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Programmensch a u.

Zur Metrik. Von D. Meißner. Mit einem Vorworte von K. Lehrs. Göttingen, Dieterich 1850.

Es ist für den sinnigen Beobachter eine erfreuliche Erscheinung, wenn er an einem Frühmorgen bemerkt, wie die mit dichtem Nebel erfüllte Atmosphäre immer heller wird, hie und da die immer höher steigende Sonne durchblickt, so daß er nun einen wolkenlosen Himmel bald erwarten darf. Dieses Bild wurde bet Durchsicht dieser kleinen Schrift in mir hervorgerufen. Auch auf dem Gebiete der Metrik hat es schon längst getagt; Dunst und Nebel sind auch stellenweise bereits aufgelöset und verschwunden; aber dennoch stehen viele ihrer Jünger in einem dichten Nebelkreise. Ohne Bild. Mit der Zeit treten immer mehr denkende und unbefangen prüfende Männer auf den, durch Voß, Apel, Böckh, Besfeld u. a. m. gebahnten Pfad der naturgemäßen Metrik; dennoch muß man sich wundern, daß jene Männer in den lezten 40 bis 50 Jahren noch so wenig entschlossene Nachfolger gefunden haben. Apel erkannte schon früh die Ursache dieser langsamen und svärlichen Verbreitung. Er äußerte sich 1807 unter andern folgendermaßen: „Die Lehre vom Rhythmus würde längst jedem klar und jedem verständlich sein, mangelte nicht, auf einer Seite den Theoretikern die Kenntniß der Musik, und auf der andern den Tonkünstlern die Lust oder auch die Fähigkeit zu der nöthigen Abstraktion. So lange beides sich nicht vereinigt, können alle Versuche, eine Theorie des Rhythmus aufzustellen, die Begriffe nur verwirren, denn die scheinbare Conse quenz, mit welcher jeder Theoretiker seine Säße begründet und ableitet, befestigt und vermehrt die Vorurtheile, welche das Erkennen der Wahrheit hindern, oder doch erschweren." Diese Worte haben gegenwärtig noch dieselbe Wichtigkeit und Geltung, wie vor 44 Jahren. In allen Zweigen der Kunst und des Wissens sucht man den natürlichen Ursprung, so wie den Entwickelungs- und Fortbildungsgang zu erforschen; nur bier allein bleiben die Philologen auf der alten Heerstraße, auf welcher auch ihre Väter einherzogen, und weisen jeden stolz zurück, der ihnen eine bessere und bequemere Straße zeigen will. Fragt man sie: woher kommt ihr? Welches ist euer Ziel? Habt ihr auch einen Kompaß, mittelst dessen ihr euch auf ungewissen Wegen orientiren könnt? so hat man vom Glück nachzusagen, wenn man keine schnöde Antwort erhält. Wenn wir Wort- und Versfuß streng unterscheiden, verschiedene Längen und Kürzen annehmen; wenn wir alle Versarten den Gesetzen des Taktes unterwerfen und die gebundene Darstellung in der Dichtkunst, sowohl in den alten als in den neuen Sprachen, nach dem Taktmaße messen: so halten sie uns für dünkelhaft und unwissend, ja, es kommt ihnen nicht einmal der Gedanke in den Sinn, daß es noch fraglich sein könne, auf welcher Seite sich denn Dünkel und Unwissenheit befinde.

Wenn wir diesen, manchem Leser vielleicht etwas scharf scheinenden Ladel aussprechen, so gilt er hauptsächlich denjenigen Lehrern und Lehrbüchern, welche noch immer unsere Muttersprache in die alte metrische Zwangsjacke einkleiden. Die Lehrer der alten Sprachen mögen ihre Verurtheilung in den Schriften der vorher genannten Männer selbst lesen. Zu beklagen ist es aber überhaupt, daß auf diesem Felde die Wahrheit noch so wenig Raum zu gewinnen vermag. Das einzige, aber auch völlig genügende Ausgleichungsmittel zwischen den Anhängern der alten und neuen Theorie der Metrik wird von jenen, den Philologen, verworfen, und so kann denn nur nach und nach die Takttheorie eine hinreichende Schaar rüftiger Archiv f. n. Sprachen. IX.

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Kämpfer gewinnen, die eben so vertraut sind mit den Waffen der Philologen als der Musiker, und welche mit siegender Gewalt vorzudringen und bleibende Groberungen zu machen vermögen. Zu diesen gehört denn auch Herr Lehrs, der Verf. einer, in der Ueberschrift genannten kleinen Schrift, welcher zugleich auf ein größeres metrisches Werk von O. Meißner hinweiset, von dem er hier einen Probeabschnitt mittheilt.

