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stimmte Hinweise auf ihre Schönheit, insbesondere ihre schönen Augen vor. Ihr Alter ist meist unbestimmt gelassen, und wo es etwa angegeben ist oder sich ungefähr berechnen lälst (wie bei Pulchérie in Pulchérie, Rodogune, Viriate), hat es keinen wahrnehmbaren Einfluss auf ihr Benehmen.

Seine wohl überlegten und gewandt geschriebenen Darlegungen hat Ayer meist durch reichliche, gelegentlich durch überreichliche Belege gestützt. Was man in seiner Abhandlung zu finden gewünscht hätte, sind häufigere Erwägungen, ob und wieweit Corneille in seiner Darstellung der tragischen Heldinnen von früheren oder zeitgenössischen Dichtern beeinflusst ist oder von ihnen abweicht. Ayer sagt selbst von Corneille: he owed much, especially in the matter of minor details, to his literary ancestors and contemporaries, und gelegentlich (wie S. 51) weist er auch auf die Quelle gewisser Charakterzüge der Corneilleschen Heldinnen hin. Aber mir scheint, dafs zum Beispiel der Einfluss der Senecaschen Medea und der Castroschen Ximena, der beiden von Corneille zuerst nachgebildeten tragischen Heldinnen, auf die Entwicklung seines Heldinnentypus noch stärker hätte hervorgehoben werden müssen: Stolz, Verfolgung von Racheplänen, starkes Ehr- und Pflichtgefühl sind die hervorragendsten Eigenschaften dieser beiden und der meisten späteren Corneilleschen Heldinnen.

Aus Seneca stammt wohl auch die Neigung der Heldinnen, von sich mit Nennung des eigenen Namens zu sprechen. Senecas Medea (vgl. Medea vv. 8, 166, 516, 524), Hercules (im Hercules furiens), Tantalus, Atreus und Thyestes (im Thyestes), Oedipus (in den Phoenissae), Jocasta (im Oedipus) sprechen in gleicher Weise von sich.

Die häufige Verwendung kurzer Rede und Widerrede bei Corneille nennt Ayer einen nationalen Charakterzug, und er glaubt ihren Ursprung in den Anfängen der französischen Dichtung nachweisen zu können. In den beiden altfranzösischen Beispielen, die er citiert, und in vielen anderen begegnet sie in der That, mir scheint aber, dafs es nützlicher gewesen wäre, auf die unmittelbaren Quellen hinzuweisen, aus denen Corneille diesen stilistischen Kunstgriff geschöpft hat. Da er schon in Mélite vorkommt (vgl. I. 2, IV. 1, V. 5), so wird man an Hardy' als Quelle denken, der ihn gleichfalls kennt (vgl. z. B. Dorise I. 1, II. 1, V. 1); andererseits ist der zugespitzte Dialog in Corneilles Médée zweifellos auf den Einflußs Senecas zurückzuführen (vgl. Medea vv. 155-175, 193-200, 290-297, 490-530).

Noch ferner liegt es, den Gebrauch des Wortes 'gloire' ='Ehre, guter Ruf' seitens der Corneilleschen Heldinnen mit dem Gebrauch desselben Wortes im altfranzösischen Mystère d'Adam, wo es die Bedeutung ‘himmlische Herrlichheit' hat, zu vergleichen. Dagegen wäre es von Interesse gewesen, zu hören, seit wann das Wort 'gloire' in dem Sinne, den es bei

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Je n'avois

1 Vgl. Examen de Mélite: Cette pièce fut mon coup d'essai pour guide qu'un peu de sens commun, avec les exemples de feu Hardy ... et de quelques modernes qui commençoient à se produire.

Corneille hat, gebraucht ist, ob das so häufige Betonen der 'gloire' der Frau eine Besonderheit der Corneilleschen Tragödie ist oder sich schon bei Corneilles Vorgängern findet. Bei den letzteren ist jedenfalls honneur das üblichere Wort, doch kommt auch gloire als Synonym bei ihnen schon vor: Hardy (Félismène v. 478) und Mairet (Sophonisbe v. 370) gebrauchen es gelegentlich so. Wenn Corneille Chimène so häufig von ihrer 'gloire' reden läfst, so folgt er darin nur G. de Castro, dessen Ximena ebenfalls beständig auf ihre Ehre bedacht ist (vgl. Las Mocedades del Cid, Com. I, vv. 1176, 1197, 2060, 2092, 2117, 2937, auch 1940, 2642).

