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originalen Gibeoniterdrama nur minderwertige Gelegenheitsgedichte, eine Reihe lyrischer und dramatischer Werke, die dem abgestandenen Thema kaum eine neue Seite abgewonnen haben würden, vielleicht eine Umarbeitung der Fischer', einer Komödie, deren Manuskript bei dem Glogauer Brande arg beschädigt worden war, wahrscheinlich aber kein erfrischendes Lustspiel, keine bedeutende Schöpfung mehr. Gryphius' Kraft war gebrochen. Durch die Schranken der Zeit gefesselt, war er von ihr überholt worden.

Dals seine Dichtungen dem Geiste der Epoche entsprachen, beweist der Ruhm, den er bei Lebzeiten genofs. Lohenstein nannte ihn den deutschen Sophokles; der Holländer Adriaan Leeuw stellte ihn mit den griechischen Tragikern in eine Reihe; die fruchtbringende Gesellschaft' nahm ihn 1662 als den 'Unsterblichen' unter ihre Mitglieder auf.

Aber das Urteil der Geschichte wird nicht von der Gegenwart gesprochen. Seine Verherrlichungen christlichen Duldens sind heute ebensowenig ein Quell der Erbauung wie der einst vielgepriesene Messias' des ihm geistesverwandten Klopstock. Elias Schlegels Vergleich unseres Dichters mit Shakespeare darf höchstens den Anspruch einer litterarhistorischen Kuriosität erheben.

Als Gottsched 1724 den Intendanten des Dresdener Hoftheaters fragte, warum er nicht die Trauerspiele des Gryphius aufführe, erwiderte er ihm, man würde solche Stücke in Versen nicht mehr sehen wollen, zumal sie gar zu ernsthaft wären und keine lustige Person in sich hätten. Schäferspiel und Oper hatten Gryphius' Werke aus dem Felde geschlagen. Auch ihre Mission war nur eine vorbereitende. Aber sie schufen im Verein mit persönlichen und anderen Zeitumständen die Bedingungen, unter denen einem Sachsen gelang, was dem Schlesier mifsglückt war: dem englischen und französischen Drama ein ebenbürtiges deutsches an die Seite zu stellen.

Berlin.

Paul Haake.

Wulfstan und Cnut.

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In den Homilien, die Wulfstan1 gehören oder zugeschrieben werden, sodann in den Gesetzen 2 Æthelreds und Cnuts und endlich in den Abhandlungen über Kirche und Staat, besonders der Polity'," ist gegenseitige Abhängigkeit längst bemerkt worden. Wenn letztere Schrift dem 10. Jahrhundert angehören würde, so könnte sie nicht aus Cnut schöpfen; aber nur auf einem paläographischen Irrtum 4 ruht diese Meinung. Sie erwähnt Eadgar als längere Zeit verstorben und nennt die Grafen eorlas, 6 wo ein Früherer caldormen gesagt hätte. Sie entbehrt jedes Hinweises auf das Jahr 1000, womit die Prediger kurz vor dieser Epoche zu drohen pflegen.7 [Sie giebt sich auf zwei Seiten als Anrede des Bischofs an seinen Klerus, rührt folglich (wenigstens in diesem Stücke, das freilich auch nur anderswoher eingefügt sein kann) nicht vom Abte Ælfric9 her. Sie redet nicht nordenglisch, sondern die spät-westsächsische zowý der Litteratur-Prosa, und verrät auch inhaltlich keine Spur aus der Dena lagu. 10] Sie stimmt nun mit drei Stücken Cnuts wörtlich überein,

1 Ed. Napier 1883.

2 Ed. Liebermann, Ges. der Angels. I, 299. 303.

3 Ed. Thorpe, Ancient laws fol. 422. Die Einheit dieses Werkes wird

hier nur bequemeren Citierens wegen angenommen.

4 Thorpe p. XI über Hs. X.

5 Kinard, A study of Wulfstan (Baltimore 1897) 431.

© 430; 424. 429. 7 Vgl. Napier, Über Wulfstans Werke 65.

8 ic eow habban wylle 436; ic beode 437.

