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chen, um seinen Zorn, seinen Unwillen, seine Bewunderung an den Tag zu legen; er konnte jedes sociale Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, Unterthanen und Obrigkeit, Herrschern und Beherrschten bezeichnen, er konnte seine praktische und theoretische Philosophie in die erforderlichen Worte kleiden; mit einem Worte, es fehlte ihm durchaus nicht an Worten für seine Ideen auf moralischem, rechtlichem und philosophischem Gebiete. Daß er sich aber mit eben so großer Leichtigkeit über Gegenstände des praktischen Lebens ausdrücken konnte, ohne irgendwo Worte zu entlehnen, brauche ich wohl um so weniger zu sagen, als die englische Nation von jeher in dem Rufe des Materialismus gestanden hat. Die Worte, deren man jezt bedurfte, sollten Begriffe auf einem ganz andern Gebiete ausdrücken. Die französische Revolution, die die Hand an das geweihte Haupt eines Königs zu legen gewagt hatte, rüttelte gleichzeitig an vielen alt hergebrachten Formen, Napoleon pochte an die Thüren der Fürften und Völker, ein langer, schwerer Krieg weckte die schlummernden Nationen, aber der Mann, welcher diesen mächtigen Anstoß und Umschwung herbeigeführt hatte, erlag den Folgen seiner Tollkühnheit. Das rege Leben, was sich bis dahin nur in der Bekämpfung des großen Kolosses gezeigt hatte, warf sich nun auf die Wissenschaften, ein langer Frieden begünstigte die neuen Bestrebungen, Entdeckungen folgten auf Entdeckungen, ein dunkler Punkt nach dem andern ward aufgehellt und so ein culturgeschichtlicher Fortschritt gemacht, wie ihn kein vorhergehendes Jahrhundert aufzuweisen hatte. Mit Hülfe ausgezeichneter Fernröhre entdeckte man neue Monde, Planeten und Kometen; mit Hülfe der Mikroskope die neue Welt von Thieren im Wasser und in der Erde, auf dem Gebiete der Chemie entdeckte man die neuen Urbestandtheile der Erde, auf dem Gebiete der Botanik und Naturgeschichte kamen zahllose neue bisher unbeobachtete Pflanzen und Thiere zu Tage, kurz der menschliche Forschergeist zeigte sich überall thätig und lieferte Resultate, die man wenige Jahre vorher kaum zu ahnen gewagt hatte. Diese Entdeckungen und Erfindungen auf dem Gebiete der Technologie, Physik, Chemie, Physiologie, Medicin, Geologie, Mineralogie, Botanik, Astronomie u. f. w. waren es, die neue Ausdrücke verlangten, und bei der Gelegenheit dieser Entdeckung wollte der eine Gelehrte seine Gelehrsamkeit zeigen, der andere einen Namen verewigen. Nehmen wir aber einmal an, daß der Entdecker bei der Taufe seines geliebten Kindes von dem Grund

saße ausgegangen sei, ihm einen möglichst einfachen Namen zu geben, einen Namen, der die Sache bezeichnete, ohne die Sinne be= stechen zu wollen, so konnte der Name doch nur aus einem einfachen oder zusammengeseßten Worte bestehen. War das Wort einfach, so konnte es entweder schon vorhanden oder neu gebildet sein. War es schon vorhanden und etwa in einem andern Sinne gebräuchlich, so entstand durch die neue Anwendung eine Zweideutigkeit, und wurde die Sache (was doch besonders wünschenswerth schien) nicht schlagend bezeichnet, war das Wort weniger gebräuchlich, schon veraltet, so suchte der Namengeber der Sprache ein Wort wieder aufzudringen, gegen das sie sich schon aus irgend einem Grunde erklärt hatte, und es ist in der That keine kleine, wahrscheinlich eine vergebliche Aufgabe, das Absterbende dem Leben wiedergeben zu wollen. Wurde das Wort neu gebildet, etwa durch eine Ableitungsendung, so war Gefahr vorhanden, daß es an seine Abkunft erinnerte und die neue Idee durchaus nicht hervorhob, und so konnte man also nur ein Wort nehmen, das eben, weil es noch nicht in einem andern Sinne bekannt war, als unverdächtiger Träger der neuen Idee auftreten konnte. Im vorliegenden Falle würde die Frage also heißen: Warum nahm man zur Bezeichnung des neu Entdeckten oder Erfundenen nicht ein schon in der deutschen Sprache vorhandenes Wort, sondern gab Zusammensetzungen in den klassischen Sprachen den Vorzug? Es sind hier wieder nur zwei Fälle denkbar; entweder nämlich hatte das Englische das deutsche Wort schon aufgenommen, und dann hatte es dieselbe Idee wie in unserer Sprache, konnte also nicht mit berücks sichtigt werden bei der Wahl des neuen Ausdrucks, oder die englische Sprache hatte das Wort nicht, sei es, daß sie schon ein Supplement dafür besaß, oder daß sie sich aus einem andern Grunde schon früher gegen die Aufnahme dieses Wortes erklärt hatte; sie konnte also auch hier ihre Zuflucht nicht zum Deutschen nehmen. Allein hier kommt noch ein anderer viel wichtigerer Grund in Betracht, nämlich der Umstand, daß die deutsche Sprache oft selbst sich die Ausdrücke erst schaffen, oder gar ebenfalls aus den alten Sprachen entlehnen mußte. Hatte der Engländer aber nur die Wahl zwischen einem neugebackenen deutschen, von dem er selber nicht einmal wußte, ob er allgemein in Aufnahme kommen würde, und einem aus den klassischen Sprachen entlehnten, und darum wenigstens den Fachgelehrten sicher verständlicheren, wer will es ihm da verargen, daß er zu dem leßtern griff?

