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bischof von Peterborough. Diese daten liefert der artikel über Creighton in der neuesten, fünften auflage von Meyer's Conversationslexikon s. v. Sie können aber in den jahresziffern nicht völlig stimmen, da Creighton, wie verlässliche berichterstatter angeben, unmittelbar vom Cambridger lehrstuhl auf den Londoner bischofssitz gelangt ist, und diese letztere wichtige staffel in seiner amtlichen laufbahn fällt ins jahr 1896. Jedoch kommt im ganzen wenig darauf an; es genügt zu hören, dass er der englischen hochkirche in theorie und praxis eifrig gedient, sowie als akademischer dozent der kirchengeschichte einen posten obersten ranges erlangt hat, wie innerhalb der staatskirchlichen hierarchie. Seinen in letzterer und im staatsorganismus wichtigen platz als bischof der britischen reichsmetropole hat er musterhaft ausgefüllt. Der 'bishop of London' spielt seit jahrhunderten in der innern politik des königreichs eine zwar nicht fest umgrenzte, aber trotzdem hochwichtige rolle, direkt neben dem primas, dem erzbischof von Canterbury, und auch die energie der beiden bisherigen römisch-katholischen erzbischöfe von Westminster" d. h. der katholischen gemeinde Londons, der kardinäle Manning und Vaughan, hat der stellung, der bedeutung des anglikanischen bistums London kaum eintrag gethan. Man denke ans mittelalter zurück und blättre in Shakespeare's königsdramen beim personenregister, bei feierlichen aufzügen und bei mancher staatsaktion in der periode der Lancaster- und York-monarchen: oft genug schreitet da der bischof von London, damals allerdings natürlich noch katholisch, als einer der obersten chargen und staatswürdenträger über die bühne. So blieb es bis in die neuzeit. Die weihepredigt bei der krönung der königin Victoria im jahre 1837 hielt der Londoner kirchenfürst, und jetzt bei ihrem leichenbegängnisse hätte der inhaber dieser altehrwürdigen religiösen stelle in vorderster reihe funktioniert, wenn er eben nicht unmittelbar vorher hingeschieden wäre.

In dem Londoner bischof dr. Creighton verliert die 'high church' eines ihrer fähigsten häupter. Als er vor über vier jahren die schwierige verwaltung der grossen Londoner diözese übernahm, mochte er ahnen, wie sehr diese seine zeit und thatkraft beanspruchen würde, und so verzichtete er, wie der bischof von Oxford Stubbs, „der not gehorchend, nicht dem

eigenen trieb", auf die regelrechte fortführung der geschichtlichen studien die thätigkeit des geschichtsschreibers war eben unvereinbar mit der eines geistlichen oberhirten. Allerdings, was die wissenschaft damit einbüsste, eroberte die kirche. Wir bedienen uns für die darlegung der bezüglichen verhältnisse der sachverständigen auslassungen in dem etwas abseits gedruckten, nun in seinem versteck verwehten augenblicksartikel des Londoner berichterstatters K. der (Münchner) „Allgemeinen Zeitung" vom 18. Januar 1901, s. 3, s. v. 'Grossbritannien'.

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Obwohl dr. Creighton nicht imstande war, in einer zeit heftigen kirchenstreites allen parteien zu gefallen, so gelang es ihm doch, das gleichgewicht zwischen ritualisten und anti-ritualisten aufrecht zu erhalten und sich dabei die sympathie beider parteien zu bewahren. Er bekundete während der hitze des kampfes vollste ruhe und umsicht, und während viele der übrigen bischöfe voreilig dreinschlugen, wartete er vorsichtig die zeit ab. Er war der ansicht, dass es weiser sei, einzelne individuelle fälle herauszugreifen und mit bezug auf diese einen ausgleich herbeizuführen, als durch öffentliche reden und angriffe den wechselseitigen groll der parteien zu vermehren. Dieses verfahren erwies sich thatsächlich als das richtigste. In keiner diözese verlief der streit für beide teile in so ruhiger weise wie in London. Die ritualistischen geistlichen waren gezwungen, zugeständnisse zu machen, aber sie wurden von dr. Creighton so geschickt „behandelt", dass sie sich nicht verletzt fühlten. Auf der anderen seite waren die anti-ritualistischen protestanten, mit ausnahme einiger fanatiker, nicht imstande, zu behaupten, dass ihren beschwerden kein gehör gegeben worden sei. Darüber kann kaum ein zweifel sein, dass es ohne das vermittelnde verhalten dr. Creightons zu einer wirklichen krisis in der kirche von England gekommen wäre, d. h. es hätte eine spaltung zwischen den beiden grossen parteien stattgefunden, die ritualisten hätten sich von der anglikanischen kirche losgesagt und hätten möglicherweise eine noch weitere annäherung an die römisch-katholische kirche gesucht. Wenn die beiden

