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land sind Wycliffes anhänger nie mehr gewesen als eine widerwillig geduldete sekte, und seit den blutigen verfolgungen der ersten Lancasters schwinden sie so ziemlich aus dem gesichtskreis der zeitgenossen. In Deutschland begünstigten die meisten obrigkeiten die verbreitung der Bibelübersetzung, in England schritten sie mit den strengsten massregeln dagegen ein. In Deutschland konnte der buchdruck jederzeit tausende von exemplaren auf den markt werfen, in England war man auf mühsames, langwieriges abschreiben angewiesen. Kurz, unmöglich konnte Wycliffe einen so nachhaltigen einfluss auf die breiten schichten der bevölkerung ausüben, dass er auch den sprachgebrauch seiner anhänger hätte beinflussen können.

(§ 399) Ein richtiger Kern steckt jedoch in Kochs theorie. Wycliffes Bibel hat die schriftsprachliche bewegung nicht eingeleitet; aber sie ist eins der ältesten zeugnisse dafür. Sie ist geschrieben im Dialekt der damals einzig grossen landesuniversität, des mittelpunktes für alle bildung und alle geistigen bestrebungen. Die schulen, deren lehrer überwiegend geistliche waren, und sogar zum grossen teil selbst in Oxford studiert haben werden, mussten den einfluss der Oxforder gelehrtensprache erfahren, und so wirkte dieser sprachtypus auf weite kreise der bevölkerung; wir finden seine spuren sehr stark in Worcester und bei einigen schreibern der Paston Letters sowie bei Caxton; allerdings tritt er in den meisten untersuchten denkmälern hinter Londoner einfluss zurück.

(§ 400) Denn dass der Londoner sprachtypus für die weiterentwicklung bei weitem der wichtigere gewesen ist, muss ich der dritten, von Morsbach aufgestellten theorie unbedingt zugeben. Unter den behandelten schriftstücken haben sich solche gefunden, die keinen nennenswerten Oxforder einfluss zeigten; aber einwirkung Londons war bei allen zu spüren. Caxton, der präger des modernen Schriftenglischen, ist weit stärker von London beeinflusst, als von Oxford, und Londoner elemente überwiegen in der schriftsprache. Aber dass London allein der ausgangspunkt einer schriftsprache gewesen sei, wird dadurch noch nicht bewiesen. Wohl musste die ausdrucksweise der hauptstädtischen kanzleien für die weitesten kreise der provinz massgebend werden, und um so mehr, je straffer und einheitlicher der erste Tudor die landesregierung gestaltete; aber

für die breite masse der bevölkerung ist die schule wichtiger, als die kanzlei des notars oder bürgermeisters, und wenn sich in der schule andere einflüsse geltend machten, so mussten sie schliesslich auch in der schriftsprache emporkommen. Dass nun in der schule auch Londoner einfluss eindrang, hat Morsbach (s. 7) wahrscheinlich gemacht anders lässt sich das endgiltige überwiegen hauptstädtischer elemente auch nicht erklären ; aber sicher musste sich dort auch die einwirkung Oxfords bemerkbar machen, mit dessen kreise wohl alle lehrer in irgend welcher verbindung standen. Hätte nicht neben der Londoner hauptstömung auch eine starke Oxforder unterströmung bestanden, so würde kaum Wycliffe zu seiner Bibelübersetzung den Oxforder statt des heimischen oder des Londoner dialektes gewählt haben, würde nicht Pecock seinem beispiel gefolgt sein, würden wir vielleicht nicht to move, houses mit i in der endung, kaum I found, I fought sprechen, hätte sich wahrscheinlich das alte -th (neben s) in der 3. sing. und die historische schreibung -e in verbalformen nicht bis heute erhalten.

(§ 401) Uebrigens glaube ich, dass die vorliegenden untersuchungen von dem stärkeverhältnis zwischen beiden strömungen kein richtiges bild geben. Ich konnte eingehend behandeln die sprache von Suffolk und Norfolk, d. h. zweier grafschaften aus der Londoner einflusssphäre; dass hier die sprache der hauptstadt am kräftigsten wirken konnte, ist klar. Wesentlich anders jedoch lagen die verhältnisse in Worcester, einer grafschaft in der nähe von Oxford; hier waren die Oxforder einflüsse bedeutender vielleicht hätten sie noch mehr überwogen, wenn das untersuchungsmaterial auch nur annähernd so gross gewesen wäre, wie bei Norfolk und Suffolk.

(§ 402) Das ergebnis all dieser widerstreitenden einflüsse ist schliesslich die sprache des ersten druckers. Will man überhaupt die entstehung der schriftsprache an einen bestimmten namen knüpfen, so verdient am ehesten diese ehre William Caxton.

Die vorliegenden untersuchungen wurden im englischen seminar zu Berlin angefertigt, in dessen reichhaltiger bibliothek ich fast sämtliche durchsuchten quellenwerke fand. Dem

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WILHELM DIBELIUS, JOHN CAPGRAVE ETC.

direktor des seminars, meinem hochverehrten lehrer prof. Brandl, spreche ich zum schluss für die anregung zu dieser arbeit und die stets bereite, freundliche förderung meinen ergebensten dank aus.

