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1.

In seiner Mittelenglischen Grammatik § 122 hatte Morsbach von den nördlichen Reimen zwischen me. ō und й gesagt, sie könnten 'nur durch eine Annäherung des alten [ō] an [u] erklärt werden'. Unter [u] versteht er ein dem o nahestehendes offenes u, welches der Lautwert des me. й war. Er vertritt also hier die Auffassung, dafs sich me. ō auch im Norden der u-Qualität genähert habe.

Nun kam ich mit meinen 'Untersuchungen' und zeigte neuerlich, was andere schon ausgesprochen hatten, dass me. ō im Norden eine wesentlich andere Entwicklung einschlug als im Süden. Während es hier im 15. Jahrhundert zu [u] vorrückte, trat im Norden schon vor dem 14. Jahrhundert eine eigentümliche Veränderung ein, die schliesslich zu einem ü-artigen Laut führte, ohne dafs aber bei dieser Entwicklung der Weg über die u-Qualität geführt hätte. Die Reime mit u-, lehrte ich, kämen daher, dass u- zu ō geworden war, bevor dieses noch seine speciell nordhumbrische Entwicklung angetreten hatte. Nur um ae. -, nicht auch um й (in geschlossener Silbe) handle es sich aber bei diesen Reimen.

Morsbach stimmt in den meisten Punkten zu. Nun ist auch er der Meinung, dafs me. ō zu zwei früh-neuenglischen Entsprechungen führe, [u] im Norden, [u] im Süden (S. 61). Er giebt auch zu, dass 'das ō im Norden dem u- lautlich nahe oder vielleicht schon gleich war' (S. 63). Überraschenderweise fügt er aber hinzu: 'wie dies auch schon in der Me. Gramm. § 122 gesagt war'. Hier ist ihm nun ein grofser Irrtum unterlaufen. Dort war die Rede von й im allgemeinen und nicht von ŭ-. Das ist aber eine Unterscheidung von allergröfster Bedeutung: die lebenden Mundarten halten ae. u in geschlossener Silbe überall von me. ō getrennt, und nur й- zeigt Berührungen mit diesem: ein Verhältnis, das ja auch in den mittelenglischen Reimen uns entgegentritt. Morsbach hat nicht etwa unter й blofs - im Auge gehabt; er ist sich vielmehr der Notwendigkeit dieser Unterscheidung sowie des Abstandes meiner Lehre von der seinigen nicht bewufst geworden, denn im weiteren Verlaufe spricht er ausdrücklich davon, dafs me. ō dem u- und u nahestand oder ihm gleichkam (S. 69, 73). Er hat eine klare und höchst wichtige Scheidelinie, die in den lebenden Mundarten zu Tage tritt, nicht in ihrer Bedeutung erkannt und gewürdigt. Wenn er daher einmal sagt, meine Untersuchung der Mundarten hätte für das Mittelenglische weit weniger Neues ergeben, als man hätte erwarten dürfen (S. 60), so rückt diese Bemerkung in ein merkwürdiges Licht.

Infolge dieses Versehens ist Morsbach bezüglich der Lautqualität des õ auf Irrwege geraten. Wir hätten nach ihm in spät-mittelenglischer Zeit im Norden drei u-artige Laute zu unterscheiden: 1) die Entsprechung von ae. ó, 2) die von ae. й- und й, 3) die von ae. u. Die ersten beiden sollen qualitativ einander nahestehen oder gleichkommen, so dass sie einen nur quantitativ ungenauen Reim bilden konnten (S. 69, 73). Dagegen sollen sich 2) und 3) deutlich voneinander abgehoben haben (S. 69), d. h.

doch wohl auch qualitativ so verschieden gewesen sein, dass man sie nicht reimen liefs. Nun zeigen die modernen Dialekte, dafs zwar u- und ō sich berühren, die Entsprechung des u aber überall von der des ō auch qualitativ scharf geschieden ist: sie ist [u] oder [»], letztere [ü, ö, iu, iə] u. dgl. Andererseits gewahren wir, dafs me. ŭ (aus ae. u) im grössten Teil von Ellis' Norden (in den Strichen zwischen seinen Linien 6 und 8, also in fast ganz Yorkshire, Westmoreland, Cumberland und angrenzenden Gebieten) noch heute der Entsprechung des me. u qualitativ nahesteht oder gleichkommt, da es hier [u] lautet, me. u aber [u], und höchstens eine Unterscheidung zwischen offener und geschlossener Qualität besteht. Es tritt somit gerade das Umgekehrte von dem zu Tage, was Morsbach behauptet. Dafs aber dieser Zustand in mittelenglische Zeiten zurückreichen muss, ist von vornherein klar und wird durch die me. nordh. Reime bestätigt: me. ō wird weder mit me. ū noch mit ŭ (aus ae. ŭ), sondern nur mit der Fortsetzung von ae. ŭ- gebunden. Da nun noch heute me. u überall, me. ŭ im gröfsten Teil des Nordens u-Qualität hat und diese doch gewifs etwas Altes sein mufs, folgt aus der scharfen Trennung des me. ō von diesen beiden in alter wie in neuer Zeit doch auch vom Standpunkt Morsbachs aus, dass hier me. ō der u-Qualität nie sehr nahe gekommen sein kann.

