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,,Resignation", bei Gr. II. S. 136, wurde zuerst von Alois Schreiber im Heidelberger Taschenbuch für 1812 veröffentlicht, zugleich mit einer merkwürdigen Strophe:

Minnelie d.

Hört von meiner Minniglichen,
Lieben, hört ein neues Lied!
Denn der Winter ist entwichen,
Maienlust mit Wohlgerüchen,
Maienwonn' ist aufgeblüht.

Lieben, öffnet eure Sinne,
Mai erwacht,

Minne lacht,

Mai hat Minne,

Minnesang wohl angefacht.

Ich habe dies nach einer Mittheilung von Grisebach, Th. I, S. LX angeführt, der geneigt zu sein scheint, die Strophe für ächt anzunehmen, und darin den „ersten, jedenfalls lange vor 1785 entstandenen Reim zum ,hohen Liede erkennt.“ Ich hege meine bescheidenen Zweifel daran, da mir der ganze Ton zu sehr nach einer Nachahmung des Minnegesangs schmeckt, wie dies zu jener Zeit Al. Schreibers Mode wurde. Denn unser Gedicht unterscheidet sich wesentlich von den gewöhnlichen Minne- und Liebesliedern, die dem Dichter, wie der Nachtigall ihr Gesang, gleichsam ohne Bewusstsein instinktiv vom Munde strömen sollen; es liegt ihm vielmehr ein fester, wohlgeordneter Plan zu Grunde und es ist nach einem gewissen Schema componirt, dass der Dichter sich vorher zurecht gelegt hat. Wir wollen den Gedankengang in kurzen Strichen

darlegen.

Der Dichter fordert die Leser auf, sein schönes Lied zu hören, welches er von seiner ihm neuangetrauten Gattin singen will. Er fühlt sich zu einem neuen Leben wieder auferstanden und will ihr seinen Dank abstatten. Dieser soll nicht in Schätzen und irdischen Dingen bestehen, die er nicht besitzt, sondern in einem Liede. Alles soll daher schweigen und nur auf ihn hören; es soll dies ein Lied werden, dem er ewige Dauer verheisst. Zugleich will er auch von seinem Muthe singen, den er die lange Zeit der Leiden hindurch bewiesen hat. Er war dem Untergange nahe, da erschien der Tag der

Rettung und er fühlt jetzt die höchste Glückseligkeit. Seine so lang Geliebte darf er nun sein Weib nennen und ohne Schuld in ihren Armen ruhn. Dieses Glück ist so gross, dass er daran selbst kaum zu glauben wagt und fürchtet, ein neckischer Traum möchte ihn täuschen. Er kann kaum Worte finden, um seine Auserwählte hinlänglich zu preisen, die ihm so lange trotz aller Hoffnungslosigkeit Liebe und Treue bewahrt hat, und zwar aus angeborenem Seelenadel und tiefster Neigung, da er weder durch Reichthum und irdische Macht, noch durch Schönheit oder Ruf als Dichter und Gelehrter sich auszeichnete. Freilich hätte er letzteren erwerben können, wenn

ihm das Schicksal günstiger gewesen wäre. Dies ist um so mehr hervorzuheben, als sie wegen ihrer Vorzüge wohl auf eine bessere Heirath hätte Anspruch machen können. Sie war es allein, die den bereits Verzweifelnden aufrecht erhielt und ihn vom Untergange rettete. Dabei war er bei dem ganzen Verhältniss der allein Schuldige, sie trifft kein Vorwurf; sie suchte sich zu schirmen, aber der Drang seiner Liebe war zu stürmisch und sie zu weich und edelmüthig, als dass sie hätte widerstehen können. Da könnte denn Jemand fragen, wie denn eine solche Leidenschaft ihn ergreifen konnte. Man wird diese Frage eite finden, wenn man den Gegenstand seiner Liebe näher ins Auge fasst; nicht nur mit den herrlichsten Vorzügen des Körpers ist sie ausgestattet, sondern auch Geistesgaben schmücken sie in dem Maasse, dass keine Schilderung es erreichen kann. Wer sie besitzt, der ist der glücklichste Mensch auf Erden, der hat schon hier die höchste Glückseligkeit erreicht, und darum hatte er ein volles Recht, nach ihrem Besitze zu streben. Man darf ihm nicht entgegenhalten, dass auch andere Frauen liebenswürdig sind; diese sind für ihn nicht da, er kann nur mit ihr und für sie leben und ohne sie wäre ihm das Leben eine Wüste. Darum erhebt er sein Herz mit Dank zu Gott und preist den Tag seiner Vermählung; jetzt fängt für ihn ein neues Leben an; alles, was hinter ihm liegt und nicht recht war, soll vergeben und vergessen sein. Alle üble Nachrede soll aufhören, unter der sein Weib gelitten hat; sein Lied soll sie rechtfertigen und sie zu Ehren bringen. So belohnt der Dichter die Opfer, die sie ihm gebracht hat,

woran andere Frauen sich ein Beispiel nehmen mögen. Lange hat er sich danach gesehnt, seinen Gefühlen Worte zu leihen, endlich ist es ihm beschieden und so ist dieses Lied entstanden, das ihm selbst als das vortrefflichste erscheint, was er je gedichtet hat und noch dichten wird.

Das ist, deucht mir, ein logisch fortschreitender Gedankengang, dessen Kern sich in einer Apologie seines Verhältnisses zu Molly concentrirt, und ich kann die Ansicht Fr. Horns,* eines sonst umsichtigen Kritikers, nicht begreifen, wenn er meint, es fehle den einzelnen Theilen an Zusammenhang und er sei erbötig, den Kitt nachzuweisen, der sie scheinbar zusammenhielte. Im Gedichte selbst freilich zeigt sich dieser innere Zusammenhang nicht so klar, wie er in unserer prosaischen Analyse erschien, und wird oft durch Episoden unterbrochen. Dafür haben wir es aber auch mit einem Gedichte und nicht mit einer prosaischen Vertheidigungsschrift zu thun, an die man allerdings einen anderen Massstab legen muss. Damit will ich aber nicht leugnen, dass das Gedicht stückweise und nicht aus einem Gusse gemacht ist; nachdem die einzelnen Theile aber fertig waren, hat der Dichter sich das Schema gebildet, nach welchem sie zusammengesetzt werden sollten.

Ich gehe jetzt zur Erklärung und Kritik der einzelnen Stellen über, bei der ich nur das Schwierigere und einzelne Besonderheiten ins Auge fasse, weil ich sonst allzu weitläufig werden müsste. Die Varianten sind möglichst ausführlich mitgetheilt, da eine Sammlung derselben uns einen Blick in die Geisteswerkstatt des Dichters thun lässt. Ich wiederhole noch einmal die Zeichen. B. ist die Ausgabe von Bürger von 1789, V. die Vulgata nach Reinhard's Ausgaben, Gr. die Ausgabe von Grisebach, die auch dem Commentar zum Grunde liegt. Wo die V. mit Gr. übereinstimmt, ist sie nicht besonders angegeben.

Commentar und Kritik.

Str. 1. Hört von meiner Auserwählten u. s. w. ist ganz gehalten im Tone eines Volksliedes, wie die Bänkelsänger oft beginnen. So Stolberg in den „Buss reden": „Hört, ihr lieben deutschen Frauen." Wie aus Nacht und Moderduft;

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*G. Horn, „die schöne Literatur" u. s. w. S. 219: Uebrigens ist es mir recht wohl bekannt, dass das genannte Gedicht kein vollständiges und

B. Wie aus Graus u. M. Aehnlich sagt er in der Elegie, Str. 19 (Gr. II, 105): Tief in Kerkers Nacht, belastet Wie von Ketten, centnerschwer.

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Str. 2. Zepter, Diademe, Kronen: B. Für Kronen die falsche Form Thronen. Schmuck erkauft für Millionen; B. Silber, Gold und Perlenkronen mit lästiger Wiederholung von Silber und Gold. Ihren Namen den mein Lied u. s. w., keine Nacht umzieht; B. Ihrem Nahmen (wie natürlich die Orthographie die des vorigen Jahrhunderts ist, was ich nicht weiter anmerken werde) den mein Lied Schüchtern sonst zu nennen mied, Will ich schaffen Glanz und Leben Durch mein höchstes Feyerlied. Ihren Namen, den mein Lied Lange zu verrathen mied. Die Ausgabe von 1778 enthält den Namen Molly noch nicht, erst in der von 1789 kommt er vor.

