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die dem feinen Ohre des Slawen sehr auffällig ist. Der Böhme spricht nämlich die Tenues ohne allen nachfolgenden Hauch, obgleich scharf von den Mediä geschieden, und dann klingen sie sehr verschieden von unseren deutschen sein sollenden Tenues, die in der That mehr Aspiraten find. Diese Aussprache ist namentlich beim k sehr ins Ohr fallend, der Böhme überträgt sie gern ins Deutsche, so wie umgekehrt der Deutsche Mühe hat die Aussprache der reinen Tenues sich anzueignen. Ich gestehe, daß mir erst aus slawischem Munde klar geworden ist, wie eine echte Tenuis klinge. Wie gesagt, hat sich diese Aussprache dem Deutschen nicht in weiterer Ausdehnung mitgetheilt.

Dagegen herrscht in hiesigen Landen eine wahre Scheu vor dem Artikel (der Böhme hat noch keinen Artikel), noch mehr aber vor dem Pronomen der angeredeten Person. Es gilt als unfein von diesem Pronomen Gebrauch zu machen, anstatt dessen sezt man den Titel und redet in der dritten Person („der Herr Professor wünschen“) oder man läßt es geradezu aus: „Leben wohl, bleiben wohl auf” u. dergl. Diese Redeweise ist weit über die Gränzen Böhmens hinaus verbreitet, über Desterreich (Wien) und vielleicht selbst über die füdlicheren Kronländer. In dieser Gewohnheit das „Sie" wegzulassen, erkennen wir einen Slawismus, da das Böhmische nur ausnahmsweise, und in den angeführten und ähnlichen Wendungen nie, das Pronomen zum Verbum seßt. Was der Artikel beim Nomen, ist das Pronomen personale beim Zeitwort; der Einfluß des beide nicht besigenden Böhmisch auf das Deutsche ist in beiden Beziehungen vollständig parallel.

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Noch entschiedener tragen folgende Ausdrucksweisen den slawischen Typus an sich, die ebenfalls meistentheils auch im Wiener Deutsch, ja auch in gedruckten Büchern hier und da zu finden sind. Für nicht einmal" wird gemeiniglich „weder“ gesezt: „er hat mir weder einen Kreuzer gegeben," weder ani, noch ist slaw. ani ani heißt aber auch nicht einmal," so sezt man weder = ani; der obige Saz heißt z. B. böhmisch: ani krejcar mne nedal. Bite ten, wünschen u. dergl. Verba werden stets mit „damit" statt mit „daß" construirt, entsprechend dem slaw. aby, welches beide Bedeutungen hat; ich bitte, damit," prosím, aby u. f. w. Der Conjunctiv wird mit möchte" umschrieben, wie im Slawischen mit bych, bys, by, z. B.: Wenn schreiben möchten kdybyste psal=

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wenn Sie schrieben. Die auf allen österreichischen Speisezetteln figurirenden Adjectiva: „kälbernes, schweinernes" 2c. d. h. Fleisch für Kalbfleisch, Schweinfleisch entsprechen den Adjectiven, welche der Slawe statt der deutschen Zusammenseßung braucht: tilecí, reproví maso = Kalb, Schweinfleisch. „Auf“ für „zu, für,“ z. B. Geld auf Holz, peníze na dríví. — Ich stehe nicht darum" o to nestojím d. i. frage nichts darnach, achte es gering. Es steht nicht dafür" za to nestojí d. h. es ist es nicht werth, verlohnt fich nicht; státí za neco, etwas werth sein. —,,Ich bin gern" = prem rád, für: es ist mir lieb; dieß kommt daher, daß in der häufigen Redensart mán rád leßteres Wort dem deutschen „gern“ entspricht. ,,Geben“ für feßen, legen, stellen, stecken u. s. w., z. B. ,,gieb es auf den Tisch, in die Tasche" = dej na stul, do kapsy. „Schon nicht“ für nicht mehr (das Böhmische stimmt in dieser Ausdrucksweise ganz zum Lateinischen); jiz ne = jam non, nicht mehr. „Die Zeit, was er dort war“ und ähnlicher Gebrauch von,,was“ böhmisch co z, B. cas, co tam byl. Da die doppelte Negation im Böhmischen noch jezt durchaus gesezt wird, so weiß man nicht, soll man die entsprechende Construction im hiesigen Deutsch wie im übrigen deutschen Sprachgebiete für einen Archaismus oder für einen Bohemismus erklären. Die oben angeführten Ausdrucksweisen, denen gewiß noch viele beigefügt werden könnten, sind also ja nicht als deutsche Eigenthümlichkeiten des österreichischen Dialektes zu faffen, sondern es sind Slawismen, auf welche demnach ein Dialektforscher ein wachsames Auge haben muß. Aehnliches findet sich gewiß an allen Sprachgränzen, so ist mir aus dem rheinländischen Deutsch die Wendung,,ich habe kalt, warm," ein entschiedener Gallicismus, noch sehr wohl in Erinnerung.

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Noch schlimmer als das Deutsche durch Slawismen wird das gewöhnliche Böhmisch, namentlich hier in Prag, durch Germanismen verunziert. Wie schon erwähnt, ist die Einmischung des Deutschen in das Böhmische lerikalischer und syntactischer Art. Eine Unmasse deutscher Worte werden ohne weitere Umstände ins Böhmische herübergenommen, nicht selten hört man Säße wie: on mne kränkoval a angreifoval (er kränkte mich und griff mich an), on übersetzoval u reichstagu (er überseßte beim Reichstage) u. s. w., obwohl die böhmische Sprache für alle diese Begriffe oft mehr als einen Ausdruck bietet. Unser deutsches „gar" (freilich unüberseßbar – ich wüßte

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keine Sprache, die dieses Wörtchen völlig wiederzugeben im Stande wäre), ferner das mundartliche "halt" werden so wie „ia" in der Form von: gor, holt, jo völlig wie böhmische Wörter gebraucht, 3. B.: to je gor hezké, das ist gar hübsch, proc ne gor, warum nicht gar. Auch zu" beim Adjectiv, so wie „gut“ als Adverbium sind übergewandert. Aus syntactischen Germanismen wähle ich nur einen der greulichsten aus, nämlich den Gebrauch des Plurals des Pronomens on, er, also oni für alle Geschlechter als wörtliche Uebersegung des deutschen „Sie“ in der höflichen Anrede. Der gebildete Böhme bedient sich wie der Franzose, Engländer 2. der zweiten Pers. Pluralis in der Anrede, der geringe Mann fühlt sich durch solche Anrede aber leicht zurückgesezt und hält oni (oder nach hiesiger Aussprache voni) für feiner. Dieser Germanismus verursacht nun Säße z. B. folgender Art: kdyby voni tak dobrá byli, wörtliche Ueberseßung von: wenn Sie so gut wären, in der Anrede an eine Frau; eine Construction, die sich lateinisch etwa so ausnehmen würde: si ii tam bona essent (denn voni ift plur. masc., dobrá sing. fem.). Dagegen ist es ein Verstoß Gebildete auf diese Art anzureden; im höheren Umgange enthält man sich aller Germanismen *).

Prag.

Prof. Dr. Schleicher.

*) Einen scherzhaften Bohemismus habe ich oben übergangen. Zu den zahlreichen bekannten Wendungen, die die deutsche Sprache besigt, um auszudrücken: einen Rausch haben, kommt noch folgende, in Deutschland unerhörte, nämlich einen Affen haben. Dieß ist die wörtliche Ueberseßung des böhmischen míti opici was im Böhmischen ein Wortspiel ist (opice Affe, opily betrunken), melches natürlich in deutscher Uebersetzung wegfällt.

Die historische Entwickelung

der

dänischen Schriftsprach e

von

C. Molbech.

Deutsch mitgetheilt von Dr. Edmund Zoller.

Ciascuna cosa studia naturalmente alla sua conservazione; onde se'l volgare per se studiare potesse, studierebbe a quella; e quella sarebbe, acconciare se a più stabilità. Dante, il Convito. I, c, 13.

1. Die dänische Schriftsprache, das Organ für die Literatur, wie sie gegenwär tig gäng und gäbe ist, und wenn man aus der Sprachgeschichte einen Schluß ziehen darf, wie sie für die dänische und norwegische Nazion gemeinsam bleiben wird, muß als die neuste aller europäischen betrachtet werden. Die Schriftz sprache selbst kann man jedoch etwas älter nennen, als die Literatur. Diese beginnt ihre Entwickelung vollständiger erst von der Mitte des achtzehnten JahrhunDerts an; eine dänische Schriftsprache gab es jedoch, obwol beschräukt und ohne Reichthum bereits im sechszehnten Jahrhundert. Sie blieb in dieser ungünstigen Lage, unterdrückt und arm durch die gelehrte Literatur, die sich der lateinischen Sprache bediente und an der auch Dänemark im 16. und 17. Jahrhundert sich nicht unbedeutend betheiligte; in ihrer Ausbildung schloß sie sich jedoch (bereits vor Luthers Zeit) an die hochdeutsche, wie früher schon an die niederdeutsche Sprachentwickelung; aber sie bewahrte sich in jenen Jahrhunderten großentheils eine mehr dänische Eigenthümlichkeit in der Sprachbildung und dem geringeren Wörtervorrath, als zu der Zeit, da unsre Schriftsprache nach einem bedeutenden Sinken zu barbarischem und pedantischem Sprachverderben, in welchem sie mit Deutschland Schritt hielt, sich zu heben und zu literarischer Entwickelung zu entfalten begann.

Was hier in den allgemeinen Grundzügen, mit wenigen Worten gesagt ist, wird durch das eine oder andre practische Erempel, das im Folgenden zitirt werden soll, Licht und Bestärkung finden. Beweise der Art_sind nicht überflüssig. Die Sprachgeschichte wird bisweilen sehr willkürlich oder so behandelt, als ob die Quellen nicht vorhanden wären, weil sie für manche Leser schwer zugänglich sind.

Eine so späte Literaturbildung konnte nicht ohne eigenthümlichen und bedeutenden Einfluß auf die Schriftsprache sein. Es gab gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts bei uns kein Bezügniß zwischen dem Stoff, den wir von der geistigen und wissenschaftlichen Cultur Europas aufnehmen und uns aneignen mußten und zwischen der Sprachbildung, der man dazu bedurfte, um diesen Stoff in der Muttersprache zu bilden und bearbeiten. Hatte diese Bearbeitung und Bereicherung der Sprache im 17. Jahrhunderte auch nicht stagnirt, so hatte sie doch auch nicht Schritt gehalten mit der wissenschaftlichen Cultur, die einzelne Gelehrte durch den Besuch fremder Universitäten erwarben und die sie später durch lateinische Schriften in die Heimath verpflanzten; während es von der Mitte dieses Jahrhunderts_an_zum guten Ton gehörte, daß der Adel und die Vornehmen von ihren Reisen im Auslande zwar weniger Kenntnisse und hohe Bildung, aber desto mehr Verachtung und

Gleichgültigkeit gegen die vernachlässigte und aus mehr als einer Sphäre verdrängte Sprache mit nach Hause brachten. Gerade wie jezt überhaupt in Europa die französische Sprache die lateinische in allen diplomatischen Verhandlungen ablöst, so wurde sie auch die allgemeine Hofsprache, während beim dänischen Hof von Friedrich III. Zeit an deutsch mehr und mehr zur täglichen Umgangssprache ge= worden und sich in der adeligen und vornehmen Welt verbreitete. Diese Noth der dänischen Sprache machte sich bald so fühlbar, daß die Klagen über den vernachlässigten Gebrauch und den Verfall schon frühe (1674) laut wurden und zwar, wo man es am wenigsten erwarten sollte, auf dem Katheder der Universität, in laz teinischer Sprache, und von dänischen Gelehrten, welche ernstlich beklagten, was fie zu ändern, vor allen Andern, berufen waren. Es ist dies ein bisher in der Literaturgeschichte kaum berührtes Phänomen, das wohl einer näheren Berührung werth ist.

2. Es mag uns sonderbar erscheinen, einen berühmten Professor der Kopenhagener Universität mit seiner römischen Beredtsamkeit und Dialectik beweisen zu sehen, wie nothwendig und möglich es sei, die Sprache auszubilden, welche die Natur Jedem gegeben hat, während er zugleich das Verderbliche nachwies, was in dem Vorurtheile liegt, die Landessprache sei geringer, als fremde und todte Spra chen, die man erst lernen müsse. Aber es war mehr beklagenswerth, als sonderbar, daß Rasmus Barthölin (einer der sechs gelehrten Brüder, der Söhne Caspar Bartholin's des Aelteren) selbst einen practischen Beweis davon abgeben mußte, daß er nicht im Stande sei, dem nachzuleben, was er Andern auf das Nachdrücklichste einzuschärfen suchte. Dessenungeachtet müssen wir es merkwürdig genug finden, daß er bei dieser Gelegenheit nicht an sich selbst dachte und auch zu vergessen schien, daß er einen jüngeren Bruder Thomas Bartholin batte, der durch zahlreiche lateinische Werke sich und seinem Familiennamen eine europäische Berühmtheit erworben hatte, welche damals nicht leicht übergangen werden konnte und von deren Glanz ein bedeutend Theil auf sein Vaterland fallen mußte. Aber Rasmus Bartholin, der nach der Sitte seiner Zeit seine mathematischen, physischen und medizinischen Schriften und Abhandlungen lateinisch herausgab, hat deshalb nicht minder tief gefühlt, was seine Landsleute überhaupt durch den Mangel an lesbaren Schriften in der Landessprache leiden mußten. Er war ohne Zweifel unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts der Erste, wenn nicht der Einzige, der vom wissenschaftlichen, wie vom populären Standpuncte mit academischer Gelehrsamkeit die Sache der Muttersprache vertrat und zu beweisen suchte, daß Bücher in dänischer Sprache geschrieben werden müßten, um einerseits das Volk an die Lectüre zu gewöhnen und dadurch dem entsittlichenden Müßiggang entgegenzuarbeiten, wie andrerseits um nügliche Kenntnisse, Einsicht und Aufklärung auch bei den arbeitenden Volksclassen zu verbreiten.

Er nennt zum Beispiel Ackerbau und technische Künste als solche Gegenstände, deren Behandlung in dänischen Schriften sowol für diejenigen, welche darin ihre Erwerbsquellen suchen, als für des ganzen Landes Wohlstand von Nugen wären. Er, der selbst nicht weniger als zehn Jahre auf seine ausländischen Reisen und Studien verwandt hatte, entwickelt vom Standpunct des Patriotismus aus, wie doch Alles, was man auf den langen und mühsamen Reisen im Ausland zu erreichen, kennen zu lernen, zu beschauen und sich anzueignen suche, feinen andern Zweck haben könne, als die Früchte davon zum Nußen des Vaterlandes zu ver wenden; und daß es nicht genug sei, was man in Wissenschaften oder practischen Künsten zu wissen brauche, durch eine oft dürftige mündliche Unterweisung zu lernen; sondern man müsse weiter gehen durch eigne Grundsäße und Studien. Dazu brauche man Bücher in einer Sprache, die Allen zugänglich sei: und wie man gesehen, daß man über göttliche und religiöse Dinge dänisch schreiben könne, so müsse man alle nüßlichen Künste und Wissenschaften in dänischer Sprache behandeln. Um dies zu ermöglichen, dürfe man nur die Kräfte der Muttersprache benußen, dieses kostbare Eigenthum entwickeln und bereichern und sich nicht durch das falsche Vorurtheil der Mangelhaftigkeit abschrecken lassen. Durch den Gebrauch der Sprache werde ja eben diesem Mangel abgeholfen; und wenn man über ihre Unvollkommen

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