Allerdings sucht Morsbach seinen Lesern (S. 62) darzulegen, dass ich mir zwischen dem ursprünglichen und dem schliesslichen ü auch einen u-haltigen Laut gedacht habe und somit von seiner Lehre in der Mittelengl. Gramm. nicht abweiche. Aber das ist nur ein Spiel mit Worten, das dadurch ermöglicht wird, dass er einen aus dem Zusammenhang gerissenen Satz meiner Darlegungen mit einseitigem Nachdruck auf einem Worte in seinen Gedankengang einfügt. Ich hatte ausgeführt, dass der neue Laut des ae. ó im Nordhumbrischen zunächst, ohne u zu sein, doch ihm nicht sehr ferne gestanden haben kann, weil frühe Kürzungen wie in other u. dgl. zu demselben Ergebnis wie sonst u führen. Von drei Lauten, die wir uns nun a priori als erste Stufe der Modifikation des alten ō denken könnten, stehe einer, entrundetes ō (also mid-back-unround), dem ū am nächsten. Morsbach fasst diesen Superlativ, indem er die verglichenen Laute übergeht, als Elativ, als 'höchst nahe', und findet, dass auch ich 'zunächst einen u-haltigen oder mindestens u-ähnlichen Laut' mir als Wiedergabe des vorstelle. Aber mit meinen Worten ist doch nicht gesagt, dafs der neue Laut, absolut genommen, dem ū sehr nahe gestanden haben muss, und noch weniger, dass er ‘u-haltig' war. In diesem Sinne habe ich Archiv XCVIII, 438 gesagt, dass ' im Norden niemals dem u genähert' war, d. h. nicht, wie im Süden, dem Vokalextrem zustrebte, sondern 'seit dem 14. Jahrhundert ein ü-artiger Laut', d. h. eine Vorstufe des ü, welches für das 16. Jahrhundert gesichert ist.

2.

Dals Morsbach den einschneidenden Unterschied zwischen Nord und Süd nicht voll gewürdigt hat, rührt auch daher, dafs er über gewisse

modern-dialektische Verhältnisse vorschnell urteilt und dadurch zu schiefen Auffassungen gelangt. Das me. wird nicht nur auf nordhumbrischem Boden durch ü/ö (bezw. darauf zurückgehende Laute) wiedergegeben, sondern auch auf zwei kleineren Gebieten im Südwesten und in Ellis' Osten (West-Somerset, Devon und Cornwall einer-, Norfolk und Suffolk andererseits; Untersuch. § 109). Ich hatte (eb. § 120, 134) auf Umstände hingewiesen, die wahrscheinlich machen, dass diese südhumbrischen ü/ö jüngeren Ursprungs, d. h. erst in neuenglischer Zeit aus dem gemein-südenglischen [u] für me. ō entstanden und von der nordhumbrischen Entwicklung zu trennen sind. Morsbach will das nicht gelten lassen (S. 62, 271) und meint, wir hätten hier denselben Vorgang wie im Norden. Inzwischen habe ich, hauptsächlich angeregt durch eine Studie eines meiner Schüler über den Dialekt von West-Somerset, die hoffentlich bald veröffentlicht werden wird, ein neues und ganz zwingendes Argument für meine Auffassung gefunden.

Es giebt einige me. ū (geschr. ou), die trotz ihrer Stellung unter dem Hochton die Diphthongierung zu [au] nicht mitmachen, sondern ihre Lautung bis auf den heutigen Tag bewahren, nämlich die ū vor Labialen: room, co(0)mb ("Thalmulde'), tomb, droop, stoop, coop, loop, whoop aus me. roum, coumb, toumbe, droupen, stoupen, *coupe, loupe, houpen. Über die Gründe dieser Erscheinung habe ich Anglia XVI, 500 ff. gehandelt. Das sind also Fälle, in denen unzweifelhaft in früh-neuenglischer Zeit die Lautung [u] gegolten hat. Wo sie heute einen ü/ö-Laut aufweisen, mufs die Entwicklung, die zu diesem führte, über früh-ne. [u] gegangen sein. Das ist in der That der Fall im Südwesten und Osten, nicht aber im Norden.

