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ganze Phrasen zu compositis zu stempeln (un beau venez-y- voir, un dit-on, un je-ne- sais - quoi, un meurt-de-faim). Daneben ist freilich auch der délicatesse ein bedeutender Spielraum gelassen, wovon später die Rede sein wird.

Die Ergebnisse dieser Studien über die légèreté knüpfen sich, wie sich der Verfasser praktisch überzeugt hat, leicht an eine Rundschau Versaille's. Nur muß sämmtlicher gelehrter Apparat für die am Ende des Ganzen nachzutragenden Noten aufgespart werden, das mit die Leichtigkeit der Darstellung unter solchem Ballast nicht leide. Die gewöhnlich so verwais'te avenue de Sceaux nebst ihren Schwestern, die höchstens, wenn die grandes eaux angekündigt sind, sich beleben, eignet sich vortrefflich für solche Meditationen. Es würden nun noch zum Schlusse des Kapitels die Repräsentanten der légèreté in der Tagesliteratur von diesem Gesichtspunkte aus zu kritisiren sein, doch erscheint es zweckmäßiger, die Betrachtung der mit der légèreté so innig verwachsenen délicatesse vorausgehen zu lassen. In der poetischen,,salle des marronniers" und den andern schönen Punkten des Parks zu Trianon wird diese am besten besprochen, wobei, außer den détails, besonders die causerie und der esprit unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Die sich dann anschließende literärische Critik würde die Namen: Alexander Dumas, A. Dumas fils, J. Janin, Charles de Bernard, Elie Berthet, Jules Sandeau, Paul de Kock, Xavier de Montépin umfassen und uns so die verschiedenen Nüancen der légèreté und délicatesse an einzelnen mehr oder weniger hervorragenden literärischen Produkten französischer Zeitgenossen versinnlichen. Vielleicht, daß wir in einem zweiten Artikel auch die Resultate dieser Studien den geehrten Lesern dieser Zeitschrift vorführen werden.

Kaffel.

Dr. Wilh. Falckenheiner.

Studien über Molière.

Zweiter Artikel.

Les précieuses ridicules.

Dies kleine Luftspiel, das schon 1695 aufgeführt wurde und das Molière wider Willen drucken ließ, um, wie die wißig und fein geschriebene Vorrede dazu besagt, der Verbreitung eines ihm gestohlenen Manuscriptes zuvorzukommen, ist von großer Wichtigkeit. Alles ist neu in demselben; es ist sein erstes Stück in Prosa, seine erste Sittenkomödie; er macht sich hier zum ersten Mal ganz los von Nachahmung des Ausländischen und Antiken, greift keck in die nächste Wirklichkeit hinein und verspottet mit überlegenem Verstande und köstlicher Laune eine der größten Verkehrtheiten seiner Zeit. Es ist der erste Wurf seines erwachenden Genius, das erste ächt französische Lustspiel, das einen unendlichen Einfluß auf die von ihm geschaffene Gattung gehabt, das den Geschmack seiner Zeit verbessert und selbst auf Reformirung der gesellschaftlichen Sitten Einfluß geübt hat. Er fühlte felbst, daß ihm der kühne Wurf gelungen war, und sagte bei der ersten Vorstellung: „Jezt brauche ich den Plautus und Terenz nicht mehr zu studiren, sondern nur noch die Welt und die Menschen!" Ein alter Mann im Parterre rief ihm zu: „Muth, Muth, Molière! Das ist das wahre Lustspiel!" Und ein anderer Zuschauer meinte: er hätte 20 Sous hineingetragen und für 10 Pistolen gelacht.

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Noch nie hatte eine Theatervorstellung ein solches Aufsehen gemacht; das Stück wurde Monate lang hinter einander gespielt, die Eintrittspreise wurden erhöht, der Hof, der gerade in den Pyrenäen war, ließ es dorthin kommen und ergözte sich daran. Doch zugleich mit dem Enthusiasmus für den Dichter begannen auch die Verfolgungen neidischer Nebenbuhler, die ihn des Plagiats beschuldigten, der Schauspieler des mit seiner Bühne rivalisirenden hôtel de Bourgogne, die er darin persiflirt, der Marquis und der adeligen Blauftrümpfe, die er lächerlich gemacht hatte.