parteien einander jetzt besser verstehen und wie es scheint, ist das ja der fall, so haben sie das wesentlich dem verstorbenen bischof von London zu verdanken. Der frühzeitige tod dr. Creightons erweckt daher allgemeines tiefes bedauern, zumal er ein opfer der überbürdung geworden ist, die ihm die lasten der verwaltung einer diözese von 3/2 millionen seclen verursacht haben. Um sich einen begriff von diesen lasten zu machen, braucht man nur in rücksicht zu ziehen, dass dr. Creighton im laufe eines jahres 288 predigten und reden hielt, und dass er im durchschnitt jährlich nahezu 20000 briefe empfing. Es ist daher begreiflich, dass schon jetzt in anregung gebracht wird, die diözese in zukunft zu teilen."

Die im vorstehenden passus skizzierte amtliche wirksamkeit musste natürlich Creighton's beschränkte musse aus den geschichtlichen studien und gar erst deren litterarischer verwertung ausspannen. Nicht wunderbar, wie der emsige, rastlose gelehrte noch gar nicht abgenutzt in den mühsamen dienst hoher geistlicher pflicht hineinkam. In kirchenhistorischen untersuchungen selbständig verfahrend, verdient er hier das vollste lob der geschichtsforschung, das ihm aber teilweise vorenthalten worden ist. Ist es doch er gewesen, der die divergierenden triebe zuerst zu einem journalistischen fachorgan grossen stils nach deutsch-wissenschaftlichem zuschnitte unter einen hut brachte: 1886 rief Creighton die führende geschichtswissenschaftliche zeitschrift in England, die „English Historical Review", ins leben und hat sie dann bis 1891 selbst redigiert, worauf er sie ruhig andern händen überlassen konnte. Wie bei den echten forschern wegen seiner gründlichkeit, sichern auffassungs- und reproduktionsweise angesehen, so war der gediegen gebildete, geistvolle und als historiker wie als stilist vortreffliche schriftsteller, als der uns Creighton hier in erstem grade interessieren muss, bei den schichten der bevölkerung beliebt, die lust, gelegenheit, anreiz haben, allgemein zugängliche darstellungen aus der nationalen geschichte zu lesen. Creighton besass in hervorragendem masse das talent, für den gelehrten wie für den laien zu schreiben. Wie der forscher an ihm sorgfalt in der ausnutzung und kritik der

überlieferten hilfsmittel historischer erkenntnis zu rühmen weiss, dazu gewissenhaftigkeit in der verknüpfung und bearbeitung, so zeichnet seine abgeschlossenen, auf weitere kreise berechneten veröffentlichungen ruhige und dennoch fesselnde schreibart aus. Glanz und schwung eines Macaulay, die wärme der seelischen begeisterung eines Carlyle gehen ihm zwar ab, der pragmatische blick eines Froude, die urkundengemässe treue eines Acton kommen bei ihm nicht zur geltung aber schöne abgeglichene wiedergabe der grossthaten englischen heldentums, vaterländisches gefühl für die politischen und kulturellen leistungen, auf die auch Jungalbion in allen seinen parteischattierungen noch stolz ist, gerechtes urteil, das nicht aufschminkt, nicht durch umfärbende bunte brille guckt, mangel jedes hochmuts der epigonen, die „,es so herrlich weit gebracht", all diese eigenschaften, die ihn in Deutschland zu einem muster-Rankianer gestempelt hätten, trägt sein ehrenschild. So erstaunt es uns nicht, wenn wir erfahren, dass Creighton sogar über die engere entwickelung des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Englands den deutschen meister Leopold Ranke unablässig befragt und verglichen hat.