Von den hierhergehörigen Wörtern ist glücklicherweise eines, room, in Ellis' Wortliste, als Nr. 656, enthalten. Auf nordhumbrischem Boden, wo überhaupt gar kein me. u diphthongiert wird, ist es auch in diesem Wort erhalten; höchstens ist es verkürzt zu ù (Halblänge) oder ŭ. Das ausführlichere Material Murrays bietet noch einen zweiten Fall: loop (S. 148). An einem Punkt des mittleren Yorkshire (301) treffen wir allerdings denselben ea/ia-Diphthong, der sich sonst in diesen Dialekten aus dem ü für me. ō entwickelt hat. Aber das kann keine organische Entwicklung sein: für diese Gebiete haben wir ja schon nachgewiesen, dafs der Weg von ō zu ü nicht über z führte, was denn auch das Verhalten aller anderen nordhumbrischen Dialekte bezüglich room u. dgl. bestätigt. Wenn aber sogar dieser Einzeldialekt von allen übrigen abgewichen wäre und die Entwicklung zum ü hier wirklich über ü geführt hätte, so hätte sie doch alle me. u ergreifen müssen, da diese ja nicht diphthongiert wurden. Thatsächlich sind sie aber noch heute als u erhalten. Wir haben vielmehr klärlich eine Lehnform vor uns, die entweder südlicheren Dialekten oder der Schriftsprache entnommen ist, und zwar in der Weise, dafs das südenglische [u] von room durch denselben Laut wiedergegeben wurde, der sonst dem südlichen [u] in do, soon, moon u. dgl. entspricht, nämlich ea/ia. Derartige Übersetzungen aus einem Lautsystem

in ein anderes werden weiter unten (S. 65 f.) noch näher besprochen werden.

Anders verhält es sich nun in den kleineren südhumbrischen ü/öGebieten. In West-Somerset erscheint in room, droop, stoop, coop, loop, whoop nicht [u], sondern [ö] (Elworthy 52). Dasselbe gilt nach Ellis in Süd-Devon (112) in room. Im östlichen ü/ö-Gebiete finden wir zunächst in Nordost - Norfolk (192) [ŭ] ebenso wie in good, look (während me. ŭ durch (1) wiedergegeben ist). In Ost-Suffolk (194) aber gilt derselbe öüDiphthong, der auch sonst vor m anstatt des normalen ü auftritt, so dass room vollkommen auf bloom und broom reimt. An den übrigen Punkten ist room leider nicht belegt.

Nun wäre ja die Möglichkeit einer schriftsprachlichen Beeinflussung, wie wir sie oben für einen Punkt Yorkshires annehmen mussten, an sich nicht ausgeschlossen. Aber da alle hierhergehörigen Dialekte übereinstimmen, und namentlich da in West-Somerset sämtliche überhaupt vorkommenden Fälle von me. u vor Labial diese Entsprechung zeigen, müssen wir annehmen, dass wir eine lautliche Entwicklung vor uns haben, und es geht aus dem Sachverhalt mit völliger Sicherheit hervor, dass in diesen Gebieten die Entwicklung von me. ō zu ü über früh-ne. [ū] führte, somit ein sekundärer, ganz junger Vorgang ist, der erst von dem gemein-südenglischen [ū] für me. ō abzweigt. Dazu stimmt ja auch aufs beste, wie man sieht, das Verkürzungsprodukt in 192. In West-Somerset giebt es noch eine Reihe ü/ö für früh-ne. [u] aus anderen Quellen, auf die ich demnächst zu sprechen kommen werde. Vorläufig erwähne ich nur noch gouge, wo das Unterbleiben der Diphthongierung des me. ū wie in der Schriftsprache zu erklären ist (vgl. Anglia XVI, 504).1

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Wir haben es also bei den üö-Lauten für me. ō nördlich und südlich des Humber mit ganz verschiedenen Dingen zu thun: dort entstammen sie einer schon mittelenglischen Entwicklung, hier sind sie eine speciell neuenglische Erscheinung. Gewisse Reime und Schreibungen des Norfolkers Osbern Bokenam, die sich scheinbar nordhumbrischem Brauche zur Seite stellen, sind daher nicht wie dieser zu erklären. Wenn er gelegentlich suth, tuk, stude für sooth, took, stood schreibt, so ist das nicht, wie Morsbach meint (S. 271), ein Anzeichen dafür, dass hier derselbe Vorgang eingetreten ist wie im Norden, denn das heute allerdings in Norfolk geltende ü ist erst innerhalb der neuenglischen Zeit aus älterem [u] entstanden. Reime von me. und ae. - bei ihm weisen aber nur darauf hin, dafs ō bereits zu [u] oder Nahestehendem geworden war.