Obgleich die „antike Metrik" den Inhalt dieses Werkchens ausmacht, so gehört sie doch in sofern in das Gebiet der Archivs, als es eben den Beweis gibt, daß das Naturgefühl für rhythmische Bewegung zu allen Zeiten und bei allen Völkern dasselbe gewesen und noch ist, und sich das Ohr nie hat vom Auge täuschen lassen. Wenn Hr. Lehrs gleich von vorne herein die Bemerkung macht, daß wir für jezt nur von antiker Metrik sprechen und von deutscher in so weit, als sie unbedenklich mit jener übereinstimmt," so wurde dem Ref. etwas sonderbar zu Muthe, etwa als wenn jemand von antiker Logik sprechen und von moderner nur in so weit, als sie unbedenklich mit jener übereinstimmt. Doch bald sah ich den Verf. nicht mir gegenüber, sondern neben mir stehen. Ich muß hier die eigenen drei Worte des Hrn. L. anführen, damit die Leser des Archivs sich überzeugen, ob derselbe zu den Männern der Rechten oder der Linken gehöre. Er sagt S. 3: „Bei jeder neuen erweiterung, welche zur kenntniß der metrischen geseße, wie sie in den versen der alten befolgt find, uns dargeboten wird, macht sich der wunsch rege, daß nun auch jemand sich fände, der diese lehre auf ansprechendere grundlagen zurückführte als die gangbaren. Keine wunderbarere lektüre als Hermanns metrik. Man findet es wiederholt, daß diese theorie oft, nicht nur unzureichend, sondern dem ungezwungenen gefühle auch widerstrebend sei.“ S. 4. Was hat denn aber Hermann und seines gleichen geleitet? Das eingeborne taktgefühl, und jeder, der sich einiges ohr für verse zutrauen darf, ohne sich einer bestimmten theorie ergeben zu haben, er frage sich, was ihn leite, wenn ihm dies unanstößig oder vorzüglich, jenes unerträglich oder unmöglich zu hören oder zu lesen ist. Die antwort wird sein: der takt, die in gleicher entfernung wiederkehrenden, gleichen auf- und niederschläge. Numerosum est id in omnibus sonis et quod metiri possumus intervallis aequalibus." „Wenn wir aber so auf die grundlage der musik gewiesen sind, so werden wir nun einen großen Umweg zu machen haben. Wir werden die taktgeseße bei den alten musikern studiren müssen. Gewiß nicht! Gewiß eben so wenig, als wir, um etwa die griechische Syntar zu begreifen, uns an theoricen alter grammatiker hängen werden. Sind in den alten versen taktgeseße, die jedes gesunde gefühl heute vernimmt wie ehemals, so müssen jene verse aus der heutigen takttheorie verstanden werden können, ja vermuthlich besser."

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S. 5. „Ist es aber der takt, der uns leitet, und durch den allein wir einen finn in die zeichen bringen, so ergiebt sich, daß mit länge und kürze und mit den zeichen und nichts anzufangen ist. Sie sind dem ohre todt, nur mit verschie denem taktischen werth der länge und kürze, nur mit hinzuziehung von pausen entsteht ein verständniß.“

Das wird genug sein, um zu erkennen, auf welcher Seite Hr. L. steht. Wir heißen ihn deshalb auf dem Gebiete der musikalischen Metrik willkommen. Kleine Differenzen werden uns wohl nicht getrennt halten. Wenn Hr. L. Bürger's: Ich will euch erzählen ein Mährchen gar schnurrig u. s. w. einen amphibrachischen Rhythmus unterlegt, so können wir ihm doch nicht beistimmen. Jede rhythmische Einheit oder jedes Metrum beginnt mit der Arsis; diese fällt aber hier nicht auf, „Ich,“ sondern auf „will“ "Ich“ ist der Auftakt zum 3% oder vielmehr zum 8 Taft, der in der Metrik den leichtfüßigen oder flüchtigen Daktylus bildet. Es ist allerdings sehr zu bezweifeln, daß es amphibrachische Rhythmen gebe. Die erste kurze Silbe bildet, wie gesagt, immer den Auftakt (die Anakrusis); die beiden anderen Füße bilden eine Trochäe oder mit den folgenden Amphibrachen Daktylen. Weder der Musiker noch der Tänzer, noch der Deklamator, am wenigsten aber der Metriker würden sich mit einem amphibrachischen Versmaße befreunden können, obgleich der Musiker sie allerdings stellenweise aufzunehmen sich nicht weigern wird.

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Was nun das Probestück von der Metrik des Hrn. Meißner betrifft, so glau ben wir wohl in der Grundansicht mit ihm übereinzustimmen, da er seinen metrischen Apparat: Notenschrift, Pausezeichen, Takt, Auftakt u. f. w. mit uns aus der Lonkunft entlehnt. Da er aber nur griechische Dichter seinen neumetrischen Mesfungen unterwirft, so hat diese Abhandlung nur in so weit Interesse für die Leser des Archivs, als sie den Beweis gibt, daß die Takttheorie in der gebundenen Sprachdarstellung sowohl der alten als der neuen Sprachen ihre richtige und natürliche Anwendung findet, ja daß sie hier eben ein sicheres und einziges Correktivmittel bei schwierigen Fällen darbietet. In den neueren Sprachen können wir die alten metrischen Formen ganz entbehren, indem wir durch die Aufnahme der Pausen und der dreizeitigen Längen in Stand_gesezt sind, die rhythmischen Bewegungen anders, und zwar naturgemäß zu messen. Nicht der Wortfuß, d. h. die verschiedene Anzahl der Silben, die zu einem Worte gehören, sondern die Art der Bewegung, welche ein Wort in einer rhythmischen Reihe annehmen muß, bestimmt bei uns das Metrum, für uns gibt es demnach keine baccheische

(~~), antibaccheische (--), påonische (--), Fretische murde choriambische (~~~~) u. f. w. Füße noch weniger aber dochmische (~~-~~-). Diese wunderlichen metrischen Formen haben durch die neuere Metrik ihr Dasein verloren und sind nun durch Apel, Voß, Böckh, Besseld u. a. m. in einer andern Gestalt wieder erschienen und einem andern Gefeße unterthan geworden.

In Betreff des Dochmius und Kretikus noch einige Worte. Etwas auffallend ist es mir gewesen, daß Hr. Meißner so vielen Fleiß auf diese Versfüße oder vielmehr Wortfüße verwendet hat. Der Dochmius (~~~~~) ist ein fünffüßiges Wort, den wir aber, als Versfuß betrachtet, schlechthin verwerfen müssen. Wer kann denn auch ausein wohlgefälliges Ganze bilden? Hr. M. schneidet die erste kurze Silbe als Auftakt ab, und damit ist gegen die Grammatiker allerdings schon ein kühner Griff geschehen. Die Messung der folgenden Füße will mir aber so recht nicht zusagen, namentlich nicht, daß der zweite lange Fuß, das zweite Viertel durch eine Triole dargestellt wird. Besseld misset den Dochmius in einer metrischen Reihe nach einem Äntispast (~~~~), Daktylus (~~~) und einem Kretikus (~~−), also: in Noten ON

8/9 Taft LIBERAMIK || oder für Nichtmusiker im Notenwerth 1% | 3%,

2/8 1/8 3/16, 1/16, 1/8, 2/8, 1/8, 38. Diese Verbindung und Eintheilung verwandter Rhythmen scheint mir natürlicher zu sein. Uebrigens ist aus dem fünffüBigen Dochmius nach dem alten metrischen System in keiner Sprache ein Vers zu machen, weil ein fünffüßiger Versfuß ein Unding ist. Hr. M. stellt den Kretikus (~~) als 2/4 Takt dar, und gibt dem ersten und zweiten Fuß eine Viertelnote mit einer Achtelnote verbunden unter Form und Werth einer Triole, der dritte Fuß erhält dann das zweite Viertel. Ob es hier nicht besser und einfacher wäre, einen Ditrochaus mit einer Achtelpause zu sehen, möge jeder nach seiner Auffassung entscheiden.

Das von 2. mitgetheilte Probestück aus M.'s Schrift über Metrik verräth nicht allein einen tüchtigen Philologen, sondern auch einen Kenner der Musik; daher haben alle Freunde der Metrik ein vorzügliches und gehaltreiches Werk von ihm zu er

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Heuser.

Der Mythus von William Shakspere. Eine Kritik der Shakspeare'schen Biographie von Nicolaus Delius. Bonn bei H. B. König 1851.

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Der Verf. hat diese lesenswerthe Abhandlung bereits in früherer Zeit in dem Sonntagsblatte der Weserzeitung erscheinen lassen, und Ref. freut sich aufrichtig

daß sie jezt noch besonders abgedruckt und dadurch einem Jeden zugänglich geworden ist. Sie verdient es in jeder Hinsicht, allgemein bekannt zu werden, denn sie bietet eine Reihe von scharfsinnigen Bemerkungen über das Leben unseres Lieblingsdichters, welche kein Freund der Shakspere-Literatur unbeachtet lassen sollte, und wir empfehlen deshalb diese kleine Schrift recht angelegentlich. In der Einleitung zeigt der Verf., daß sich das Reich des Mythus im Allgemeinen in höchst bedenklicher Weise immer mehr erweitere und daß es Pflicht sei, ihm Einhalt zu thun; er verfolgt das Walten des Mythus auf dem beschränkten Felde der Biographie Shakspere's und sucht nachzuweisen, wie das Interesse des Menschen an einer bedeutenden Persönlichkeit überhaupt, dem Mythus gerade hier in jeder Weise Vorschub geleistet hat. Der Heros der Romantik sollte auch romantisch gelebt haben, weil seine Schilderungen so wahr und schön find.

Mit scharfer Kritik folgt Hr. Delius dem bereits von Charles Knight mit so viel Glück betretenen Wege und räumt unter den vielen Geschichtchen und Anekdoten recht gehörig auf, welche den Lebenslauf des Dichters so höchst abenteuerlich erscheinen ließen und bisher vielen Glauben gefunden haben. Jene unsinnige Be hauptung, welche mit maßloser Willkür in den Sonetten eine vollständige Autobiographie erkannte, wird in vernichtender Weise zurückgewiesen und der Beweis geführt, daß sie eben nichts weiter waren, als zerstreute Blätter, Darstellungen poetis scher Seelenzustände, welche der Dichter vermöge seiner außerordentlichen Fähigkeit hervorbrachte, sich tief in alle Gefühle und Situationen wie in selbstempfundene hineinzuversehen, die wir auch in seinen Dramen bewundern.“ Das Resultat der ganzen Untersuchung ist das Bewußtsein, daß wir nur wenig über S.'s Leben wissen. „Aber, sagt H. D., wir können dieses Resultat kaum ein bloß negatives oder ein trauriges nennen. Das erhabene Bild tritt uns in einfachem, großartigem Umriß deutlicher entgegen, entkleidet von jenen Feßen und Lumpen, mit denen eine alberne Verkleinerungssucht und Leichtgläubigkeit es behängt hat, und wenn wir nach Beseitigung dieser lügenhaften Anekdoten auf die Kenntniß von Einzelheiten aus S.'s Leben verzichten müssen, so bleibt dafür um so reiner und ungetrübter der Gesammteindruck, den die Thatsache seiner Erscheinung hervorbringt. In seinen Werken haben wir sein Leben, nicht in dem Sinne der biographischen Interpre ten, sondern in dem Sinne, daß wir uns im Anschauen solcher Wunder des Geistes sagen: Es lebte ein William Shakspere, der diese Werke schrieb, und von_dem Verfasser dieser Werke läßt sich nie groß genug denken.“ $.

Geschichte des deutschen Sprachstudiums und insbesondere seiner Unterrichtsmethodik feit der Reformation. Ein Vortrag, gehalten in der pädagogischen Gesellschaft zu Dorpat von Th. Thrämer, Hofrath, Oberlehrer am Gymnasium zu Dorpat u. f. w.

1848.

Der vorliegende, an den nordöstlichen Gränzen des deutschen Sprachgebietes über das deutsche Sprachstudium gehaltene Vortrag rechtfertigt das Interesse, mit dem man weither Kommendes zur Hand zu nehmen pflegt, vollkommen, indem derselbe einen sehr schätzenswerthen, den praktisch erfahrenen Schulmann verrathenden Beitrag zu der seit einigen Jahren so vielfach besprochenen Angelegenheit des deutschen Sprachunterrichtes liefert. Der Werth des Büchleins hat besonders dadurch bedeutend gewonnen, daß der auf dem Titel versprochenen Geschichte des Mutterforachunterrichtes eine viel Vortreffliches enthaltende Darlegung des auf einem Gymnaium zu befolgenden Lehrganges beigegeben ist. Es kann daher nur bedauert wer den, daß dieses Schriftchen der Redaktion dieser Blätter nicht früher zur Beurtheilung zugekommen ist, und hält Ref. cine genauere Anzeige desselben für wohl gerechtfertigt.

