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Zweck, eine vertrautere Bekanntschaft mit den gesammten Geistesproducten unseres Volks, billigen. Aber auch dieses Mittel wäre wieder nur möglich, wenn die Unterrichtspläne eine durchgreifende Veränderung erführen, wenn vor Allem in manchen Dingen besser unterrichtet, wenn das Rechte immer auf rechte Weise (und in besserer Ordnung!) gelehrt würde; dann fände sich zu manchen Dingen noch Zeit. Wohl legen manche Lehrer, und gewiß mit Recht, zum Behuf nationaler Bildung, auf den Unterricht in der deutschen Geschichte ein besonderes Gewicht. Jedenfalls warnt sie am eindringlichsten vor mancher politischen Verirrung des Jünglings- (und Mannes-)alters, aber mit ihr bringt schwerlich ein Schüler den Stolz auf seine Nationalität aus der Schule heim in's Leben. Dazu ist sie doch oft im Einzelnen und auch im Ganzen zu trostlos. Den einfach geraden deutschen Sinn, deutsches Gemüth soll der Erzieher nähren, und die Schule hat zuvörderst das Ihrige gethan, wenn sie sagen kann, sie habe das Interesse geweckt, und dem Schüler einen Vorschmack, eine Ahnung gegeben, von dem Geiste, der unser Volk in besseren Zeiten beseelte. Für den heiteren, frischen und jugendlich unbefangenen Geist des deutschen Mittelalters ist aber gerade die Jugend am empfänglichsten, und jede Schule kann und muß ihr die Freude an unserer Volksdichtung, an seinen Sagen, Mährchen und seinen Liedern schaffen, mag auch seine ältere Sprache an sich der Schule einstweilen noch eine fremde bleiben. Möchte nur die Zeit nicht gar zu fern sein, wo ein allgemeineres Studium der Sprache noch näher zum Verständniß des Inhalts unserer reichen älteren Literatur führen könnte. Unsere Gegenwart läßt den wahren deutschen Geist in vielen Stücken unbefriedigt. Möglich, daß eine Zeit kommt, wo mancher Deutsche gern den Blick von der traurigen Gegenwart in die schönere Vergangenheit wendet, und sich in die stillen Räume dichterischer Vorzeit, als seiner legten Zufluchtsstätte, flüchtet. Die Schule mag bei Zeiten wenigstens den Weg dahin weisen!

Dankenswerth bleiben deshalb alle Bücher, die, wie das obige, das erste Studienbedürfniß im Auge haben, und in chrestomathischer Form unmittelbar in die Hallen der mittelhochdeutschen Dichterwelt einzuführen suchen. Die Sitte oder Unfitte, welche noch hie und da an Schulen herrscht, nach einem gedruckten Leitfaden auch über die ältere Literaturgeschichte Vorträge zu halten, wird und muß immer mehr abkommen; ein solcher Unterricht bleibt auschauungslos, felbst dann, wenn etwa gelegentlich einige Pröbchen mitgetheilt werden. Besser wäre es, dann lieber die ganze alte Zeit auszuschließen; denn eine Conversationslericonsbildung soll die Schule nicht geben wollen. Andererseits sind aber auch streng literargeschichtliche Urkundenbücher oder größere Sammlungen, wie die allbekannte von Wilhelm Wackernagel, Frommann und ähnliche für den Schulzweck unpassend. die Herausgabe gerade eines für den Schulzweck bestimmten Lesebuchs jeder Art hat immer ihre großen Schwierigkeiten, und selten gelingt es, das richtige und Allen genügende Quale und Quantum in der Auswahl zu treffen. Ohne manchen der bisher erschienenen Hilfsbücher für's Mittelhochdeutsche zu nähe zu treten, müssen wir gestehen, daß von jenem Gesichtspunkte aus das vorliegende von Herrn Phil. Wackernagel zu den absolut besten gehört.

Aber

Sehen wir nun nach diesen allgemeineren Bemerkungen das obige Lesebuch genauer an, so ist vor Allem das Maß und die Art der Auswahl musterhaft und dem Schulzwecke vollkommen entsprechend zu nennen. Jeder wird zunächst mit dem Grundsähe des Herausgebers im Allgemeinen einverstanden sein, nach welchem er nur ganze und in sich abgeschlossene Stücke gegeben. Eine etwas strenge Consequenz gebot dann freilich bei solcher numerischen Beschränkung manchen Bruchstücken der sonst gerade ausgezeichnetsten Dichter die Aufnahme zu versagen. Gleich das Nibelungenlied, mit welchem das Lesebuch beginnt, erheischte ein Abgehen von jenem Grundsage, insofern dies unmöglich fehlen durfte. Die Juconsequenz wird aber so gut wie ganz aufgehoben durch die Gestalt, welche der Herausgeber seinem Auszuge gegeben. Dieser ist nämlich ein vollständiger, und giebt dem Leser durch Ausscheidung der weniger hervorstechenden Partien ein recht gutes Bild vom Ganzen. Die Lücken werden durch gut gehaltene Zwischenerzählungen ausgefüllt, und so der Zusammenhang des Gänzen, noch dazu oft mit Hinzufügung der Schlag

stellen aus den weggelassenen Stücken, hergestellt. Es verdient dies Verfahren allen Beifall, und kommt besonders dem Privatstudium zu Statten. Auf das Nibelungenlied folgt im Buche von dem gemüthvollen Hartmann „Der arme Heinrich" und zwar unverkürzt. Die lyrische und didaktische Poesie ist vertreten durch eine mehr oder weniger reiche Auswahl von Stücken aus demselben Hartmann, aus Reinmar dem Alten, Walther von der Vogelweide und endlich aus dem Freidank. Zuleht folgen auf c. 50 Seiten Prosastücke, bestehend in Predigten des Berthold von Regensburg und seines Lehrers David von Augsburg.

Die Beschränkung, die der Herausgeber bei der Auswahl auf das Mittelhochdeutsche und hier wieder auf die classische Zeit des 13. Jahrhunderts hat eintreten lassen, bedarf wohl kaum einer Rechtfertigung. Es ist in der That schwer zu begreifen, wie mehrere Herausgeber ähnlicher Lefebücher alles Ernstes auch die frühere Zeit in der Schule berücksichtigt sehen wollen, ja wohl gar deshalb Auszüge aus dem Otfried, dem Heliand und selbst aus dem Ulfilas geben. Wenn man doch die deutsche Gründlichkeit nicht oft so weit triebe! Es seht die Behandlung_jener Lesestücke einen Aufwand von Kraft und Zeit in der Schule voraus, die sich cher er: schöpfen, als der Lernende an den Pforten des Heiligthums der mhd. Poesie angelangt ist. Dergleichen hätte nur Sinn, wenn unter germanistischen Schulstudien einzig oder auch nur vorzugsweise Sprachstudien zu verstehen wären, etwa in der Weise, wie man hier und dort auf den Gymnasien meint humanistische Studien mit den Schülern zu treiben, wenn man sie mit weitläufigen Untersuchungen über griechische Dialekte stundenlang martert, und sie von dem Inhalt der classischen Schriftsteller nicht nur abzieht, sondern ihnen dieselben recht gründlich verleidet. Wozu giebt es denn Universitäten?

