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heit und ihre Armuth klage, so klage man eigentlich seine eigene Versäumniß und Unthätigkeit an. Man halte nur, was wir besigen, in Ehren und wir werden sehen, wie rasch die dänische Sprache aufblüht. Wird es erst eine Ehre für unsre Gelehrten, ihre Muttersprache klar und zierlich zu schreiben, so wird auch Dänemark mehr als einen Demosthenes besigen. Man lasse der griechischen und lateinischen Sprache all die Ehre, die ihr gebührt, angedeihen; man versage weder den Italienern, noch den Franzosen den wohlerworbenen Ruhm, die Gelehrsamkeit und Wissenschaft der Alten wieder belebt und bis auf die neuere Zeit fortgepflanzt zu haben; man beraube kein Volk, das durch neue Entdeckungen zur Aufklärung der Welt beigetragen, seines verdienten Rufes; erit profecto, inter horum laudes, aliquid loci nostrae gloriae, dummodo praestemus, ut soli non simus, qui linguam vernaculam negligimus. Es ist auch nicht der Gelehrte allein, dem die Früchte dieser Fürsorge zu Theil werden sollten; es gibt ihrer zu Wenige und ihre Zeit ist zu sehr von tiefsinnigen Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen in Anspruch genommen; „sondern was bisher allein den Gelehrten vorbehalten war, das werde jezt von Allen vollbracht; was bisher durch seine Seltenheit großen Werth hatte, wird durch den allgemeinen Nugen noch höheren Werth bekommen; und was eine zu kleine Anzahl von Gelehrten nicht im Stande war, zu Werke zú bringen, wird die Menge begabter Köpfe um so leichter zu thun vermögen.“

3. So sehen wir aus der für ihre Zeit merkwürdigen Rede, daß bereits unter Griffenfelds Ministerium, obgleich nicht unmittelbar für dänische Sprache und Literatur gewirkt wurde, doch unter den bedeutendsten Universitätslehrern ein Mann war, welcher fühlte und erkannte, es sei nicht genug, die gelehrte Sprache und die lateinische wissenschaftliche Literatur zu fördern, deren Blüte offenbar auf Kosten der Muttersprache hervorgerufen worden, während die allgemeine Aufklärung und Bildung darüber versäumt wurde. Hier sprach dagegen und zwar vom Hochfiß der Gelehrsamkeit ein Mann, dessen Stellung ihn mitten unter die academische Aristocratie versezte, mit Wärme und Kraft für die Sache der Mutterfprache, wie für die nazionale und populäre Literatur. Ja, er versäumte auch nicht, was in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit jedem Jahre sich unabweislicher als Forderung herausstellte, die Sache der Sprachreinheit zu verfechten, indem er mit Berufung auf Ciceros Wort das Ungereimte und Lächerliche der barbarischen Vermischung mit fremden Wörtern nachwies, die jezt die Schriftsprache überschwemmten; und schon vor 170 Jahren sprach Rasmus Bartholin mit starken und gewichtigen Worten für den Werth der Muttersprache und wie sehr man sich bestreben müsse, durch nazionale Sprachwerke die Aufmerksamkeit und Achtung des Auslandes zu erwerben.

Aber seine Rede verhallte damals, wie die Worte eines Predigers in der Wüste; und worüber er 1674 auf Latein_klagte, das wurde wenige Jahre später vom Bischoff Kinzo (in ziemlich nachdrücklichen Worten an eine deutsch erzogene Königin) auf Dänisch wiederholt und blieb später eine stehende Klage; und zwar nicht allein bis zu der Zeit, da Holberg nach Verlauf von einem halben Jahrhundert den Grund zu der Literatur zu legen begann, welche Th. Bartholin hervorgerufen, sondern noch lange nachher. Noch im Jahre 1763 fand O. Guldberg Veranlassung mit einer bei ihm ungewöhnlichen Bitterkeit den Vornehmen und fogar einigen Gelehrten Vorwürfe darüber zu machen, daß sie des Landes Sprache versäumten und geringschäzten: obwol sie bereits so sehr gebildet war, „daß, wenn man sie nur vollkommen in seiner Macht hatte, man auch die höchsten und feinsten Begriffe darin ausdrücken konnte." Wenn wir somit noch 80 Jahre nach Thomas Bartholin dem Guldbergschen Worte zufolge: „Kein Wunder, daß eine Sprache ihre Ehre verloren, welche der Kern des Volks nicht gebraucht" beinahe annehmen müssen, daß die ganze Sprachentwicklung und Sprachbildung von 1720 bis 1760, von Holberg bis Tullin und Snedorff ohne Frucht gewesen: so dürfen wir doch ebensowenig der eifrigen Patrioten Aeußerungen wörtlich nehmen, als wir buchstäblich glauben können, was Grundtvig 1807 mit unendlicher Wärme und Leidenschaftlichkeit über die noch herrschende Geringschäzung der Lan