9 Gegen Selborn, Ancient facts 252. Die Aufnahme der Canones Ælfrici beweist nichts: es ist eine Kompilation, die noch bunter aussähe, wenn Thorpe nicht fortgelassen hätte, was seine Sammlung bereits enthielt. 10 Wir würden sonst z. B. þræl oder lahslit finden.

und zwar mit einem zweimal. Nämlich 432, 55 — 433, s bringt sie die Sätze I Cnut 26, 1-3 Mitte über die Pflicht der Geistlichen, die Herde vor dem Erzfeind zu warnen. Dafs sie hier nicht Cnuts Quelle ist, erhellt erstens daraus, dafs sie vor und nach dem Gemeinsamen sich mit der Homilie nach Wulfstan n. 52 deckt (und zwar indem sie auch diese plündert; denn der Homilet, wäre er der Benutzer, hatte keinen Anlafs, gerade das Cnutsche Stück zu übergehen). Cnut nämlich hätte, wenn das Verhältnis umgekehrt läge, nicht herausfühlen können, an welchem genauen Punkte das zu jener Homilie Hinzugefügte begann und aufhörte. Zweitens aber steht dasselbe Cnutsche Stück, aber vorn und hinten vollständiger, nämlich 2626,4, nochmals in Polity 425, 15 f.: 22-39. Hier schiebt letztere sechs Zeilen ein, die den Gedankengang deutlich unterbrechen; folglich lautet Cnut originaler. Wo die Abschrift aus jener Homilie 52 endet, bringt Polity 434, 6-21 die Sätze Cnut 4-4, 3 über des Priesters hehren Beruf, denen sie alsdann Wulfstans Homilie 22 anfügt. Dafs hier nicht sie Cnut vorlag, ergiebt sich erstens aus demselben Grunde wie vorher: ein Abschreiber ist weder gewillt noch fähig, aus der Vorlage nur gerade deren Eigentum zu übernehmen und deren nicht originalen ähnlichen Inhalt davor und dahinter beiseite zu lassen. Zweitens beginnt hier das Gemeinsame mit fordam. Dieses 'denn' pafst nun zwar trefflich zu Cnuts Gesetz, das den verklagten Geistlichen mit leichtem Beweise sich reinigen läfst; es stört dagegen in der Polity, hinter dem Tadel gegen die Habgier beweibter Priester. Drittens aber geht bei Cnut dem mit Polity gemeinsamen Stücke die Ermahnung ans Gericht voraus, man solle jeden Klerusstand weordian be made; und das gemeinsame endet: þi man sceal for Godes ege mæđe im Klerus anerkennend unterscheiden. Offenbar stammen diese Worte aus VIII Ethelred 18: weofodpéna made medemige man for Godes ege; denn unmittelbar dahinter kopiert Cnut Ethelreds gleich folgende Sätze über die Reinigungsbeweise Geistlicher je nach Schwere der Anklage und Höhe ihres Standes. Die Polity kennt. Æthelreds Sätze sonst nicht, denen Cnut seitenlang folgt; sie ent

1 So bezeichne ich die von Napier gedruckten, aber Wulfstan nicht beigelegten Predigten.

2 Doch begegnen dieselben Zeilen auch in Homilien nach Wulfstan p. 282. 303.

nahm also jene Wörter Æthelred nicht direkt, sondern nur durch Cnuts Vermittelung.

Endlich decken sich Sätze über den von der Kirche genossenen und gewährten Sonderschutz in Polity 439, 26-37 mit I Cnut 2—2, 2. Wiederum hat hierin Cnut eigene Worte mit seiner Quelle (VI Æthelred 13 f.) verknüpft, und Polity enthält auch jene; wiederum steht das Stück bei Cnut an gehöriger Stelle plan voll eingeordnet, verbindet sich dagegen der Polity nur lose. Allein diese letzte Übereinstimmung besitzt wegen ihres häufig wiederkehrenden Inhalts weniger Beweiskraft.

Jene zwei ersten Übereinstimmungen betreffen Stücke, deren gehobener Stil deutlich absticht von geschäftsmässiger Gesetzessprache. Hat sie Cnut, wie er auch sonst kanonistische und homiletische Bücher benutzt, fertig geformt vorgefunden? Möglich, aber jedenfalls nicht in der Polity'. Denkbar bleibt ja, dafs eine sonst spurlos verlorene Quelle jene drei Übereinstimmungen enthielt und sowohl Polity wie Cnut aus ihr schöpften, jene in ungeschickter Weise, dieser plan voll. Weit wahrscheinlicher aber ist die andere Erklärung: Polity benutzte Cnuts Gesetze und entstand also nach 1027.1