Eine Schwäche des Wackernagel'schen Buches, die aber eine nothwendige Folge eines vielleicht zu ängstlichen Festhaltens an dem Grundsaße, nur ganze Stücke geben zu wollen, war, dürfte Mancher darin finden, daß bei dem großen Reichthum jener Zeit an erzählender Poesie, diese gerade im Buche etwas zu kurz gekommen ist. Man muß es namentlich bedauern, daß der sittlich großartigste und tieffinnigste der alten Dichter, Wolfram, nicht hat aufgenommen werden können. Wenigstens ließ der Parcival (seine schwere, oft dunkle Sprache bei Seite) schon wegen der geknäuelten Anlage nicht füglich eine Behandlung zu, wie sie das Nibelungenlied so passend vom Herausgeber erfahren hat. Refer. weiß aber nicht, ob der Herausg. nicht wohl gethan hätte, dieser dichterischen Größe zu Gefallen, ausnahmsweise aus den beiden anderen Stücken, dem Titurel, oder dem Wilhelm Et= was aufzunehmen, lehterer noch lieber wegen der vollendeteren Form. Das geringere Interesse am Stoffe wäre durch den Vortheil, die Bekanntschaft mit diesem größten Dichter wenigstens eingeleitet zu haben, aufgewogen, und dazu hätte ferner eins der beiden Stücke den besten Anknüpfungspunkt geboten zur Belehrung über die reichen von den mhd. Dichtern so vielfach ausgebeuteten nicht nationalen Sagenkreise. Eine Entschuldigung für das Fragmentarische hätte der Herausgeber überdies ja in dem Umstande gehabt, daß die beiden Werke selbst nur in solcher Gestalt aus den Händen des Verfassers auf uns gekommen sind. Der zweite große Meister, Gottfried, konnte natürlich schon aus educatorischen Rücksichten als epischer Dichter keinen Platz im Buche finden, und muß Refer. mit dem Herrn Herausgeber selbst deshalb es bedauern, daß nicht wenigstens die Erzählung Konrads von Würzburg, Otto mit dem Barte, hinzugefügt worden ist.

Besonderen Anspruch auf Beifall hingegen hat die Partie des Buches, welche lyrische und didaktische Stücke enthält. Der Herausgeber hatte hier die Wahl, entweder aus sämmtlichen erhaltenen lyrischen Gedichten eine Auswahl zu geben, oder sich auf ein und das andere, aber besonders reiche Dichterleben zu beschränken. Wir freuen uns, daß er sich für das Leßtere entschieden; sein Buch hat nur das durch gewonnen. Hier mußte, was auch geschehen, vor Allen Walther von der Vogelweide bedacht werden. Die in etwa 60 Stücken mitgetheilten Lieder und Sprüche geben für den Anfang eine vollkommen hinreichende Anschauung von der Sprache, der Geistestiefe und Innigkeit des Dichters, und lassen in einem Lesebuche die Bekanntschaft mit dem eigentlichen Minnegesang dieser Zeit um so weni

ger vermissen, als dieser bekanntlich damals gleichfalls den reflectirenden und gnømischen Charakter angenommen hatte. Der mitgetheilte Auszug aus dem Freidank endlich rechtfertigt sich für die Schule wohl von selbst. Ist es auf Gemüths- und nationale Bildung bei der Beschäftigung mit diesen Studien in der Schule abgesehen, so wüßte Refer. in der That keine bessere versus memoriales.

Chrestomathische Auszüge haben trop dem, daß denkende Männer, wie Goethe, Swift u. A. ihnen das Wort geredet, noch immer ihre Gegner und befriedigen deshalb selten nach allen Seiten hin. Aber der Hauptzweck, einzuführen in die Bekanntschaft mit der betreffenden Literatur möchte schwerlich auf anderem Wege zu erreichen sein. Er ist erreicht, wenn des Schülers Interesse lebhaft erregt, und bei ihm sich zu der Ahnung, daß in den tieferen Schachten noch der „Edelsteine“ mehr sind, auch die Lust gesellt, dort weiter nachzugraben. Dazu, glauben wir, werden Lernende bei dem Gebrauch des obigen Buchs sich leicht gedrängt fühlen, denn es enthält, was ihnen der Titel verspricht, wahre Edelsteine.

Einen besonderen Werth hat der Herausgeber ferner seinem Buche noch durch die Aufnahme von zwei längeren Prosastücken der beiden größten Volksredner des 13. und folgenden Jahrhunderts gegeben. Rücksichtlich ihres Inhalts konnten sie bei der übrigen Reichhaltigkeit dieses Buches an paränetischem Lesestoffe schon entbehrt werden, wenn es nicht räthlich, ja nothwendig wäre, dem Lernenden gleich bei der Einführung in die Poesie auch eine Vorstellung von dem Zustande der herrschenden Prosa zu verschaffen, und ihm so die Einsicht in die damalige Poesie zu erhellen, indem er gewahr werden wird, wie sich auch in der ungebundenen Form, in dieser unmittelbaren Redeweise derselbe jugendlich frische und dichterische Geist ausspricht, der die anderen literarischen Schöpfungen der Zeit durchweht. Natürlich blieb für den Herausgeber, zumal wenn er auch ein in sich abgeschlossenes Ganze geben wollte, kaum die Wahl zwischen den inhaltreichen und zum Theil musterhaften Prerigten und zwischen Bruchstücken aus den Rechtsbüchern.