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dessprache schreibt*). Es ist hier nicht schwer zu unterscheiden zwischen dem, was mit einer gewissen einseitigen Uebertreibung, welche einzelne Fälle mit allgemeinen Phänomenen verwechselt, gesagt ist und dem, was nicht blos 1807 seine historische Wahrheit hatte, sondern auch jezt noch gilt. (3. B. Es ist nicht selten, daß die, welche das Vermögen haben, sich Bücher zu kaufen, glauben, diese müssen wenigs stens die Elbe, wenn nicht den Rhein passirt haben, um auf ihrem Bücherbrete einen Platz zu verdienen).

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4. Eine andere Aeußerung Grundtvigs a. a. D. möge uns als Uebergang zu einer näheren Betrachtung der historischen Verhältnisse der dänischen Sprache im 18. Jahrhundert dienen. Es ist wahr," sagt er, „daß die Begeisterung, wel che mit Holberg für die Muttersprache erwachte, eine Antiquität ist, die, wie alles Derartige von den Verständigen verlacht wird; und daß ihr jene größere Liebe zur Wissenschaft folgte, welche die Ursache ist, weßhalb man beide bisweilen verwechselt." Es läßt sich nicht läugnen, daß wärmere Theilnahme für des Landes Sprache und Literatur, welche bei Einzelnen wol Begeisterung genannt werden konnte, das mit Holberg erwachte höhere nazionale Bewußtsein begleitete. Nichts ist natürlicher, als daß ein Schriftsteller, der mit dem Character und der Denkweise des Volks so vertraut war und es einerseits in seiner Eigenthümlichkeit zu ergreifen, andererseits die Zeitverhältnisse von den verschiedensten Seiten darzustellen, sowie endlich seine Schwäche und Lächerlichkeit bloszustellen_verstand, da, wo es mit dem meisten Nachdrucke geschehen konnte, einen ungemeinen Einfluß gewinnen und eine große Wirkung auf die Masse des Volks ausüben mußte, das sich von den einheimischen, in Scherz und Ernst gleich faßlichen Sprachtönen wohlthuend berührt fühlte. Was Thom. Bartbolin schon vor einem halben Jahrhundert als das höchste Bedürfniß der Nazion angedeutet, den Gedanken und seinen Ausdruck von der ausschließlichen Herrschaft der todten Sprache und dem Monopol der academischen Gelehrsamkeit zu befreien: das führte Holberg aus, soweit es für einen einzelnen Mann und in einer Hauptrichtung des Geistes möglich war. war weder die abstracte Speculazion, noch die tief forschende, den Erfahrungsstoff durchdringende Kritik, worin Holbergs Geist seine Stärke und Genialität hatte. In der klaren Sphäre der gesunden Vernunft und durch die frische Lebenskraft der Ironie bildete er seine Anschauung der großen Weltverhältnisse und der kleinen individuellen und egvistischen Triebfedern und Wirkungen im Leben; und beide Eigenschaften, die Sicherheit, womit er beinahe immer in seiner Betrachtung und Darstellung jedes Gegenstandes das Wahre und Richtige traf, und die gute und wißige Laune, mit der er im Stande war, über Alles zu schreiben, trug gleichviel dazu bei, die Wirkung seiner Schriften so allgemein und durchgreifend zu machen. Es war ein so natürliches Verhältniß zwischen dem Stoffe und der Form dieser Schriften, zwischen dem faßlichen Inhalt und dem leichten, lebendigen, nach des Volkes Ohren und dem nazionalen Sprachtact gebildeten Styl, daß Holberg zu seiner Zeit nicht allein seine Landsleute hinreißen mußte, sondern daß die Wirkung seiner Schriften sich auf das Ausland selbst, namentlich auf Deutschland erstreckte, weßhalb es nicht unerwartet kommen kann, daß sein schriftstellerischer Character durch die geistige Verwandtschaft großen Beifall fand.