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Anhangsweise sei erwähnt, dafs nach Ausweis des Wortes room in Ellis' Wortliste die Entwicklung von me. u vor Labialen auf dem übrigen südhumbrischen Gebiet zumeist mit der in der Gemeinsprache übereinstimmt. Nur im nördlichen und westlichen Mittelland sowie an einigen nahen Punkten des Nordens ist Diphthongierung bezeugt, nämlich in 25 (westl. und südl. Cheshire), 21 (nordwestl. Derby), 24 3, 4, 5, 9 (südl. Yorkshire), 224 (mittl. Lancashire), 31 1b, 2b (nordwestl. Lancashire), 316 (südl. Durham).

Zeigt aber dieser Fall nicht abermals, wie sehr die mittelenglischen Verhältnisse durch die neuenglischen Mundarten aufgehellt werden?

3.

Auch in anderen Fällen ist Morsbach in der Beurteilung moderndialektischer Verhältnisse nicht glücklich. Die Belege für me. ō aus ae. ŭsind für ihn eine noch ungelöste Frage (S. 61 ff., 279). Speciell die im südschottischen Dialekt Murrays hält er nicht für beweiskräftig. Hier wird me. ō durch (ə) wiedergegeben. Dafs nun aus den (ə) für ae. ŭin love etc. auf eine mittelenglische Basis geschlossen werden kann, leugnet er, weil dieser Laut sich auch in Fällen finde, wo sicher kein ō zu Grunde liegt, nämlich in tusk, ruth, could. Ich hätte, meint er, von diesen Fällen keine Notiz genommen, wohl weil sie schwer zu deuten wären. In der That! Sollte ich wirklich so naiv gewesen sein? Sollte ich nicht etwa gute Gründe gehabt haben, trotzdem an meiner Deutung festzuhalten? Fälle wie die angeführten sind sogar in viel gröfscrer Anzahl vorhanden, und doch kann an der Rückführung des (ə) in love auf me. ō nicht gezweifelt werden.

Vorerst bemerke ich, dafs Ellis' (ə), Murrays ui ein ö-Laut ist, den Murray als mid-front-round bezeichnet und dem in frz. peu gleichstellt (S. 103, 113). Seine Quantität wird durch speciell südschottische Gesetze geregelt: es ist lang im Auslaut, vor r, %, v und d, sonst kurz. Doch ist die schottische Länge eigentlich Überlänge, die Kürze Halblänge. Der Laut ist von allen anderen scharf geschieden, namentlich von der Entsprechung des me. й, von (4), die nach Murray mid-back ist (S. 103) und der südenglischen Lautung des u in nut, up nahe kommt (S. 110).

Wenn man nun das Material Murrays, namentlich seine Zusammenstellungen S. 142 ff. durchgeht, so zeigt sich, dass (ə) die normale Wiedergabe von me. ō und inlautendem ü in französischen Lehnwörtern ist, von ersterem auch in ford, board, hoard (wie im Früh-Neuenglischen, vgl. Anglia XVI, 455 ff.), von letzterem auch in Fällen wie judge, just, fusty. Aufserdem findet sich (ə) noch:

1) in den Präteritis should, could, bore, shore, swore, tore, wore, wove, froze, let, set, cast (S. 203 ff.). Neben formen gelten bei could, should mit dem auf me. ū zurückweisenden Laute, bei tore und wove mit der Entsprechung des me. §;

2) für me. eu in geschlossener Silbe: truth,1 ruth;

3) für centralfrz. o bezw. ou, norm. u in (romanisch) vortoniger Silbe in country, cousin, cutler, gutter. Ebenso in dem erst in neuenglischer Zeit entlehnten gusset;

4) in folgenden Einzelfällen: (smər) 'smother' gegenüber ae. smorian; sprout gegenüber ae. sprútan, sprot, sprota; build aus ae. byldan; doleful

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Von Ellis S. 718 fälschlich mit (au) angegeben. Vgl. Murray S. 149.

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