Die sehr einfache, zum Theil einem Stücke des Chapuzeau entlehnte Handlung besteht in Folgendem: Zwei von der damals in

den höheren Kreisen herrschenden Schöngeisterei befallene Bürgerstöchter sind auf einmal vornehm geworden und lassen ihre früheren Liebhaber gegen den Willen des darüber erbosten, derbvernünftigen Vaters fahren, weil dieselben ihrer jezigen Gemüthsrichtung und ihren neuen Idealen nicht mehr entsprechen. Die Herren wissen sich aber zu rächen; sie schicken ihren difficil gewordenen Schönen ihre als Marquis verkleideten Bedienten zu, und diese verstehen es, sich durch allerlei renommistische Redensarten, durch vornehme Grimassen und Schönthuerei bei den Närrinnen zu infinuiren. Sie sind damit im schönsten Zuge und machen reißende Fortschritte. Fräulein Cathos und Madelon, ganz erfreut und sich gehoben fühlend durch die vornehme Bekanntschaft und schwelgend in der geistreichen Unterhaltung so gebildeter Herren der Bedienten, die allerlei aufgeschnappt haben und, obgleich mitunter durchfallend, doch im Ganzen ihre Sache recht gut machen, haben sich schon tief mit ihnen eingelassen und veranstalten ihnen zu Ehren ein musikalisches Divertissement. Da plößlich erscheinen ihre Gebieter, walken sie tüchtig durch, tüchtiger als verabredet war, und ergößen sich an der Verdußtheit der beschämten Schönen. Vater Gorgibus, der jezt Recht bekommen hat und den die unverbesserlichen Töchter nicht haben hören wollen, ruft zum Schluß aus: „Jezt haben wir's, jezt werden wir die Fabel der ganzen Stadt; geht hin und verkriecht Euch, ihr albernen Dinger, verkriecht Euch für immer. Und Ihr, die Ihr Ursache dieser Tollheit seid: Ihr verdammten Romane, Ihr Verse, Chansons, Sonnetts und Sonnettinnen (sonnets et sonnettes), möge der Teufel Euch holen!"— Diefer polkernde Alte, der Vorläufer der späteren philiströsen Väter, die beiden Blaustrümpfe, die Urbilder der femmes savantes, die erst Jahre lang geliebt sein wollen, ehe sie sich zum schweren Schritt der Heirath entschließen, die gleich Mademoiselle de Rambouillet ihre plebejischen Vornamen in edlere umtauschen, die ein bureau d'esprit gründen wollen, die, wenn sie sie auch nicht immer verstehen, stets in gewählten Ausdrücken sprechen und das große Wörterbuch der Preciösen von Somaise scheinen auswendig gelernt zu haben, die Magd Marotte, cin Vorbild der späteren Dodinen, die kein Latein versteht und nicht wie ihre Herrschaft die Philopie im großen Cyrus gelernt hat, sind Charakterentwürfe, welche später in den femmes savantes cine sorgfältige Ausführung bekommen. — Molière copirt sich oft selber, verfährt aber dabei, wie bei seinen Entlehnungen,

stets schöpferisch und weiß aus seinen Vorbildern durch mannigfache Nüancirung stets etwas Neues zu machen. La Grange, der eine der beiden Verschmähten, charakterisirt die beiden Närrinnen in der auch hier wieder vortrefflichen Erposition sehr gut, indem er sie ein mixtum compositum von Blaustrumpf und Coquette nennt. Die beiden Bedienten, der den Schöngeist spielende Maskarill, Molière's Anfangs von ihm in einer Maske gespielte Rolle, und der wie ein miles gloriosus renommirende Jodelet, des berühmten Précourt's Rolle, die nach Molière's Alles pikant machender Weise Anspielungen auf seinen Privatcharakter enthielt, sind sehr lustige Conceptionen. Der Gegensah zwischen der ursprünglichen Bedientennatur und der anges nommenen Vornehmheit, in die sie immer besser hineingerathen, in der ste sich immer besser gefallen, ist ein vortrefflich benußtes, eben so komisches als bühnenwirksames Moment.