Die Zahl der höheren Unterrichtsanstalten, in deren Lectionsplan auch das Mittelhochdeutsche eine Stelle gefunden, ist dermalen_verhältnißmäßig noch sehr klein, augenscheinlich jedoch im Zunehmen begriffen. Irren wir nicht, so hat bis jeßt einer größeren Verbreitung in den Schulen weniger ein ungünstiges Vorurtheil der Schulvorsteher (ich erinnere an die modernen Sprachstudien auf Gymnasien) als der Mangel an geeigneten Lehrkräften im Wege gestanden. Darum werden sich die Freunde germanistischer Schulstudien mit ihren Hoffnungen wohl noch eine Reihe akademischer Triennien bescheiden müssen, bis der betreffende Unterricht auf den Universitäten ein noch fruchtbareres Feld gewonnen, und die dort gebildeten künftigen Lehrer mit der Kenntniß auch das Interesse in ihre amtliche Schulsphäre bringen. Unter diesen Umständen können Lehr- und Lernbücher für die alt und mittelhochdeutsche Sprache und Literatur inzwischen hauptsächlich nur bei denjenigen Lehrern oder Studirenden ein Publikum finden, die, sei es aus Mangel an Gelegenheit mündlicher Unterweisung, sei es aus Versäumung derselben, jene zum Gegenstande ihrer Selbstbelehrung machen. Darum ist es gut, wenn Chrestomathien und grammatische Lehrbücher hierauf besondere Rücksicht nehmen. Auch zu diesem Zwecke glaubt Refer. das Wackernagel'sche Buch besonders empfehlen zu können. Das beigegebene Wörterbuch ist mit der am Herausgeber bekannten Sorgfalt und Gründlichkeit gearbeitet, und enthält nicht nur eine im Ganzen vollständige Nachweisung der Stellen, an welchen die Wörter und Ausdrücke vorkommen, sondern führt auch die einzelnen Flexionsformen der starken Verba mit auf. Ein so ge wissenhaft gearbeitetes Wörterbuch wie dieses ist unstreitig viel zweckmäßiger, als fortlaufende Noten oder gar als eine gegenüberstehende neuhd. Uebersehung, wie sie u. a. Kehrein in seinen Proben der deutschen Poesie und Prosa u. f. w.“ ge= geben. Bei solchen Uebersehungen eilt das Auge und der Geist des Lernenden nur zu leicht an dem Original vorüber, während sich mit Hülfe eines guten Wörterbuchs das Verständniß der Form und der Gedanken, wenn auch mit mehr Mühe, aber dafür desto besser und sicherer dem erschließt, der es sich hat erarbeiten und zu seinem geistigen Eigenthum machen müssen; durch fortlaufende Notirung der Stellen im Wörterbuche und beständige Rückweisung auf das schon Borgekommene

"

wird das Gedächtniß für Wörter und Formen wesentlich unterstüßt. Schade, daß der Herausgeber, durch äußere Umstände genöthigt, seine Absicht, auch einen Abriß der mhd. Literaturgeschichte, sowie eine kleine Grammatik und Metrik der mhd. Sprache beizufügen, aufgeben mußte. Für die Schule, wo der mündliche Unterricht ergänzen kann, ist dieser Ausfall nicht so erheblich; da aber, wie oben bemerkt, dergleichen Bücher vorläufig noch zum guten Theil dem Selbstunterricht anheimfallen müssen, so sind Beigaben wie die erwähnten, kaum entbehrlich. Zwar find solche Hülfsmittel in reichlicher Menge vorhanden, aber fast durchgängig greifen fie für den Anfang viel zu weit; statt sich auf das Allernothwendigste zu bez schränken, lassen sie den Lernenden über der Handhabung des Mittels, der Sprache, lange nicht zum Zweck kommen; theils sind die Hülfsmittel zerstreut in mehreren Büchern, während die Anfänge von Allem, von Grammatik, Metrik und Literatur am besten gleich, schon der Beziehung wegen, sich in einem Buche zusammen finden. Später mag der Lernende dann zu andern Hülfsmitteln greifen. Vorher aber müßte er, und zwar vor dem Beginn der zusammenhängenden Lectüre über manche sprachliche Dinge, wobei das Wörterbuch nicht immer helfen kann, im Reinen sein, um dann rasch und ohne vielen Aufenthalt bei der Grammatik, im Lefen fortschreiten zu können, denn dieses und nicht die Sprachlehre bleibt doch wohl beim Schulstudium der Zweck. Refer. betrachtet solche Vorübungen wie Fingerübungen in der Musik; das Stümpern, Fehlgreifen, Suchen, Verbessern verlei det die Arbeit und den Genuß; man soll möglichst bald wie in der Musik vom Blatte spielen, so in einer fremden Sprache vom Blatte lesen und verstehen lernen. Am geeignetsten wäre, nach des Refer. Ansicht, namentlich für die Schule, eine fleine nach grammatischen Kategorien geordnete Sammlung abgerissener, nicht zu langer Säße, die zuvor rein analytisch behandelt werden könnten, und auf welche bei der Lectüre dann und wann zurückzugehen wäre. Diese machte, beim Mittelhochdeutschen wenigstens, einen ausgearbeiteten Abriß der Grammatik immerhin schon unentbehrlich. Dies Verfahren hat auch schon Hahn in seinem mittelhochd. Lesebuche, aber in ungenügender Weise, beobachtet. Zu selbstgebildeten, oder ganz inhaltleeren Sägen, wie sie Anfängern in fremden Sprachen pflegen_vorgelegt_zu werden, brauchte man seine Zuflucht nicht zu nehmen; es eigneten sich dazu füglich unter andern z. B. kurze Sprüche aus dem Freidank. Noch eine sehr beifallswerthe Zugabe unseres Buchs ist die gründliche Anweisung, welche Herr Wackers nagel über die Aussprache des Mittelhochdeutschen vorausgeschickt hat. Dies ist ein Gegenstand, über den man sich sonst vergeblich nach Belehrung umfieht, und doch weiß Jeder, der sich einmal mit Erlernung einer fremden Sprache, namentlich ohne Beihülfe des mündlichen Unterrichts beschäftigt hat, ein wie peinliches Gefühl die Ungewißheit oder gänzliche Unkunde der Art und Weise ist, wie das geschriebene stumme Wort zu sprechen sei, wenn es lebendig zu unserm Ohr klingen soll. Darum ist es ein nicht geringes Verdienst, das sich der Herausgeber den Studirenden durch diese Arbeit erworben hat. Zwar ist es sehr schwierig, überall die wirklich richtige Aussprache, wie sie zu ihrer Zeit gewesen, noch heute zu ermitteln. Weder der Reim noch die Mundarten, wie sie sich heut zu Tage in den Gegenden des alten Schwabens, Frankens u. s. w. festgesetzt, noch die allgemeinen Lautgeseße, führen immer zu sicheren Schlüssen auf die Aussprache der mhd. Zeit. Dazu kommt die andere Schwierigkeit, durch die Schrift mancherlei Nüancirungen zwischen den Lauten und der Aussprache eines Nord- und Süddeutschen verständlich zu machen. Alle diese Schwierigkeiten hat der Verfasser nicht heben können und wollen. In den nicht völlig evidenten Fällen dringt er wenigstens auf Gleichmäßigkeit der Aussprache, und giebt dem Unkundigen dafür gewisse feste Haltpunkte an.

um

Hiermit empfiehlt Refer. dringend diese vorzügliche Arbeit sowohl denjenigen Schulen, auf welchen die mhd. Studien sich bereits eine Stelle haben erringen können, als namentlich denjenigen Studirenden, die sich selbst in die germanistischen Studien hineinzuarbeiten Lust fühlea. Die typographische Ausstattung des Buches ist geradezu schön zu nennen.