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In Dänemark wurde Holberg in des Wortes voller Bedeutung populär; der Ruf, den er sich anfangs durch seine Lustspiele und humoristischen Dichtungen erwarb, war zwar die Grundlage zu dem Glücke, das er später als Schriftsteller machte; aber im Wesentlichen war es doch hauptsächlich die Neuheit, des Landes Sprache in Schriften von so allgemeinem Interesse, wie Holbergs historische Arbeiten, angewandt zu sehen, welche ihm jenes große Publicum schuf. Die Erkenntniß dessen, was die Nazion einem Schriftsteller schuldig sei, der sie, so zu sagen, zwang, ihre Sprache zu achten, bahnte sich den Weg zu allen Kreisen. Schon 1731 fand Holberg in einem jungen Studenten, der ihn zum Muster_in_seinen gereimten Satyren nahm, den eifrigsten Vertheidiger und Verfechter der Mutter

*) „Om Videnskabeligher ag dem Fremme." Minerva. 1807. I. 262.

sprache und einen begeisterten Bewundrer des „großen dänischen Schreibers, durch den die dänische Sprache wieder auf die Füße kam.“

Wenn Frederik Hoze auch nicht mehr von Holberg gesagt hätte, als diese Zeile und ein Anderer, dessen wenige Worte mit körniger Schärfe den Schöpfer der dänischen Komödie charakterisiren, nur dies:

„Dein Rival, wenn nicht dein Meister, Molière!" so würde man ihnen gerne ein ganzes Theil der breiten Reimereien schenken, worin sie die dänische Sprache vertheidigen und diejenigen züchtigen, welche sie verschmähen und verachten; aber ungeachtet sie in höherem Grade an jener Geschwäzigkeit leiden, von der auch Holbergs Satiren nicht frei sind, so haben sie doch in unsrer Literaturgeschichte ihre Bedeutung u. A. schon als einer der deutlichsten Beweise aus dem Ende des Zeits alters Friedrich IV., auf welch' niedrigem Standpunkt die nazionale Sprachcultur und die Achtung und Fürsorge für dieselbe in Dänemark zu der Zeit stand, da Holberg begann, als Schriftsteller aufzutreten.

5. War es deßhalb natürlich, daß Holbergs Schriften eine Art revoluzionärer Wirkung auf einen großen Theil des leicht beweglichen dänischen Volkes hervorbrachten und daß man durch ihn zum Bewußtsein kam, unfre Sprache könne etwas werden, wenn man sie ausbilden und in Schriften sich ihrer bedienen wolle: so war es nicht minder natürlich, daß, wenn wirklich, wie Grundtvig meint, eine Begeisterung für die Muttersprache entstände, diese Begeisterung, wie jede andre ihre Zeit und ihr Ende haben mußte. Es ist mit der Sprache, wie mit andern Grundkräften und Lebenselementen der Nazionalität. Sie müssen sich auf eine_natürliche Weise entwickeln, ohne künstliche Treibmittel, ohne überspannte Kunstanstrengungen und ohne affectirte Selbstvergötterung, wenn sie ein gesundes und dauerhaftes Leben gewinnen sollen. Es war schlimm und Beweis genug, wie sehr manche unter dem aufgeklärten Theil des Volkes ihren gesunkenen Zustand und die Armuth der Literatur fühlten, daß man so häufig und so lange die Klagen über die Vernachlässigung und den Mangel an Aufmunterung wiederholen konnte. Als jedoch eine bessere Zeit entstand, ein freierer Geist sich in den Wissenschaften zu regen begann, und eine neue literarische Thätigkeit in der Landessprache, sobald die Bahn gebrochen war, sich nach allen Seiten hin entwickelte, und in wenigen Jahrzehnten eingeholt, was in ein paar Jahrhunderten versäumt worden oder we= nigstens eine Literatur gründete, ihr Gebiet in Besiz nahm und nazionale Pflanzstätten errichtete wenn man auch nicht auf einen Schlag eine ganze dänische Nazionalliteratur schaffen konnte: in jener Epoche mußte man auch einsehen, daß es nicht genügte, seine Mundart zu preisen oder beständig ihren Werth und ihr Recht, ihre mißkannten Vorzüge und ihre Vortrefflichkeit im Munde zu führen. Der richtige und wahre Weg sie zu heben war der, sie dadurch zu veredeln, daß die Nazion eine edlere Bildung bekam; daß sie ihre Theilnahme an der Cultur und dem Fortschreiten der europäischen Völker durch die Aufnahme der Bildung dieser in die unmittelbare Gegenwart erweiterte. Bisher war die Cultur in Dänee mark nur ein fremdes Element, von dem einzelne Dänen sich Bruchstücke im Ausland angeeignet hatten, welche in der Heimath jedoch nur in vornehmen und ge= lehrten Kreisen sich Geltung verschaffen und sich auch auf die Länge nicht halten