Kurz, Alles in diesem Stücke, die Situationen sowohl, wie die Intrigue und die Charaktere sind dramatisch gedacht, haben eine große sinnliche Anschaulichkeit und verkünden schon entschieden Molière's Beruf zum Bühnendichter und Luftspielschreiber, wozu ihm sein Stand als Schauspieler den größten Vorschub leistete. Noch bedeutsamer ist es aber, wie er schon gleich zu Anfang seiner Laufbahn den rechten Punkt zu treffen wußte, durch den das Lustspiel ein Spiegel der Zeit wird. Wüßten wir nichts Näheres vom damaligen gesellschaftlichen Geiste, so reichte dies eine Stück schon hin, uns ein Bild deffelben zu geben. Indessen die Memoiren und Briefe dieser Periode sind reich an Einzelheiten darüber, die ich hier kurz zusammenstellen will. Man wird sehen, daß selbst da, wo der Dichter zu übertreiben scheint, Wahrheit zum Grunde liegt. Sein Genie bestand darin, daß, wenn er auch nicht immer als der Erste die Verkehrtheit einer Zeitrichtung erkannte, doch immer der Erste war, der sie zu carrikiren und in handgreiflicher Gestalt hinzustellen wußte.

Ursprünglich war der Name einer Precieuse kein Spottname. Molière, der in der Vorrede betheuert (denn er mußte Rücksicht nehmen), er habe nur die falschen, die lächerlichen, nicht aber die ächten im Auge, hat ihn erst dazu gemacht.

Es versammelte sich nämlich bei Mademoiselle de Rambouillet, später bei Madame Montaufter eine Gesellschaft schöngeistiger Herren und Damen, ein Verein, an dem Leute von Genie wie Pascal und

Larochefaucould Theil nahmen, und wo mittelmäßige Talente wie Chapelain, Voiture und Balzac den Ton angaben.

Das Streben nach ästhetischer Bildung, welches diese Zusammenkünfte veranlaßt hatte, artete bald in Schönseligkeit und Affectation aus, und die romantische Liebe, die noch als ein ferner Abglanz des Mittelalters herüberwinkte, in bloße Galanterie. Es gab da nur Galanterie und keine Liebe, sagt Ménage im zweiten Bande seiner Ménagiana, Seite 8.

Dieser Umschlag in Zeitgeist und Sitte steht wahrscheinlich mit den im Gefolge der Medicis nach Frankreich gekommenen Italienern in Verbindung. Die eraltirten, in den Romanen der Zeit belesenen Damen maßten sich neben Leitung und Aufrechthaltung des bon ton auch allmälig ein Urtheil über Prosa und Verse an und gefielen sich immer mehr in einer gesuchten Redeweise, in der der von ihnen besonders protegirte Sonnettist Voiture sehr stark war; und so wurde der Impuls gegeben zu jenen pointenreichen Conversationen, zu jenen Romanen, Epigrammen, Sonnetten und galanten Couplets, zu jenen Memoiren, Familienportraits, Briefsammlungen, Charaden, Akrostichen und Gesellschaftsspielen, die damals Frankreich überschwemmten und Zeugniß geben von jener conventionellen, der Wahrheit, Natur und reinen Poesie entfremdeten Bildung und Geistesrichtung. - Die satyrischen Anspielungen unseres Stückes gehen besonders auf die Romane der Fräulein Scudéry und der Madame de la Fayette, welche mit preciöser Prüderie anonym schrieben. Sie wurden, so verschroben es auch darin zugeht, nicht allein das Regelbuch der galanten Conversation, sondern auch der Sitten und des guten Tons. Die Ansicht der Madelon, wie ein anständiger Liebhaber Jahre lang zu feufzen, wie er die verschiedenen Stufen des doux, des tendre und des passionné durchzumachen habe, ehe er zur Heirath, die Cathos im Ganzen chokant findet, kommen dürfe, ist jenen Büchern entlehnt. Doch begnügte man sich nicht mit Romanen, es kamen der größeren Anschaulichkeit wegen auch Landkarten der Liebe heraus, wo unter Anderem zu sehen war: le fleuve de l'inclination, la mer d'intimité, le lac d'indifférence, le royaume de coquetterie, la ville de tendre, die nur erobert werden konnte, nachdem man das village des billetsgalants und den hameau des billets-doux durchschritten hatte. Labruyère sagt von den Preciösen: „Sie ließen dem gemeinen Volke die Sorge, verständlich zu sprechen. Durch das, was sie

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