Die Neigung der Heldinnen Corneilles zum Vergiefsen von Thränen hält Ayer wieder für ,durchaus national', und er verweist dabei auf die provenzalische und altfranzösische Litteratur, auf die Klagen der Gräfin von Die und das Weinen der Ritter im Rolandslied. Aber auch Senecas Medea weint (Medea v. 293), Castros Ximena und Doña Urraca vergiessen manche Thräne (vgl. Las Mocedades del Cid, Com. I, vv. 1779, 1825, 1893, 1944, 2721), und gleich dem alten Horace weinen nicht nur Karl der Grofse und Roland im Rolandslied, das Corneille nicht kannte, sondern auch Diego Laynez in den Mocedades (vv. 2043—4), die er kannte. Das Weinen in den Corneilleschen Tragödien wird daher nicht aus dem nationalen Charakter zu erklären sein, sondern ist rein menschlich, und der Dichter scheute sich nicht, seine Heldinnen Thränen vergiessen zu lassen, weil seine Vorgänger Seneca, G. de Castro, Montchrestien (vgl. La Cartaginoise in Petit de Jullevilles Ausgabe S. 120, v. 2 von unten), Hardy (vgl. Panthée vv. 702, 798), Mairet (vgl. Sophonisbe v. 892) sich nicht davor gescheut hatten.

Für die häufige Erwähnung der schönen Augen seiner Heldinnen in Corneilles Tragödien hält Ayer wieder eine Erklärung aus der mittelalterlichen Dichtung für möglich: 'If we care to examine the sentimental poetry of the middle Ages, we shall find that they are a favorite theme of the old troubadours' (S. 125) und er citiert Bernart de Ventadorn. Mir scheint eine solche Erklärung entschieden abgelehnt werden zu müssen. Dagegen wäre es in diesem Zusammenhang erwähnenswert gewesen, dass Kinne in seiner Dissertation 'Formulas in the language of the French poet-dramatists of the seventeenth century' S. 27 die sprichwörtlichen 'beaux yeux' im französischen Drama bis auf Garnier zurückverfolgt hat. Der Unbestimmtheit in den Hinweisen auf die Schönheit der Corneilleschen Heldinnen stellt Ayer wieder die ausführlichere Schilderung weiblicher Schönheit bei altfranzösischen Dichtern gegenüber. Lehrreicher wäre es gewesen, Corneille in dieser Beziehung mit Hardy zu vergleichen: der spätere Dichter weicht hier durchaus von dem Verfahren seines Vorgängers ab.

S. 24-5 bespricht der Verfasser gewisse Anderungen, die Corneille mit den Namen seiner Personen vornahm, z. B. die Änderung des Namens Hildécone in Ildione (im Attila), und erklärt die letztere Änderung folgendermalsen: Corneille, however, was quite right in softening down the name of his heroine, and above all in banishing the harsh guttural from

it. The year 1667 had come, a new era had dawned. Racine was already in full competition with Corneille and had set a new fashion with his melodious Greek names.' Aber Corneille selbst hatte doch schon lange vorher selbst melodische griechische Namen gebraucht: man sehe nur Ayers eigene Abhandlung S. 17-19.

Ayers Ansicht, Corneille sei in der Entwicklung seiner Charaktere beeinflusst worden durch das Bestreben, in ihnen eine abstrakte Eigenschaft oder einen historischen Gedanken zu verkörpern, halte ich nicht für hinreichend gestützt. Corneille selbst sagt einmal (im Examen de Nicomède): 'Mon principal but a été de peindre la politique des Romains au dehors, et comme ils agissoient impérieusement avec les rois leurs alliés; leurs maximes pour les empêcher de s'accroître, et les soins qu'ils prenoient de traverser leur grandeur quand elle commençoit à leur devenir suspecte à force de s'augmenter et de se rendre considérable par de nouvelles conquêtes. C'est le caractère que j'ai donné à leur république en la personne de son ambassadeur Flaminius', und Balzac erzählt (in einem Brief an Corneille vom 17. Januar 1643) von einem seiner Nachbaren, der, nicht ohne Grund, gesagt habe, Corneilles Émilie (im Cinna) sei ‘la rivale de Caton et de Brutus dans la passion de la liberté'. Diese Äufserungen Corneilles und Balzacs reichen doch aber nicht aus, um die Aufstellung zu begründen, dass nach Corneilles Anschauung die tragische Heldin 'must have an abstract or historical signification, apart from representing merely a being of flesh and blood' (S. 41).

Ayer sagt ferner (S. 40), dafs die tragische Heldin nach Corneilles Plan Bewunderung hervorrufen soll. Dies ist wahrscheinlich durchaus richtig, aber aus der angezogenen Stelle aus dem Examen de Nicomède geht es nicht hervor. Vielmehr hätte der Verfasser sich auf die Stelle des ersten Discours berufen sollen, wo Corneille die Bedeutung des aristotelischen Ausdrucks zonovà n bespricht: 's'il m'est permis de dire mes conjectures sur ce qu'Aristote nous demande par là, je crois que c'est le caractère brillant et élevé d'une habitude vertueuse ou criminelle, selon qu'elle est propre et convenable à la personne qu'on introduit. Cléopâtre, dans Rodogune, est très-méchante ... mais tous ses crimes sont accompagnés d'une grandeur d'âme qui a quelque chose de si haut, qu'en même temps qu'on déteste ses actions on admire la source dont elles partent.'

Auf S. 61 scheint mir Ayer eine Stelle aus Corneilles Discours in nicht zutreffender Weise zu verwerten. Corneille spricht sowohl im ersten wie im zweiten Discours von Lösungen des dramatischen Knotens, die durch einen neuen Entschlufs der Personen herbeigeführt werden. