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wird das Naturrecht auch in eine äufsere Verbindung mit dem Deismus gebracht, welchem es innerlich verwandt ist; dies wird in einem folgenden Abschnitte eine eingehende Darstellung erfahren. Was nun die beiden übrigen Bestandteile betrifft, so ist es wichtig, folgendes hervorzuheben. Wenn Pufendorf auch die Ethik des Naturrechtes fast ausschliefslich auf die äufseren Handlungen des Menschen beschränkte, so war doch die Möglichkeit gegeben, die Moralphilosophie im Rahmen des Naturrechts auszudehnen. Diese Disciplinen blieben innerlich verwandt, auch nachdem man angefangen hatte, die Lehren von Recht und Sittlichkeit äufserlich schärfer zu trennen, was in Deutschland Thomasius, in England wahrscheinlich Adam Smith that. Beiden Wissenschaften blieb eine gemeinschaftliche psychologische Grundlage, beide hatten dasselbe Organ der Erkenntnis für das, was Recht und Sittlichkeit sein sollte. Wie verschieden ist das Naturrecht Hutchesons, Wolffs von demjenigen Pufendorfs, da sie andere Grundlagen wählten!

Was die Methode des Naturrechts betrifft, so wandte Pufendorf bekanntlich auf Anrathen seines Lehrers Weigel und auf Wunsch von Boyneburg's die mathematische Methode auf die junge Wissenschaft an. Doch sind diese Männer nicht die ersten Verfechter der mathematischen Methode; schon Hemming war für sie eingetreten1.

An dieser Stelle beschränke ich mich auf die vorstehenden Ausführungen, da ich in einem anderen Zusammenhange noch darauf zurückkommen werde.

Durch Pufendorf verbreitete sich das Naturrecht über ganz Europa. In Deutschland sind ihm unter anderen Thomasius und Wolff gefolgt. In England bearbeitete es Hutcheson in seinen berühmten „Institutes of Moral Philosophy". In der That ist die schottische Moralphilosophie der Hutcheson, Smith, Ferguson nichts anderes als das weiter entwickelte System des Pufendorfschen Naturrechtes. Es fafste festen Fufs in Frankreich, wo ihm ja schon von den grofsen Juristen so erfolgreich vorgearbeitet worden war und von wo das epikureische Naturrecht die kräftigste Verbreitung gefunden hatte. Barbeyrac übersetzte die Werke Pufendorfs ins Französische. Lehrbücher nach Pufendorfs System, „jedoch schon unter dem Einfluss der Wolffschen Philosophie", verfassten Burlamaqui, de Felice, beide 1750 gestorben, und Vicat, gestorben 1770. In der grofsen Encyklopädie

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1 Kaltenborn, Abteilung II, p. 30. ,Considerare principia, ac veluti elementa axiomatum moralis philosophiae, ex quibus hypotheses innumerare, adhibita philosophica apodixi, in legibus politicis et oeconomicis extruuntur: observare syntheses et analyses demonstrationum: perspicere, qua via omnia jura et omnes leges ad suos fontes revocare possint .. videbunt (sc. jurisprudentiae ac ethicae studiosi) non minus legis naturae conclusiones destitui evidentibus demonstrationibus, quam artem Euclidis."

wurden die naturrechtlichen Theorieen in dem Artikel „Droit naturel" verkündet1.

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Ein ebenso grofses Ansehen genofs dann später Wolffs Philosophie im Auslande, was ja auch Warnkönigs Worte zum Teil beweisen. Die Akademieen in Paris und London ernannten Wolff zu ihrem Ehrenmitgliede es war ein bis dahin unerhörtes Ereignis, dafs die wissenschaftlichen Werke eines Deutschen fast in alle lebenden Sprachen übersetzt wurden. In Frankreich vermittelten das Journal des Savants, die Histoire littéraire de l'Europe und das Journal de Trévoux zahlreiche Auszüge; Voltaire und Madame du Châtelet, die bekannte Freundin Voltaires, welche Newton in Frankreich eingeführt hatten, studierten auf Veranlassung des Kronprinzen von Preufsen eine zeitlang Wolff so eifrig, dafs sich dieser mit der allerdings trügerischen Hoffnung trug, es werde ihm gelingen, durch Hilfe derselben in Frankreich dem englischen Einfluss den Rang abzulaufen 2.

1 Warnkönig, Rechtsphilosophie p. 53.

2 Hettner, Literaturgesch. des 18. Jahrh., 1862, III, 1 p. 240.

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Der Überblick über die Entwicklung des Naturrechtes, welcher im Vorhergehenden gegeben wurde, könnte zu dem Irrtum veranlassen, dafs die Nachfolger Pufendorfs nur eine neue Form für seine Lehren gesucht hätten. In Wirklichkeit unterscheidet sich der Inhalt ihrer Systeme in wesentlichen Stücken von dem seinigen; aber das Gerüst des Systems ist geblieben. Der theoretische Wandel in den Lehren ist gröfstenteils auf das zweite Buch von Lockes Two Treatises of Government" zurückzuführen, welche 1689 erschienen.

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Waren die Lehren des epikureischen Naturrechtes durch Gassendi und Hobbes mit gröfserer oder geringerer Treue neu belebt worden, hatten sie Pufendorfs Absicht, sich den Stoikern anzuschliefsen, nicht zur ungetrübten Verwirklichung gelangen lassen, so erscheint in Lockes zweitem „Treatise of Government" der stoische Charakter des Naturrechtes in aller Reinheit und

mit allen Konsequenzen. Das ungeheure Ansehen, welches dieses Werk anderthalb Jahrhunderte hindurch genofs, führte den politischen Individualismus, die Überschätzung des natürlichen Rechtes, die Unterschätzung der positiven Satzungen und Gewalten, welche dem philosophischen System Zeno's eigentümlich gewesen waren, mit höchster Kraft in die Gedankenwelt der modernen Menschheit ein.

Locke läfst die Menschen im Naturzustande, in voller Freiheit und Gleichheit leben1. Mit dieser Gleichheit verträgt

1 all men are naturally in... a state of perfect freedom... a state also of equality . . . there being nothing more evident, than that

sich die Ungleichheit, welche Alter, Tugend, Begabung, persönliches Schicksal bewirken1. Er versteht unter Gleichheit vorzugsweise die gleiche Freiheit von gegenseitiger Beherrschung 2. Er hält die Sklaverei, wenn sie die Folge eines gerechten Krieges ist, für naturrechtlich erlaubt 3. Die Kinder haben, ehe sie die Reife des Urteils erlangt, nicht gleiche Rechte mit den Eltern, ebenso wenig die Frau völlig gleiche Rechte mit dem Manne in der Verwaltung des Hauswesens +. Auch streitet das soziale Herrschaftsverhältnis, welches zwischen Herrn und Diener besteht, nicht mit der natürlichen Gleichheit 5.

Der Naturzustand ist nicht mit dem Kriegszustande zu verwechseln, der in jenem wohl als Episode auftrat. In diesen Ausführungen ist schon angedeutet, dafs Locke die Existenz einer natürlichen Gesellschaft vor der Entstehung der bürgerlichen annimmt. Die erste Gesellschaft war die eheliche Gesellschaft, aus welcher diejenige zwischen Eltern und Kindern hervorging; hierzu kam die Gesellschaft zwischen Herrn und Diener und Herrn und Sklaven. Diese in der Familie zusammengefafsten Gesellschaften, wie sie den Zustand der natürlichen Freiheit und Gleichheit nicht aufheben, sind nicht mit der politischen oder bürgerlichen Gesellschaft zu verwechseln. Die natürliche Gesellschaft ist ebensosehr ein Produkt der Notwendigkeit, wie der Zweckmässigkeit und der Neigung'. Der Mensch ist also ein geselliges Wesen.

Leben nun die zu natürlicher Gesellschaft vereinigten Men

creatures of the same species and rank, promiscuously born to all the same advantages of nature, and the use of the same faculties, should also be equal one amongst another without subordination and subjection. II, § 4. Alle Citate sind aus dem 2. Buch genommen, weshalb in der Folge nur der Paragraph citiert wird.