Str. 3. Murmelbach; für „murmelnder Bach", ich bemerke dies, weil das Gedicht reich ist an zusammengesetzten Substantiven, die der Dichter zum Theil neu gebildet hat und die in der Prosa durch Umschreibungen der Adjectiva in Verbindung mit Subst. gegeben werden, so: Silberwogen, Göttermuth, Wunderheil, Geierpein, Himmelssein, Graziengestalt, Wonnebeben, Taumelkreis, Liebesodem, Magnetenstrom, Zauberschranken, Himmelsgeist, Schmeichelflut, Seelenauge, Purpurbeere, Halmenjungfrau u. v. a. — Winde, lasst die Flügel fallen; dass die Winde mit Flügeln abgebildet werden, ist aus den alten Dichtern hinlänglich bekannt (madidis Notus evolat alis); die Flügel fallen lassen, sie nicht mehr ausgebreitet zum Fluge halten, wie die Segel fallen lassen. - Halt den Odem an, Natur; der höchste Grad feierlicher Stille.

Str. 4. Des Aethers Bogen; ohne Zweifel die Wölbung des Aethers, das Himmelsgewölbe, nicht der Regenbogen. Denn hinab bis zu den Tagen u. s. W. B. Denn bis zu den letzten Tagen, die der kleinste Hauch erlebt Sollst du deren Nahmen tragen.

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Heimath

Str. 5. Jubelvoll auch offenbaren ruht; B. Ja, zum himmelfrohen Gotte, Der nun, frey und

zusammenhängendes Ganze sei, und wir sind allenfalls selbst erbötig, die Fugen und den Kitt nachzuweisen, mit dem sie (?) verhüllt werden sollten.

wohlgemuth Vor des Tadels Ernst und Spotte, Wie in seiner Göttin Grotte Nach dem Sturm Odysseus, ruht! Der Vergleich mit dem Dulder Odysseus ist sehr passend; wie jener 20 Jahre lang vom Unglück verfolgt wurde und ausdauerte, bis er endlich seine Heimath erreichte, so hat der Dichter 11 Jahre lang (vom 23. Nov. 1774 bis 27. Juni 1785) sein Leben unter Qualen hinschleppen müssen, bis er sein Ziel erreichte. Zonen, kalt und feucht, dürr und glühend; die unangenehmsten Gegensätze der Witterung; man achte auf den Chiasmus in der Stellung der Adjectiva, eine Figur, die der Dichter auch sonst anwendet, s. zu Str. 26 und 33.

Str. 6. Alles Oel war ausgetrunken; das Bild ist den Dichtern namentlich des vorigen Jahrhunderts geläufig; im Zechlied (B. I, S. 143) heisst es: Aechter Wein ist ächtes Oel zur Verstandeslampe.

Str. 7. Wonne weht u. S. W. Die fünf ersten Zeilen werden oft angeführt als schönes Beispiel für die Alliteration; ob diese in des Dichters Absicht lag, möchte ich bezweifeln; * wenigstens kannte er die genaueren Gesetze der nordischen Alliteration nicht, und die späteren Gedichte dieser Art, z. B. das Rolandslied von Rückert und das Lied von Thrym von Chamisso unterscheiden sich bedeutend von unserer Stelle. Piloten; des Steuermanns, Lotsen, kann allgemein genommen werden, doch glaube ich, dass der Dichter sich selbst gemeint hat, da er schon vorher das Bild der Seefahrt gebrauchte, mit der er sein bisheriges Leben vergleicht und im Gedicht „Verlust" (Gr. II, S. 129) ganz ähnlich sagt: „Wonnelohn, Dem ich mehr als hundert Monden lang, Tag und Nacht, wie gegen Sturm und Drang der Pilot dem Hafen, nachgerungen." Die letzten fünf Zeilen sind eine offenbare Verbesserung von B.:,,Ihr Gefieder, nicht mit Aschen (?) Trauriger Vergangenheit Für die Schmähsucht mehr bestreut, Glänzet rein und hell gewaschen, Wie des Schwanes Silberkleid."

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Es ist indess nicht zu läugnen, dass Bürger in Nachahmung des Volkstones auch sonst, vielleicht unbewusst, die Alliteration anwendet, so am Ende der „Lenore": Des Leibes bist du ledig, Gott sei der Seele gnädig; Archiv f. n. Sprachen. LII.

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