Imágenes de páginas
PDF
EPUB
[blocks in formation]

FEB 2- 1925

Vorwort.

Nahe an ein halbes Jahrhundert haben jetzt die handelspolitischen Abmachungen der europäischen Staaten im Zeichen der „reinen" Meistbegünstigung gestanden. Sie mag zu ihrer Zeit ein Fortschritt gewesen sein. Es ist mit Recht betont worden, daß es für den ausführenden Staat häufig wichtiger sei, daß er auf dem dritten Markte nicht ungünstiger behandelt werde als ein anderer, wie daß er niedrigere statt höhere Zölle zahle. Sicher ist aber, daß diese unbedingte Meistbegünstigung gleichzeitig Wirkungen gezeitigt hat, die als erfreulich nicht bezeichnet werden können. Indem sie die hochschutzzöllnerischen Staaten im allgemeinen in den Genuß der gleichen Begünstigungen setzte wie die Staaten niedriger Zölle und des nackten Freihandels, ja letzteren Staaten eher die schlechtere Behandlung angedeihen ließ, hat sie dazu geführt, daß

1. hochschutzzöllnerische Staaten keinen Anlaß sahen, mit ihren Zöllen herunterzugehen, daß

2. Staaten mittleren Zollschutzes sich aufgefordert fühlten da sie die gleichen Vorteile bei höheren Zöllen erlangen konnten, wie bei niedrigeren ihre Zollmauern eher zu erhöhen als abzutragen, hat auch dabei mitgewirkt

a*

3. daß ein förmlicher Wettlauf unter den Staaten in der Richtung einer Erhöhung der Zölle entstand, und hat schließlich

4. verursacht, daß der Staat des absoluten Freihandels, Großbritannien, sich inmitten der schutzzöllnerischen Welt immer mehr als der Betrogene zu fühlen begann und, da bei 0% Zoll keine bessere Behandlung zu erlangen war als bei 50% Zoll (vom Werte der Waren), den Freihandel selbst, das nationale britische Handelssystem, in Frage stellte.

99

Jeder Kenner der Handelsgeschichte weiß, daß die unbedingte Meistbegünstigung derart zu Erscheinungen geführt hat, die seinerzeit nicht vorausgesehen und entfernt nicht gewünscht worden waren. Leichthin Jedermann gewährt, über die Welt hin nur so ausgestreut, an Würdige" und Unwürdige" hingegeben, die dem einen Kontrahenten gewährten Vorteile automatisch auf zehn und zwanzig andere übertragend, hat sie einen förmlichen Preis auf „Unwürdigkeit", d. h. auf Hochschutzzoll und Tarifvertragsfeindlichkeit gesetzt.

"

Nur zu begreiflich ist darnach, daß ein Verein, der auf dem handelspolitischen Gebiete tätig werden will und einen Programmpunkt wie den folgenden:

Die Meistbegünstigung als solche will der Mitteleuropäische Wirtschaftsverein nicht in Frage stellen, aber ernsthaft prüfen, ob ihre Gewährung nicht an die Forderung zu knüpfen sei, daß gewisse Zollmaxima auch vom Ausland nicht überschritten werden oder, wenn das der Fall, dann auf anderem Gebiete Gegenleistungen gewährt werden (Reziprozitätsverträge), eine Forderung, die Aussicht auf Annahme nur dann hat, wenn eine Anzahl Staaten in ihr zusammenstehen,

[ocr errors]

sich als eine seiner Aufgaben gesetzt hat, damit beginnt, das System der unbedingten Meistbegünstigung und die

Möglichkeiten seiner Modifikation der ernstesten Prüfung zu unterwerfen.

Die vorliegende Untersuchung kommt, um dieses eine Ergebnis vorwegzunehmen, zu dem Schlusse, daß neben die reine Meistbegünstigung, so wie bisher angewandt, die „Reziprozität als gleichwertiges und unter Umständen überlegenes Vertragsprinzip zu setzen sei.

[ocr errors]

Die Reziprozität ist das spezifisch amerikanische Handelsvertragssystem, die unbedingte Meistbegünstigung das europäische. Daß wir auch hier von den Amerikanern zu lernen vermögen, zeigt die nachfolgende Darstellung aufs deutlichste. Freilich darf dabei die Reziprozität nicht dem von gelehrten und nicht gelehrten Volkswirten Europas häufig gehegten Mißverständnis anheimfallen, als ob sie identisch mit Retorsion, Retaliation, etwa auch gleich offenem Zollkrieg sei. Die Reziprozität ist alles dies genau so wenig wie die sogenannte reine Meistbegünstigung. Sie ist im Unterschied zu dieser „bedingte Meistbegünstigung". Wenn Staat A nur unter der Bedingung, daß Staat B ihm die gleiche oder gleichwertige Vergünstigung gewährt wie der Staat C, die letzterem gewährten Zugeständnisse auf B erstreckt, wenn sie dem Staate B also nicht ohne weiteres aus dem Titel der Meistbegünstigung zuteil werden, so ist ein Fall der bedingten Meistbegünstigung d. h. der Reziprozität gegeben.

Reziprozität ist Belastung der zwei Schalen der handelspolitischen Wage mit gleichem Gewicht. Diejenigen, welche die Fahne der Reziprozität aufpflanzen, wollen, daß an Stelle eines oft unvernünftigen „Geschenksystems" in der Handelspolitik das „Geschäftssystem" wie es die kaufLeistung um Gegenleistung

trete

« AnteriorContinuar »