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Natürlich liegen eben seine historisch-litterarischen erzeugnisse sämtlich in jüngern jahren, bevor die bürde der oberen priesterlichen rangstufe auf ihm lastete. Er veröffentlichte in rascher folge an schriften in buchform hauptsächlich: Primes of Roman history" (1875), „The age of Elizabeth" (1876), „The life of Simon de Montfort" (1876), „The Tudors and the Reformation" (1876), „Primes of English history" (1877), „History of the papacy during the period of the Reformation" (1882-84), „Life of Cardinal Wolsey" (1888), ,,Carlisle" (1889). Letztgenannter band, ein würdiges ergebnis der pietät, die er seinem geburtsorte angedeihen liess, gehört der serie,,Historic towns" an. Eine andere wichtige sammlung, an der Creighton als fördersamer leiter wie als mitarbeiter beteiligt war, ist die längere zahl von bänden der ,,Historical biographies", in London bei Rivingtons, später bei Longmans, Green and Co. erscheinend. Alle epochen englischen thatendrangs berücksichtigen sie in eingehenden abgerundeten monographien: so stehen beispielsweise im sechsten bande Cromwell neben dem black prince, der herzog von Wellington

neben dem von Marlborough. Creightons umfänglichstes und auch innerlich imposantestes werk ist die geschichte der päpste während der reformationsperiode, dessen vier bände man wegen ihrer für einen hohen anglikanischen geistlichen bewundernswerten objektivität in England als massgebliche zusammenfassung der kreuzenden vorgänge und wirren jenes, ins schicksal der britischen lande tief einschneidenden zeitraums betrachtet. ,,Seine musterhafte skizze des lebens und charakters der königin Elisabeth hat seinen namen in noch weiteren kreisen bekannt gemacht“, bemerkt jener Londoner referent der „Allg. Ztg.". Und wirklich ist dies sein anmutigstes buch dem breiteren publikum englischer zunge recht geläufig und bringt die eigenart des verfassers zu deutlichstem ausdrucke. Tritt hier auch Creighton's soziale und religiöse, ja auch die kirchengeschichtliche bedeutung ganz in den hintergrund, so bietet er uns dafür eine überaus wohlgelungene einführung in die blüte britischen lebens und schrifttums unter dem titel „The age of Elizabeth". In Deutschland ist keins der historischen werke Creighton's über die spezialgelehrten hinausgedrungen oder gar übersetzt worden. Dagegen hat uns ganz neuerdings (1900) die kundige hand Philipp Aronstein's für G. Freytags sammlung französischer und englischer schriftsteller eine geschickt verkürzte, das heisst nicht zusammengezogene, sondern den originalwortlaut bewahrende ausgabe dieses „age of Elizabeth" beschert, welche auswahl ganz besonders auch kultur und litteratur aus der gewaltigen ära der vergötterten namensträgerin nationaler grosszeit hervorhebt, mit charakterisierendem vorwort, gründlicher geschichtlicher einleitung", reichen anmerkungen- und lexikonheften, wie wir es uns eigentlich nicht bequemer zugänglich gemacht und unserem englischen schulunterrichte angemessener wünschen können. Die heranwachsende jugend findet da eine stofflich wie formell mustergiltige, sachlich ebenso wichtige wie anziehende lektüre, die sogar in rein realer hinsicht das neuerdings leider mehr und mehr abgekommene lesen des Shakespeare-urtexts in der schule zu ersetzen vermag - obwohl ja der herausgeber Aronstein in schönem optimismus hier bloss eine vorbereitung auf die durchnahme Shakespeare's selbst erhofft. Mit feiner nachempfindung zeichnet Creighton die sphäre der vielumbuhlten

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