Imágenes de páginas
PDF
EPUB

und arbeitsweise ungemein hoch, und er geniesst als historiker einen unerschütterlichen ruhm infolge der angedeuteten gewissenhaftigkeit, sorgfalt und objektivität. Mit der deutschen art des geschichtsstudiums verband Stubbs von jeher seine ganze richtung, auch seine anschauung von der aufgabe des historikers. Diese machen aber auch seine thätigkeit der anglistischen philologie sympathisch und wichtig. Denn Stubbs, dessen lupe und feder wohl nie über die küsten des inselkönigreichs hinausgeirrt sind, hat nicht nur viele, ja fast alle perioden englischer politik und kultur neu sondiert und durchleuchtet, sondern auch eine fülle authentischer urkundenmaterialien u. ä. sprachlich-historischer hilfsmittel aus dunkel und staub ans tageslicht vor's forum der wissenschaft in sauberem zustande herbeigeschleppt, insbesondere für epochen, deren idiome der Anglistik noch genug rätsel zu lösen, noch genug lücken an formen usw. zu füllen aufgeben. Unter seinen hergehörigen musterhaften ausgaben mittelalterlicher geschichtsdenkmäler stehen im vordergrunde: „Registrum Sacrum Anglicanum" (1858) und,,The Chronicles and Memorials of Richard I." (1864), welche erste anwendung der kontinentalen, vornehmlich deutschen kritisch-historischen methode auf ältere englische fundamente ihm die Oxforder professur eintrug; sodann: „Select charters and other illustrations of English constitutional history from the earliest period to the reign of Edward I." (1870), seitdem die unverrückbare unterlage aller jüngeren beschäftigung mit diesem weitgespannten abschnitte. Sein hauptwerk aber, mit dem er sich seinen namen endgiltig befestigte, wurde unstrittig die ausführlichste und gründlichste darstellung von Englands innerer politik bis zur regierung des hauses Tudor, wo Hallam's lange vorausgegangenes nicht weniger klassisches buch einsetzt: „Constitutional history of England, in its origin and development" (drei bände, 1874-78; dritte auflage 1896). Neben diesem standard work der englischen verfassungsgeschichte, das eine autorität wie Rudolf Gneist nach ganzer gebühr gewürdigt hat, stehen die verdienstlichen ,,Lectures on the study of mediaeval and modern history" (1886; zweite auflage 1896), der abgeklärte niederschlag eines vollreifen, sich schon zur neige wendenden gelehrtendaseins.

400 L. FRÄNKEL, ZWEI VERSTORB. ANGLIKAN. BISCHÖFE ETC.

Aeussere anerkennung und auszeichnung war dem verblichenen gelehrten, den man sogar den Mommsen Englands betitelt hat, in reichlichstem masse beschieden. Um nur die deutschen ehren, die er einheimste, zu erwähnen, so war Stubbs auswärtiges mitglied der bayerischen akademie der wissenschaften, korrespondierendes der preussischen, inhaber des ordens „Pour le mérite", er, der mitarbeiter der „Monumenta Germaniae historica", ehrendoktor der Heidelberger universität; übrigens auch mitglied der abteilung der „Sciences morales et politiques" der Pariser akademie. Deutsche zeitungen haben Stubbs jetzt nach dem hinscheiden nur wenig „nachzurufen" gehabt, am meisten und gediegensten noch Norddeutschlands und Süddeutschlands verbreitetste zeitung, beide aus Londoner korrespondenten-federn und oben mit benutzt: ,,Berliner Tageblatt" nr. 219, s. 1 (8 Otto Brandes) und "Münchner Neueste Nachrichten" nr. 196, s. 3.

ASCHAFFENBURG.

=

LUDWIG FRÄNKEL.

[Alle Rechte vorbehalten.]

NOCH EINIGES

ZUM BACON-SHAKESPEARE-MYTHUS.

I.

Vor zwei menschenaltern, da der berühmte Tübinger theolog David Strauss († 8. Februar 1874) durch seine schrift „Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1835)“ in den kreisen der gelehrten und der laien eine gewaltige bewegung der geister hervorrief — er erklärte die evangelische geschichte aus dem begriff des mythus -, da erschien ein winziges büchlein: 'Die Legende Napoleon', der kaum zwei jahrzehnte vorher, ein neuer Prometheus, auf dem einsamen felsen. St. Helena angeschmiedet, seine ausserordentliche heldenlaufbahn vollendet hatte.

War er doch wie ein meteor über die erde dahin geflogen, das, rasch aufblitzend, in jähem falle wie Lucifer versunken war. Man nannte Napoleon in der that Lucifer.

