sein. Da es für den Frieden noch wichtiger ist, den Streitigkeiten zuvorzukommen, als die entstandenen zu schlichten, alle Streitigkeiten unter den Menschen aber aus ihren verschiedenen Meinungen über das Mein und Dein, das Rechte und Unrechte, das Sittliche und Unsittliche und ähnliches entstehen, wobei jedermann seinem eigenen Urteil folgt, so gehört es zur höchsten Staatsgewalt, für alle Bürger gemeinsame Regeln oder Masse aufzustellen und öffentlich bekannt zu machen, aus denen Jeder abnehmen kann, was sein und was des andern, was recht und was unrecht, was sittlich und was unsittlich, was gut und was schlecht ist"2. Im Naturzustande, solange die einzelnen sich noch nicht der Herrschaft eines andern unterworfen hatten, stand jedem ein Urteil über das Gute und Schlechte zu; im bürgerlichen Zustande ist gut und schlecht, was der Gesetzgeber gebietet. Die Verpflichtung zur Beobachtung des Staatssittengesetzes beruht auf dem Naturgesetze, dafs Verträge gehalten werden müssen. So erhebt sich die Frage, in welchem Verhältnisse die drei Arten von Gesetzen zu einander stehen. Wenn wir Hobbes richtig ver

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a. a. O. p. 84. Kap. V, § 7, 8.

a. a. O. p. 91, Kap. VI, § 9.

a. a. O. p. 147, Kap. XII, § 1.

„Da somit die Verbindlichkeit zur Beobachtung jener Gesetze älter ist als ihre Verkündigung, weil sie in der Errichtung des Staats vermöge des natürlichen Gesetzes mit enthalten sind, welcher die Verletzung der Verträge verbietet, so gebietet auch das natürliche Gesetz, dafs alle Gesetze des Staates beobachtet werden sollen," p. 177, Kap. XIV, § 10.

standen haben, war er der Ansicht, dafs sie sich an sich gar nicht widersprechen können. Wir sahen, wie in seiner Lehre das natürliche und das göttliche Gesetz a priori und a posteriori übereinstimmen. Das die vorgetragenen Ansichten über die Rechte der Staatsgewalt mit der Heiligen Schrift im Einklang sind, sucht er im 11. und teilweise im 12. Kapitel seines Werkes zu beweisen. Die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzes können ebensowenig dem natürlichen Gesetze widersprechen, weil die Vernunft die Quelle beider ist und beide dasselbe Ziel, Erhaltung des Friedens, anstreben1. Wohl enthält das bürgerliche Gesetz mehr und andere Forderungen als das natürliche Gesetz, vornehmlich deshalb, weil sich der gesellschaftliche Zustand verändert hat2. Endlich ist die Herrschaft des Staates auf dem religiösen Gebiete nur scheinbar vorhanden, da nach Hobbes der christliche Staat dasselbe ist wie die christliche Kirche3.

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Nichtsdestoweniger mag es im Leben zu Disharmonien kommen. Denn die Vernunft des einzelnen ist kein untrügliches Vermögen *, die wechselnden äufseren Lebensbedingungen führen zu wechselnden Gesetzen, es entstehen religiöse Streitigkeiten und zwar meistens aus einem Mifsverstehen der göttlichen Lehren, aus Habsucht und Herrschsucht 5. Hobbes sagt irgendwo, dafs der Inhaber der Staatsgewalt unfehlbar sei; er ist es nicht mehr und

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1 The law of nature, and the civil law contain each other and are of equal extent When a commonwealth is settled, then are they actually laws. . . The law of nature therefore is a part of the civil law in all commonwealths of the world. Reciprocally also, the civil law is a part of the dictates of nature. Leviathan II, 26.

2 Siehe § 9 des XIV. Kap. „Die zehn Gebote über die Ehrfurcht gegen die Eltern, gegen den Mord, den Ehebruch, den Diehstahl und den Meineid sind Staatsgesetze. Da es auf den Gesetzen des Staats beruht, dafs jeder sein eigenes von dem eines andern unterschiedenes Recht habe, und dafs er gehindert sei, in fremdes Eigentum einzubrechen, so folgt, dafs solche Gesetze Gesetze des Staats sind. Die natürlichen Gesetze gebieten wohl dasselbe, aber nicht ausdrücklich; denn das natürliche Gesetz verlangt die Innehaltung der Verträge und also auch Gehorsam da, wo dieser ausgemacht worden ist, und sich des fremden Guts zu enthalten, sobald die Staatsgesetze bestimmt haben, was als solches anzusehen ist... Das natürliche gilt zwar in dem Naturzustande; allein anfänglich (weil die Natur alles allen gegeben hat) gab es nichts Fremdes, und deshalb konnte fremdes Eigentum auch nicht angegriffen werden; auch war da alles gemeinsam und deshalb auch jeder Beischlaf erlaubt; und drittens galt da der Kriegszustand, und deshalb war das Töten kein Unrecht u. s. w., a. a. O. p. 177.