Nachdem der Verf. von der Bemerkung ausgegangen ist, daß der Werth einer Wissenschaft, wie der eines Volkes, sich am besten nach dem Umfange der Geschichte bestimmen lassen, die dieselbe aufzuweisen habe und darüber geklagt hat, daß die Geschichte des deutschen Sprachstudiums zu wenig bekannt sei: vindicirt er derselben einen ganz besonderen Reichthum, der freilich auch zu großer Verwirrung und vies lem Durcheinanderreden auf diesem Gebiete geführt habe. Der Verf. unterscheidet vier praktische und fünf theoretische Ansichten des Studiums und Lehrens der deutschen Sprache, die, obgleich nach einander entstanden, noch in unserer Zeit neben einander bestehen, und deren jede ihre gewisse Berechtigung habe.

Seine geschichtliche Darstellung beginnt der Verf. mit der Reformationszeit, in der sich die Einheit unserer gegenwärtigen deutschen Schriftsprache gebildet habe. Luther ist ihm der Vertreter der ersten praktischen Methode, die die Sprache aus der mündlichen Rede im Hause und auf dem Markte erlernt wissen will. Er glaubt, daß die von Luther angedeutete Unterscheidung des Gebrauches des Hochdeutschen im Hause, auf dem Markte und in den Büchern für den Streit über die Methode des deutschen Sprachstudiums_fehr_wichtig sei. Luthers Hausmethode herrscht bis gegen das Ende des 30jährigen Krieges. Von der Zeit der ersten schlesischen Schule datirt der Verf. die Herrschaft der zweiten praktischen Methode, der ersten der zwei latinistischen Methoden, die er annimmt. Nach den Verfechtern derselben sollte Ueberseßen und Nachahmen der alten Klassiker die Bildungsschule für den angehenden deutschen Redner und Schriftsteller sein. Die bei dieser Uebersetzungsmethode nicht zu vermeidende Lückenhaftigkeit der deutschen Sprachkenntnisse, das stockende, stotternde Deutschreden und die Barbarismen aller Art, die sie bei den Schülern hervorries, führten zu dem Verlangen nach einer theoretischen Zusammenstellung des bisher nur gelegentlich Mitgetheilten, wobei man die übliche lateinische Grammatik zum Muster nahm. So entstand die erste theoretische Methode, die zweite der la tinistischen, vom Verf. als die etymologistische oder Paradigmenmethode charakterifirt. Sie begann_mit_Gottsched und erzeugte die Menge „fabelhafter“ deutscher Grammatiker bis Heinsius und Heyne. Als aber bei der Entwicklung der schönen deutschen Literatur, insbesondere während der Sturm- und Drangperiode, die Unfruchtbarkeit eines solchen, auf fremden todten Sprachen basirenden Studiums der Muttersprache sich deutlich herausstellte, so wandte man sich wieder einer praktischen Lehrweise zu; es bildete sich seit etwa 1780 die correktionelle Methode, die alles Heil in den deutschen Sprach- und Stilübungen und der dabei vom Lehrer geübten Correktur sah. Auf diese folgte seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die theoretisch correktionelle oder Stilistikermethode, die die gangbarsten Sprach- und Stilfehler in Beispielen darstellte und in Paragraphen zusammenstellte. Die mancherlei Uebelstände dieser Methode, die z. B. darin bestanden, daß die nach Art der lateinischen Loci an einander gereihten Regeln und Rathschläge kein geordnetes System bildeten, und daß man nur nach dem sogenannten Sprachgebrauche, einem höchst schwankenden Dinge, über Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Ausdruckes entschied, gaben seit dem Anfange dieses Jahrhunderts einer neuen praktischen Methode, die der Verf. die belletristische nennt, ihren Ursprung. Sie entstand mit der Blüte der schönen deutschen Literatur und beschäftigte sich mit der Betrachtung der Musterschriften, mit der Lektüre der Klassiker und deren Analyse. Gegen diese Methode erhob sich die Förderung der Wissenschaft, man müsse das eigentliche Sprachelement erforschen und zu diesem Zwecke auf die Grundlagen unserer Schriftsprache im Mittel- und Althochdeutschen, ja in den verwandten germanischen Mundarten und indogermanischen Zungen zurückgehen. So entstand seit etwa 1820 die sogenannte historische Schule deutscher Grammatiker, an deren Spiße Jacob Grimm stand. Um dieselbe Zeit trat mit Herling und Becker die sogen. logische Schule auf, die einen streng systematischen Gang zu begründen, ein naturwüchsiges System aufzustellen suchte. Als nothwendige Ergänzung kam seit ungefähr 1830 zu diesen beiden wissenschaftlichen Methoden noch eine dritte, die der psychologischen Sprachlehre, die die inneren psychologischen Beziehungen der Sprache zum Menschengeiste und insbesondere der deutschen Sprache zum deutschen Volksgeiste nachweis't.

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