So hatte auch der verfasser jener 'Legende Napoleon' im anschluss an das griechische verbum aлó22vu ich zerstöre und an den strahlenden sonnengott Aлó220v den namen Napoléon als den Νὴ Ἀπολλύων ‘ja wahrhaftig der zerstörer' erklärt. Napoleon ist ein mythologischer held, der gar nicht gelebt hat: Es ist der sonnengott, das sonnenjahr; seine zwölf marschälle sind die zwölf monate; der zug nach Aegypten und Syrien ist der aufstieg zum himmel; der zug nach Russland ist der niedergang im schnee und eis des winters. So war, noch im einzelnen weiter

Anglia. N. F. XII.

28

ausgeführt, die erklärung des geschichtlichen helden auf physikalisch-astronomischer grundlage.

Solche 'gedanken und erinnerungen' kamen mir am 18. Oktober, dem letzten 'tage aller Deutschen' des nun abgelaufenen 19. jahrhunderts, als mir wieder ein kleines lateinisches büchlein in die hände fiel: 32 Trauerlieder auf einen grossen toten von 27 dichtern beigesteuert (1626).

Am schlusse des vorworts sagt der herausgeber: "Es mag genug sein, jene (gedichte) gleichsam als grundsteine im namen des gegenwärtigen jahrhunderts gelegt zu haben; ein jedes jahrhundert wird, glaube ich, diesen bau ausschmücken und erweitern; welchem jahrhundert aber es vergönnt ist, die letzte hand anzulegen, das ist nur gott und dem schicksal offenbar."

Wiederum ist der Heros (4, 34; 22. Distichon 1; 32, Dist. 1. 8) der morgenstern, der Lucifer, der, nachdem er rötlich strahlend auf dem erdenkreis seine bahnen gezogen hat, als fixstern am himmel in seinem eignen kreise glänzt (25, letzte strophe).

Er ist der morgenstern, der Phosphoros der musen, bei seinem untergang der schmerz des Klarischen gottes, des Apollo (18. Dist. 1).

Er ist kein mensch; er ist der vater, der herr und gebieter der musen (2, 13. 15).

Er ist die zehnte muse: Klio, die muse der geschichte, beweint ihn mit ihren schwestern als die zierde ihres chors. Nie ist Apollo vorher so traurig gewesen, als bei seinem tode; keinen andern wird er so lieb haben können als ihn; er muss sich mit neun musen begnügen (20, 2—4).

Er ist der chorage Apollos; er glänzt nunmehr als 'Eber' in der milchstrasse am olymp (23). Ja, er ist Apollo selbst, der vorsteher der musen (12, Dist. 4), ein zweiter Apollo (32, 20).

Vergebens hat Melpomene, die muse der tragödie, die parze Atropos angefleht, ihr und ihren schwestern den liebling zu lassen; sie solle dafür die ganze welt hinnehmen (18, Dist. 4. 5).

Er ist gar kein mensch; er ist ein halbgott (16, Dist. 6); er ist ein 'doppelmann' (4, v. 24), der oft unter den sternen weilt und nur als gast auf die irdische welt zurückkehrt (4, v. 38 fg.). Kronos, Saturnus selbst hat ihn in den olymp geholt, um ihm als anwalt gegen seinen neidischen sohn Zeus, der ihn der herrschaft beraubt hat, beizustehen (30, anfang). Kronos selbst hat nie ein seligeres 'goldenes zeitalter' als unter der herrschaft jenes heros erlebt (30, 15 fg.).

Er muss ein heros gewesen sein: Achilles hat allein Hektor erlegt; Cäsar ist einer wunde erlegen er erhielt 23 dolchstiche, um aber jenen heros zu erlegen, waren tausend krankheiten, tausend 'speere' nötig (14, Dist. 2. 3). Daher kann weder Ovidius (24, 1) ihn würdig preisen, noch irgend ein Grieche oder Virgilius ihm verglichen werden (16, Dist. 4).

Und mit prophetischem blicke sagt ein sänger (21, Dist. 10): 'Denn er war unser'.

II.

Wer war nun dieser mythische heros? Niemand anders als Bacon-Shakespeare. Der herausgeber der 32 gedichte ist dr. theol. William Rawley, Bacons langjähriger amanuensis und 'learned chaplain'. Sie erschienen noch im todesjahre Bacons 1626.

Das unbestreitbare verdienst, diese sehr seltene sammlung entdeckt und in Deutschland zuerst veröffentlicht zu haben, gebührt dem prof. der mathematik an der universität Halle, dem Baconforscher Georg Cantor (Halle 1897 in kommission bei M. Niemeyer).

Ein abdruck der 32 trauerlieder findet sich in: Edwin Bormann: 'Der historische beweis der Bacon - Shakespearetheorie usw. Leipzig 1897' (Selbstverlag). Ueber das verhältnis dieses abdrucks zur ersten ausgabe Cantors, sowie über die gestaltung des textes vergleiche man meine abhandlung: Textkritik und beiträge zur erklärung usw. in der zeitschrift 'Anglia' bd. XII, heft 1, s. 100-112.

Schon vorher hatte G. Cantor zum 270. todestage Bacons, dem 9. April 1896, die Resurrectio divi Quirini F. Baconi usw.

« AnteriorContinuar »