Allein der bei weitem größte Theil der neu aufgenommenen Worte besteht in zusammengesezten, und auch hier beobachten wir wieder daffelbe Verhältniß. Mag sich die Summe der deutschen Worte, welche gnädige Aufnahme fanden, auf etwa ein, höchstens zwei Dußend belaufen, die Anzahl der aus den klassischen Sprachen des Alterthums aufgenommenen und zum Theil neu gebildeten übersteigt mehrere Tausende, und leider sind hierunter viele, von denen man annehmen möchte, daß die deutsche Sprache sie eben so gut als die klassischen hätte liefern können. Wir fragen also hier wieder nach den Ursachen, welche diese Bevorzugung der klassischen Sprachen herbeiführten. Englische Gelehrte, welche die Zusammenseßungsfähigkeit ihrer Sprache zum Gegenstande ihres Nachdenkens gemacht haben, sprechen sich darüber etwa folgendermaßen aus: Like the modern German it possessed once a similar power of combining its elements and of forming new compounds at its pleasure. This last in the singular advantage of a homogeneous language, for by a species of elasticity it can thus accommodate itself to any condition of the national mind..... We regret the loss of those variable terminations of our once homogeneous language which gave it an unlimited power of forming compounds. Dürften wir nun annehmen, daß diese Ansicht unter den englischen Gelehrten allgemein verbreitet sei, so müßten wir daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß man an der Bildsamkeit des angelsächsischen Elementes ziemlich verzweifelt; allein glücklicherweise scheinen die Endungen auf die neuen Zusammenseßungen weniger Einfluß auszuüben, als man sich jenseits des Kanals glauben machen will. Denn wenn wir die schon vorhandenen Composita betrachten und uns erinnern, daß z. B. handbook und alle mit self... zusammengeseßten Worte für gut englisch gelten, so müssen wir wohl zugestehen, daß das Vorhandensein von Flerionsendungen keine so nöthige Bedingung für die Bildung neuer Worte ist. Ja wenn man dagegen bedenkt, daß die englische Sprache weder eine Zusammenseßung gestattet, wo das erste Wort sich auf ness endigt, noch da, wo der erste Theil der Zusamsehung mit zwei Flerionssilben schließt, so möchte man fast behaup-, ten, daß gerade das Vorhandensein gewisser Endungen im Englischen ein ernstes Hinderniß für die Zusammensegung abgebe. Das Englische scheint vielmehr wie das Deutsche eine große Neigung zu Wortverbindungen zu haben, wo sich keine Endung findet, sondern