konnten.

Die allgemeine Culturentwicklung in der sozialen sowol, als der wissenschaftlichen Welt hatte bereits, namentlich was die leztere Richtung betrifft, in der Holbergschen Periode (1720 — 1750) begonnen; aber eigentlich müssen wir doch die Mitte des Jahrhunderts als den ersten Ausgangspunkt und Friedrich V. Regierung als erstes Jugendalter annehmen obwol man keinen Grund hat, dies Alter in der Literatur sehr jugendlich zu nennen. Es trat ein Nebergang von der ausgelassenen Holbergschen Heiterkeit und Laune zu einem besonneneren Gruft früher ein, als es wünschenswerth und fruchtbringend war; wie denn auch derselbe in seinen Aeußerungen und Werken nicht so heimisch war und so nazional und populär werden konnte, als Scherz und Satire unsrer dänischen Komiker. Ungeachtet er, was vft genug wiederholt worden, als der betrachtet werden kann, der den Grund zu einer dänischen Literatur legte (ein Ausdruck, der historisch genauer ist, als ihn

den Schöpfer einer Literatur zu nennen, von der man noch ein ganzes Menschenalter nach seinem Tode nicht sagen konnte, daß sie entwickelt sei), so war seine Sprachform doch, in ihren wesentlichsten Eigenschaften, auf den älteren dänischen Sprachcharacter und Ton gebaut. Diese stylistischen Elemente benutte Holberg, wie er überhaupt den älteren dänischen Sprachgebrauch man kann wohl sagen, mit einem im Allgemeinen sprachrichtigen und ächten Danismus handhabte; obwol Holberg hier, wie in allem Andern keine pedantische Aengstlichkeit kannte, unconse quent im Schreibgebrauch war, nachlässig und incorrect die entwickelten und angenommenen grammatischen Formen bald festhielt, bald übertrat und sich nicht darum kümmerte, daß sich in seiner Sprache diese und jene Eigenheit fand, welche er aus dem norwegschen Dialecte oder der Redeweise seiner Vaterstadt Bergen_beibehalten. Auch in dem häufigen und ungenirten Gebrauch von Fremdwörtern, seien sie nun unverändert oder mit dänischer Endung und Beugung, ließ er sich nicht verleiden, den bereits lange vor seiner Zeit eingedrungenen und allgemein herrschenden Gebrauch der Schriftsprache plößlich aufzugeben. Er muß allzu wohl gefühlt haben, daß er dadurch gerade zu seiner Zeit in einen Fehler verfallen wäre, der für ihn als Schriftsteller und Stylisten der unerträglichste von allen gewesen wäre: in Steifheit und Pedanterie. Gerade die entgegengesetzten Eigenschaften, Leichtigkeit im Vortrag und der Sahbildung, eine beinahe naive Ungezwungenheit und Natürlichkeit in dem Styl der Erzählung, wie der Betrachtung, die dadurch eine seltene Unmittelbarkeit und Deutlichkeit gewann: waren eigenthümlich für Holberg. Man kann von einem großen Theil seiner historischen Schriften (z. B. von manchen Partieen der dänischen und jütischen Geschichte, namentlich aber von den Helden- und Heldinnenhistorien) sagen, daß die Darstellung der mündlichen Erzählung wie sie Holberg nach seiner Individualität gegeben hätte so nahe kommt, als es nur irgend möglich ist, und wir können bei dieser Gelegenheit eine Bemerkung nicht unterdrücken: die nehmlich, daß bei diesem Schriftsteller nicht selten solche Aeußerungen und Reflexionen vorkommen, welchen man in Folge seiner_komischen Natur, leicht eine verdeckte ironische Absicht unterlegen wird, obwol der Schein das von nur in der naiven Simplicität und dem Danismus der Darstellung und des Ausdrucks liegt. Aber auch in den wirklich auf einem mehr oder minder ironischen Hintergrund angelegten Betrachtungen, Bemerkungen und Erzählungen, wovon es bei Holberg wimmelt, liegt die Anziehungskraft, welche sie, ungeachtet der oft sehr veralteten Beschaffenheit des Stoffes besißen, zum großen Theil in dem Character des Styls und der vollkommen ungesuchten Natürlichkeit und ursprünglichen Freiheit.