,,

1 Though I have said above Chap. II. ,That all men by nature are equal," I cannot be supposed to understand all sorts of equality: age or virtue may give men a just precedency: excellency of parts and merits may place othersbove the common level: birth may subject some, and alliance or benefits others . . . and yet all this consists with the equality, which all men are in, in respect of jurisdiction or dominion one over another. § 54.

2 A state also of equality, wherein all the power and jurisdiction is reciprocal, no one having more than another, § 4. equality being that equal right, that every man hath to his natural freedom, without being subjected to the will or authority of any other man, § 54.

3

§ 23. Die Sklaven bilden keinen Teil der bürgerlichen Gesellschaft, § 85. 4 Kap. 6.

5 Obgleich der Diener gewöhnlich im Hause des Herrn, unter dessen Disciplin lebe, it gives the master but a temporary power over him, and no greater than what is contained in the contract between them". § 85. 6 §§ 77-86.

7 God.

put him (man) under strong obligations of necessity, convenience, and inclination to drive him into society, as well as fitted him with understanding and language to continue it. § 77.

Forschungen (43) X 2. Hasbach.

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schen im Naturzustande im Zustande der Freiheit, so doch nicht
in dem der Ungebundenheit1. Denn sie stehen unter der Herr-
schaft des Naturgesetzes, welches jedem die Verletzung
eines anderen wie seiner selbst an Leben, Gesundheit, Freiheit
und Eigentum verbietet und die Erhaltung des Menschen-
geschlechtes will und jeden als Selbstzweck zu achten befiehlt1.
Das Recht der Bestrafung an denjenigen, welche gegen das
Naturgesetz freveln, steht dem Verletzten, aber auch jedermann
zu 5.
Durch Bedrohung des Lebens entsteht der Kriegszustand,
welcher die Sklaverei des todeswürdigen, besiegten Angreifers
rechtfertigt.

Wir sahen vorher, da's Locke schon im Naturzustande Eigentumsvergehen annimmt. Existiert denn das Privateigentum nach Naturrecht? Jawohl und seine Begründung ist der wichtigste Zug seiner Lehre.

Der

Gott hat den Menschen die Erde als gemeinsames Eigentum verliehen. Aber da er sie alle frei und gleich schuf, gab er einem jeden das Privateigentum an seiner eigenen Person. Auf sie besitzt niemand sonst ein Recht. Die Arbeit seines Leibes, das Werk seiner Hände gehören ihm und ihm allein. Mensch hat, wie bekannt, das Recht der Selbsterhaltung Locke hätte richtiger sagen sollen, die Pflicht der Selbsterhaltung er hat folglich auch das Recht auf Speise und Trank und andere Unterhaltsmittel. Da aber die von der Erde freiwillig geschenkten Unterhaltsmittel nicht genügen, so mufs der Mensch die Erde roden, bearbeiten, düngen, besäen; Gott hat dem Menschen die Arbeit befohlen. Durch seine Thätigkeiten mischt er mit der Erde etwas, was sein Privateigentum ist, und hierdurch macht er das Grundstück zu seinem Privateigentum. Wer es ihm entreifsen oder ihn im Genusse der Früchte seiner Arbeit beeinträchtigen wollte, verginge sich also an seinem natürlichen Rechte'. Dafs das Privateigentum an Grund und

Though this be a state of liberty, yet it is not a state of licence, § 6. 2 The state of nature has a law of nature to govern it, which obliges every one: and reason, which is that law, teaches all mankind, who will but consult it, that being all equal and independent, no one ought to hurt another in his life, health, liberty or possessions. Every

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is bound to preserve himself, and not to quit his station wil

fully, a. a. O.

3 which willeth the peace and preservation of all mankind, § 7. 4 There cannot be supposed any such subordination among us, that may authorize to destroy another, as if we were made for one another's uses, as the inferior ranks of creatures are for our's, § 6.

5 § 8.

6 § 25.

7 Though the earth, and all inferior creatures, be common to all men, yet every man has a property in his own person: this nobody has any right to but himself. The labour of his body, and the work of his hands, we may say, are properly his. Whatsoever then he removes out of the state that nature hath provided, and left it in, he has mixed his

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