Stamm an Stamm anschließt, oder höchstens ein 's als Zeichen der innigern Verbindung eingeschoben zu werden braucht. So sagt der Engländer eben so gut sugarloassia, huntsman'shorn, hercules's allhue, wie der Deutsche Schnupftabacksdofenfabrikant und Landmessergehülfe; allein es läßt sich nicht verkennen, daß die englische Sprache bei ihren Neubildungen Gefeße zu befolgen hat, die die deutsche nicht anerkennt. Während z. B. der Deutsche an einer Zusammenseßung wie: Geheimnißkrämer keinen Anstoß nimmt, möchte der Engländer wohl schwerlich sagen können madness attack, und eben so wenig möchte es ihm gestattet sein, das deutsche Undurchdringlichkeit durch unthoroughfaresomeness zu überseßen. Es scheint nicht, daß der Accent das einzige Hinderniß solcher Zusammenseßungen ist, und eben so wenig kann es die auszudrückende Idee allein sein, denn dagegen spricht schon die Verbindung dieser Worte im Deutschen, die Hindernisse müssen vielmehr im Sprachidiom liegen, und verdienten wohl einmal sprachphilosophisch beleuchtet zu werden. So lange aber die Principien für die Bildung neuer Worte auf dem Gebiete des angelsächsischen Elementes in der englischen Sprache noch nicht gefunden und festgestellt sind, bleibt die Bildung derselben mehr dem Geschmacke und Sprachgefühle des Individuums überlassen. Natürlich können nur diejenigen Worte wirklich in den Sprachkörper aufgenommen werden, welche im Geiste der Sprache gebildet sind, während diejenigen, welche ohne Geschmack vollzogen sind, als „probationers" das Urtheil des Publikums abwarten müssen. Blicken wir nun auf die Geschichte der englischen Sprache zurück, so müssen wir leider eingestehen, daß es eine Zeit gab, wo viele geschmacklose Neubildungen gegen das Idiom der englischen Sprache entstanden, und es ist deshalb leicht erklärlich, warum selbst Gelehrte dem angels sächsischen Idiome jede Weiterbildsamkeit absprechen, allein sie haben ohne Zweifel den Stab zu rasch über dem angelsächsischen Elemente gebrochen, und durch dies vorschnelle Urtheil dazu beigetragen, daß ein bloßes Vorurtheil eine wirkliche Macht gegen neue deutsche Worte wurde.

Wenn nun aus dem bisher Gesagten auch deutlich hervorgeht, daß es dem angelsächsischen Elemente durchaus nicht an Zusammenfegungsfähigkeit fehlt, und daß also die Ansicht, welche ihr dieselbe absprach, höchst irrig ist, so erklärt doch die Existenz dieser Ansicht hier hinlänglich, warum man sich so selten zur Bildung neuer Worte

auf diesem Gebiete entschloß. Wollte man aber dessen ungeachtet dem Bedürfnisse neuer Worte dadurch abhelfen, daß man die Biegsamkeit des deutschen Wortstammes in der Bildung neuer Zusammenseßungen erprobte, so blieb nichts übrig, als sich an die plattdeutsche oder hochdeutsche Sprache zu wenden. Die Kenntniß des Plattdeutschen steht aber bis jezt in England auf einer so niedrigen Stufe der Verbreitung, daß man wohl behaupten kann, es ist kaum ein Anfang gemacht, diese Mundart zu studiren. Was ferner die Kenntniß des Altdeutschen anbelangt (das doch höchst wahrscheinlich hätte oft da aushelfen können, wo man lateinischen oder französischen Worten den Vorzug gab), so liegt dieselbe ebenfalls noch in der Wiege, und wartet eines belebenden Mutterauges, um zu gedeihen. So hätte die englische Sprache sich also nur ans Hochdeutsche wenden können, um ihrem Wortmangel abzuhelfen, und unsere Worte entweder unverstümmelt oder umgestaltet aufnehmen müssen.

Allein waren nicht Substantivendungen wie ung, barkeit, igkeit, und Adjectivendungen wie icht und selig gänzlich gegen das Idiom der englischen Sprache, und also unaufnehmbar? Und wenn sie also umgestaltet werden mußten, wo waren die Regeln, nach welchen eine solche Umschaffung vollzogen werden konnte, ohne aus dem verstümmelten Worte ein sinnloses Ungethüm zu machen? Das war also unmöglich. Indessen kommen doch Fälle vor, wo der hochdeutsche Wortstamm dem Bedürfniß hätte abhelfen können, und man sich dessen ungeachtet an die klassischen Sprachen gewandt hat. Hier fragen wir nun, welcher Umstand hat den Sprachen des klassischen Alterthums den Vorzug gegeben? War etwa die Leichtigkeit der Zusammenseßung in den alten Sprachen größer, als in der deutschen? Es läßt sich nicht läugnen, die griechische Sprache besonders zeichnet sich durch große Leichtigkeit in Zusammenseßungen aus; Beispiele finden sich bei Aeschylus in großer Anzahl, ja bei Aristophanes Eccles. v. 1169 findet sich sogar ein Wort, das aus 79 Silben besteht. Dieses ist nun freilich ein komisches Wort, und nie im wirklichen Gebrauche gewesen, allein nichtsdestoweniger kann es eben so gut gebraucht werden, um die Leichtigkeit der Composition zu zeigen, wie das Nub. v. 332 gebrauchte neunsilbige, und das bekannte homerische Bargazouvoμazia. Das Lateinische steht in dieser Beziehung dem Griechischen offenbar nach, denn wenn es auch zwei Worte mit Leichtigkeit verbinden kann, so ist es ihm doch beinahe .

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