Berichtigungen und Nachträge.

Zu § 37, s. 180, zeile 4: Lies 'vor ng fast überall o' statt ‘a'. Zu § 42, zeile 12: Lies 'o-formen' statt 'e-formen'.

Zu § 45: Auch Chaucer kennt augt, nauzt, vgl. ten Brink § 255.

Zu § 61 PL: Wo hat viermal ony, einmal any.

Zu § 74 PL: wut (s. 335 unten) möcht ich nicht mehr aus wot wat ableiten, sondern sehe darin eine neubildung zum pt. wust (vgl. Kath.) mit verdumpfung des i durch w-einfluss.

Auf seite 469 gehört vor beginn des zweiten absatzes die ziffer (§ 213).

BERLIN (GROSS-LICHTERFELDE).

WILHELM DIBELIUS.

ZUR ENGLISCHEN WORTGESCHICHTE.

1. bidene.

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Die deutung dieses me. adverbs macht schwierigkeiten, wie z. b. das NEDict. ausweist. Aber ich glaube etwas zu gunsten der oft vorgeschlagenen, aber ebenso oft wieder verworfenen deutung aus einem mutmasslichen midáne beibringen zu können. Der einwand, dass dies im Angls. nicht bezeugt ist, erscheint mir nicht durchschlagend. Die lautliche seite jener annahme macht aber nicht soviel schwierigkeiten, wie man meist glaubt. Wir beobachten nämlich, dass m leicht in b übergeht, wenn n mit im spiel ist also eine art dissimilirung wie in angl. heofonasächs. heban aus einer grundform hëman (hëmun); vgl. auch angl. geofon asächs. gëban mit anord. geimi (Kuhns Zschft. 26, 87). Dem me. adverb steht lautlich nahe das ndl. bezaan 'besaanmast' = frz. mizaine, ital. mezzana 'besaanmast' (lat. grdf. mediana). So wird auch mhd. betalle aus mitalle hervorgegangen sein. Eine abweichende laut bewegung, unter abweichenden aber doch verwandten lautverhältnissen zeigen mhd. bidemen 'beben' aus bibinon und mhd. pfëdeme aus pebano.

2. gear.

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Me. gère ist bisher unklar. Ten Brink hat Angl. I 533 die qualität des tonvokals bei Chaucer festgestellt. Das NE. Dict. führt das wort von ungefähr 1200 herab bis auf 1600. Aber nicht bloss das etymon ist unsicher. Bisher ist die frage auch nicht erledigt, die man als vorfrage nach der etymologie erst zu erledigen hätte, welcher herkunft das ist. Ist die zusammenstellung richtig, die me. gere mit an. gorvi, gere verbindet, so wäre das der tonsilbe die mittelengl. dehnung in offener silbe. Aber das war bereits vor der periode der

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FR. KLUGE, ZUR ENGLISCHEN WORTGESCHICHTE. dehnungen vorhanden, wie ich glaube nachweisen zu können. Das Orrmulum, dessen sprache immer noch hilft ungelöste sprachrätsel zu enträtseln, bietet unser wort, aber bisher hat man es verkannt und so fehlt der Orrmbeleg auch dem NE. Dict. An der betreffenden stelle hat man bisher den plural gæress mit géress 'jahre' verwechselt: v. 8050 childess gæress (= v. 8044 barrness þáwess) und v. 10885 fra childess gæress (wo Holts ausgabe fälchlich zæress liest). Es ist sicher, dass unser wort, das Bradley im NEDict. aus den Trinity Homilien um 1200 im plural geres mit der bedeutung 'manners, behaviour' belegt, an den Orrmstellen passt; dann aber ist natürlich me. gère nicht durch die me. dehnung zu seinem langen tonvokal gekommen. Ich bin nun leider nicht in der lage, die etymologie des wortes von hier aus zu bestimmen. Aber an engl. ursprung glaube ich nicht, es tritt auf in der zeit, wo sich die nord. wie die französ. einflüsse mehren. Der verdacht der entlehnung bestätigt sich. Aber bei dem aufsuchen des etymons ist von auszugehen. Ich glaube nicht, ά dass es sich um ein skandin. wort handelt; dafür ist es um 1200 zu selten und späterhin zu oft belegt.

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3. me. glaive.

Zu den im NEDict. von Bradley beigebrachten belegen für dieses wort lässt sich wohl ein um hundert jahre älterer beleg beibringen aus Vices a. Virtues s. 69, wo gleves and skentinges and hundes and havekes in einem athem, offenbar als inbegriff der freuden der jagd zusammen genannt werden. Die annahme des herausgebers, dass hier glevesne. glee sei, ist unhaltbar. Ich würde auf diese von Bradley übersehene stelle nicht zurück kommen, wenn Holthausen nicht neuestens Havel. 1864 gleyves s. 95 in glebes änderte. Die bedeutung 'speer' ist an dieser stelle nicht zu beanstanden, wohl aber Holthausens konjektur; denn wie Bradley im NEDict. nachweist, ist ne. glebe in der von Holthausen angenommenen bedeutung erst seit 1500 nachweisbar. Wenigstens müssten belege für die zeit am 1300 erst beigebracht werden.

FR. KLUGE.

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