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6. Es ist ein Beweis mehr von dem ächten Danismus des Holbergschen Styls und Sprachcharacters (was hier wol berührt werden kann, obgleich es abseit unsres Zieles zu liegen scheint), daß man noch bei einem hundert Jahre jüngeren dänischen Dichter, der auch als prosaischer Stylist einen ausgezeichneten Rang unter den Classikern einnimmt, merkwürdige Aehnlichkeiten mit Holberg_im_Character des Styles findet; besonders wo nicht blos eine allgemeine Verwandtschaft zwischen beiden ironisch-komischen Naturen sich äußert, sondern da, wo dieser unser neuerer Komiker sich ganz der genialen Leichtigkeit und Natürlichkeit in einem ächt dänischen Styl überläßt, welchen er u. A. als Polemiker und Kritiker mit großer Virtuosität behandelt. Es ist dies ein augenscheinlicher Beweis für die Erfahrung, welche wir aus der Sprachhistorie schöpfen, daß wirklich ununterbrochene Verwandtschaftsglieder unsre gegenwärtige Schriftsprache (wenn auch nicht in allen ihren Erscheinungen und bei der Mehrzahl ihrer Schriftsteller) mit dem dänischen Sprachcharacter der früheren Perioden verbinden; so daß wir an der Hand dieser Erfahrung uns nicht von der Behauptung gewiffer Leute irre leiten lassen, die dänische Sprache sei in ihrer neueren Entwickelung und der gegenwärtigen Gestalt in der Literatur gänzlich entartet und verdeutscht. Eine bedeutende Einwirkung der deutschen Sprach- und Schriftwelt, namentlich in der Wortbildung, auf die dänische Sprache und Literatur, wie auf die schwedische läßt sich nicht läugnen; aber diese Einwirkung reicht höher hinauf, als bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (welchen Zeitpunkt man gewöhnlich im Auge hat), und die Nothwendigkeit, sowie die eigentliche Be

schaffenheit dieses Verhältnisses mit Rücksicht auf die neuere und neuste Sprachgestaltung werden wir nun näher beleuchten.