An zwei Stellen stimmen Cnuts Gesetze mit echten 2 Homilien Wulfstans überein. In I, 22-22, mahnt Cnut, Pater noster und Credo zu lernen; er sagt 22, 2: Crist sylf sang Pater noster ærest 7 pret gebed his leorningeenihtum tahte. Aber er verschweigt den bei Wulfstan 3 20 f. dem obigen folgenden und offenbar doch schon hier gedachten Satz leorningcnihtas.. sungon Crede. Er knüpft vielmehr 22, 5 f. ein Stück ebenfalls fremder Herkunft, nämlich aus den sog. Canones Eadgari 22, an. Er bringt also den Text erstens weniger vollständig und zweitens weniger rein als Wulfstan.

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Sodann erklärt Wulfstan 113, 14 dem Menschen dessen þearfe; er warnt vor an tima, da us wære leofre ponne eal on Erden, þær we á worhton, pa hwile pe we mihtan, georne Gottes Willen; aber dann werden wir nur Lohn für das im Leben Gethane empfangen; wehe dem der Hölle verdient hat'. Genauestens pafst dies Stück in

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1 S. unten. 2 Napier, Über Werke Wulfstans 7. 18.

3 Verwandt ist 17, 10-14.

þæt, Variante in Cnut und Wulfstan; ich schlage vor þæt ær. Zwei Homileten nach Wulfstan 118. 208 benutzen dieselbe Stelle.

Archiv f. n. Sprachen. CIII.

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den Gedankenzusammenhang: vorher treibt Wulfstan zur Entrichtung der Kirchensteuern, die doch ein so kleiner Teil dessen sind, þat we on worulde widæftan us læfad; nachher malt er die Höllenstrafen aus. Dagegen kommt diese Berechnung des eigenen Vorteils nicht deutlich heraus in der Wiederholung bei Cnut 18, der für diese letzte Zeile das farblose pat on middanearde is einsetzt; und nicht ein Opfer für Gott fordert Cnut vorher, sondern Enthaltung von Geschäften am Feiertag; nicht den Gedanken an die Hölle führt er weiter, sondern er mahnt 18, 1 zur Umkehr von Sünden. Aber nicht genug, dafs das Gemeinsame bei Wulfstan kraftvoller und im richtigeren Lichte erscheint als bei Cnut: letzterer stellt es hinter und vor je ein Stück, das er aus VI Æthelred abschreibt; und zwar indem er es durch 'Vielmehr dem Folgenden stilistisch verbindet. Wulfstan hätte also, wäre er der Benutzer, in dem fortlaufenden Satze ahnen müssen, wo genau Cnuts Plagiat an Æthelred begann. Folglich schöpft Cnuts Gesetzbuch aus Wulfstans Homilie. '

Wulfstan war kraft seiner Stellung als Prälat von York und Worcester zur Teilnahme an der staatlichen Gesetzgebung berufen, laut seiner litterarischen Erfolge besonders befähigt. Er blieb als Prediger durchaus nicht in allgemeinen Ermahnungen stecken, die für alle Zeiten und Völker passen würden, sondern verbot bestimmte Missbräuche, die um 1010 in England herrschten, und zwar zum Teil dieselben wie mancher Erlafs Æthelreds und Cnuts. Er selbst nennt sich bei einem Gesetze Ethelreds 2 an der Formgebung beteiligt. Er spielte auch an Cnuts Hofe eine bedeutende Rolle, z. B. im November 1020.3 Seine Predigten sind in Cnuts Gesetzbuch benutzt. Es mögen noch sonstige Wahrscheinlichkeitsgründe bestehen für die Annahme 'that the homilist is in large measure the author of the Laws'. Dennoch mufs sie fallen. Wenig Gewicht zwar mag man auf den Einwand legen, dafs ein Autor wohl selten selbstgeschliffene Pfeile abstumpft, um sie noch einmal abzuschiefsen auf ein anderes Ziel, als wofür er sie ursprünglich bestimmt hatte. Aber würde eine litterarische Kraft wie Wulfstan von seinem jungen, für

1 Kinard, A study of Wulfstan 32, meint umgekehrt: 'the homilies follow the laws', ohne die dann notwendige Folgerung zu ziehen, dafs Wulfstan diese Predigten erst 1017-23 geschrieben habe.

2 VI Atr 40, 2. 3 Ann. Anglosaxon. 4 Kinard 43.

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