Lennep.

Dr. L. A. Berglein.

Friedrich und Voltaire in ihrem persönlichen und literarischen Wechfelverhältnisse. Von Robert Schultheß. Nordhausen bei Förftemann. 1850.

Das unter dem vorstehenden Titel erschienene Werk erfüllt, um es ohne Umschweif, aber nach bester Ueberzeugung zu sagen, nur in geringem Maße seine Verheißungen. Nach aufmerksamem Durchlesen hinterließ es dem Referenten den Eindruck, als sei es eine, von einem jungen, in geschichtlichen Forschungen noch ungeübten Mann veranstaltete Compilation. Der Mangel an selbstständigem Stu dium der Schriftwerke der beiden zu vergleichenden Schriftsteller tritt überall aus dem Büchlein hervor. Eine überzeugende Belehrung wird dem Leser aus demselben nicht zu Theil. Nur die persönlichen, d. h. die äußerlichen Wechselverhältnisse beider Männer werden uns, mit Einschaltungen mancher Episode, die nicht genau zum Gegenstande gehört und nicht selten in erhöhtem Maße den Charakter der Hohlheit trägt, in anekdotenartiger Weise vor Augen geführt; von einer Untersuchung über das literarische Wechselverhältniß, in welchem jene beiden Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts zu einander standen, über den Einfluß, den der eine auf die literarische Thätigkeit des andern übte, findet der Leser kaum eine Spur. Was er über das Verhältniß des Königs zu Voltaire erfährt, kann er in manchem andern Buche von bescheidneren Ansprüchen kürzer und besser dargestellt sehen. Daß aber ein literarisches Wechselverhältniß zwischen beiden Statt fand, deutet der Verfasser selbst durch den _Titel_seines Buches an, und es würde nicht schwer fallen, es wenigstens nach einer Seite hin, d. h. von Seiten Voltaire's auf Friedrich den Großen, nachzuweisen. Der Voltaire'sche Einfluß offenbart sich nicht nur in der ganzen Geschmacksrichtung des königlichen Schriftstellers, sondern auch in der Wahl der von ihm behandelten Gegenstände. Man vergleiche nur das Palladion Friedrichs mit der verrufenen Pucelle Voltaire's, und man wird finden, daß es in der ganzen Anlage und noch mehr im Tone eine auffallende Aehnlichkeit mit dieser hat, so wie man eingestehen wird, daß an schonungslosem Spotte der königliche Schüler seinem Vorbilde nicht nachstehe.

Nach dieser bündigen Erklärung wird es dem Leser des Archivs von geringer Wichtigkeit sein, zu erfahren, daß die häufigen aus dem Französischen gemachten Uebertragungen, welche diese Schrift enthält, ohne Consequenz in der Wahl des Ausdrucks und überhaupt in ziemlich mangelhafter Weise verfaßt_find. Dr. A. Philippi.

Düsseldorf.

Englisches Sprachbuch. In 3 Abtheilungen: Vorschule und Orthoepie, Etymologie und praktische Lehrschule von Friedrich Kölle, Gutemberg, K. Hofbuchdruckerei, Stuttgart.

(Selbstanzeige.)

Der Verfasser hat die große Zahl englischer Schulbücher, womit der Büchermarkt täglich neu überschwemmt wird, um ein weiteres vermehrt, und wenn er kein anderes Verdienst dabei anzusprechen hätte, so dürfte er, gleich so vielen andern, seine Mühe gespart haben, ohne daß dadurch dem Publicum ein erheblicher Schaden erwachsen wäre.

Wenn er aber, auf die Erfahrung gestüßt, die Frage aufstellt, welches der bisher erschienenen Werke mit Einfachheit der Darstellung Bündigkeit und praktische Brauchbarkeit verbinde, so dürften bis jetzt schwerlich viele bekannt sein, die in befriedigendem Grade die verlangten Eigenschaften besäßen, die er seinem Werkchen zum Entzweck vorangestellt hat.

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