7. Wenden wir uns nehmlich zu der mit Holberg gleichzeitigen und der auf ihn folgenden Literaturperiode in Dänemark, so wird uns klar, wie diese fortschreitende Entwicklung und wesentliche Erweiterung der geistigen und wissenschaftlichen Cultur in Dänemark eine ihr entsprechende Sprachbildung, eine reichere Sprachfülle, eine Veredlung der stylistischen Organe und Kräfte in der Sprache forderte, die mit der Cultur der Nazion Schritt halten mußte. Es verlief wohl noch ein Menschenalter nach Holbergs Tod, che die Sprachbildung in allen ihren Bestandtheilen sich mit der Nazion in den verschiedenen Volksclassen vereinigte; aber sie gewann durch mehre in einer oder der ändern Hinsicht eigenthümliche, geistig begabte, wissenschaftlich gebildete Prosaisten an Kraft, Politur und Ausbreitung. Diese waren nun gewiß weit davon entfernt, den Weg zu gehen, welchen Einige noch in unsern Lagen als den nothwendigen, den einzig richtigen bezeichnen, um unserer Mutterspräche die verlorene Ursprünglichkeit und Nazionalität wieder zu geben, uehmlich die Sprachquellen und Sprachmuster im alten Norden, unter den isländischen Skalden und Sagaschreibern zu suchen. Schon die Holberg'sche Literatur- und Sprachperiode äußerte eine Art Antipathie gegen einen solchen Rückschritt, in wie schwachen und unbedeutenden Symptomen er sich auch bei Einzelnen (z. B. bei dem in seinem Dänisch unaussprechlich pedantischen und geschraubten P. Syv) gezeint haben mochte. Dänische Schriftsteller zu Friedrich V. Zeit und nach der Mitte des 17. Jahrhunderts mußten und konnten natürlicherweise nicht zu einer ärmlicheren und beschränkteren Literatursphäre zurückgehen, welche gerade durch ihre Eigenthümlichkeit und ihre Absonderung immer nur norwegisch und isländisch blieb, in historischer, linguistischer und nazionaler Hinsicht höchst merkwürdig und interessant war, aber ohne Theilnahme an der classischen oder modernen Cultur Europas verharrte. Die leztere hatte sich im Mittelalter auch Skandinavien mitgetheilt, namentlich durch die kriegerischen und friedlichen Berührungen mit Irland und England. Aber in Dänemark hatten diese Mittheilungen keinen besonderen Einfluß auf die Sprachentwicklung geäußert. Die bedeutenden Achulichkeiten, welche sich just zwischen der dänischen Sprache und dem Englischen, in der Uebergangszeit von dem alten Angelsächsischen zu der neueren normannisch-englischen Form finden, deuten unstreitig auf eine merkwürdige Analogie zwischen beiden Sprachen in ihrer früheren Bildung, aber die Quell: muß von Dänemark nach England geftrömt sein; ein anderes Verhältniß gestattet die Geschichte nicht anzunehmen.

Wie man sich nun im Uebrigen auch die Umbildung einer älteren skandinavis schen Sprachform in der neueren dänischen (und schwedischen) denken und vorstellen mag (denn die historischen Beweise, auf die man sich bisweilen beruft, sind sehr mangelhaft), so ist soviel ziemlich ausgemacht, daß diese Umbildung verschiedene Jahrhunderte älter sein muß, als die frühesten Denkmale einer dänischen Schriftsprache, die wir besigen; nehmlich Geseze und Verordnungen aus dem 13. Jahrhundert. Diese haben neben den Neberresten des alten nordischen Sprachorganismus, die sie enthalten, bereits das deutliche Gepräge einer neueren, dänischen Sprachentwicklung und Sprachbildung, in welcher die seeländische Mundart das Grundelement ist. Wir müssen uus überdies im Ganzen die Geseze als überlieferte Gebräuche aus einer älteren Zeit, als die denken, in welcher sie aufgezeichnet find; und die aufgeschriebenen Geseze in ihrer Sprachform zum Mindesten ebenso abweichend von der damaligen Volkssprache, als unsre gegenwärtige Schriftsprache und verfeinerte Redesprache von den Mundarten des Volkes abweicht. Aber jenes fichtbare, durch Vergleichung der neueren Schriftsprache mit dem seeländischen Dialect*) noch deutlicher in die Augen tretende Uebergewicht zeigt bereits im 13.

*) Wie zu einer Beleuchtung unserer gegenwärtigen Redes und Schriftsprache, ihrer Bildung und Geschichte noch viel zu thun ist: so auch bedarf es noch einer tiefer gehenden Untersuchung der dänischen Dialecte; namentlich der Volkssprache des Festlands nach ihren verschiedenen Eigenheiten im nördlichen und Archiv f. n. Sprachen. IX.

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