3 Kap. XVII, § 21 a. a. O. p. 246. Um diesen Punkt klar zu machen, wäre es notwendig, das 15., 16., 17. und 18. Kapitel ausführlich zu behandeln, was um so weniger unsere Aufgabe sein kann, als Philosophen von Beruf es nicht thun.

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Anmerkung zu § 1, Kap. II, p. 42 a. a. O.

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Kap. XVIII, § 14. Indes wird mein Ausspruch weniger sonderbar erscheinen, wenn man bedenkt, dafs es bei den meisten Streitfragen sich nur um die menschliche Herrschaft handelt, bei andern um den Gelderwerb und bei andern um den Ruhm des Geistes" a. a. O. p. 274.

nicht minder als jedes Individuum und jeder Gerichtshof; aber die Unzuträglichkeiten, welche aus diesem Mangel hervorgehen, sind geringer als diejenigen, welche aus der Freiheit der einzelnen auf sittlichem und religiösem Gebiete entspringen.

Wenn auch Hobbes Staatssittlichkeit und natürliche Sittlichkeit nicht deutlich genug getrennt hat, so sagt er doch ausdrücklich,,,dafs die natürlichen Gesetze das Wesentliche der Moralphilosophie bilden. Ich habe davon hier nur die Lehren behandelt, welche sich auf unsere Erhaltung beziehen und gegen die Gefahren, die aus dem Unfrieden entspringen, sich richten. Daneben giebt es aber noch andere Lehren der natürlichen Vernunft, aus denen andere Tugenden entspringen; so ist die Mäfsigkeit ein Gebot der Vernunft, weil die Unmässigkeit zu Krankheit und zum Verderben führt; ebenso die Standhaftigkeit, d. h. das Vermögen, bei gegenwärtigen Gefahren, die schwerer zu vermeiden, als zu überwinden sind, kräftigen Widerstand zu leisten; denn sie ist ein Mittel, wodurch sich der Widerstehende erhält" 1.

Aus dieser Stelle geht hervor, dafs sein Werk keine vollständige Theorie der Ethik enthält. Wichtiger war für ihn seine Staatslehre, das Verhältnis des Staatsoberhauptes zu den Bürgern, sowie des Staates zur Kirche.

Die natürlichen Gesetze sind nach seiner Lehre unveränderlich und ewig; Stolz, Undankbarkeit, Vertragsbruch u. s. w. werden nie erlaubt sein, sie verpflichten vor dem Gewissen.,,Dagegen können die äufseren Handlungen nach den Umständen und dem bürgerlichen Gesetz sich so verschieden gestalten, dass das zu einer Zeit Rechte zu einer andern Zeit unrecht wird, und das zu einer Zeit Vernünftige zu einer andern unvernünftig wird. Die Vernunft bleibt aber dieselbe und wechselt weder ihr Ziel, welches in dem Frieden und in der Verteidigung besteht, noch die Mittel, d. h. jene Tugenden der Seele, die oben dargelegt worden sind und die durch keine Gewohnheit und kein bürgerliches Gesetz aufgehoben werden können "2.

Das Endergebnis unserer Betrachtung wäre also folgendes: Der Codex der Sittlichkeit jeder Zeit, in welcher durch Vertrag ein Staat errichtet worden ist, enthält zwei Arten von Normen: ewige, unveränderliche Naturgesetze und nach den gesellschaftlichen Zuständen wechselnde bürgerliche Gesetze, jene Folgerungen der rechten Vernunft des einzelnen, diese Folgerungen der ,,Vernunft des Staates"3. Da Hobbes es unterliefs, eine scharfe Grenzlinie zwischen beiden zu ziehen, sich auch in anscheinende

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a. a. O. p. 66, Kap. III,

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3 Den Ausdruck: Vernunft des Staates", braucht Hobbes selbst. Anmerkung zu Kap. II, § 1.

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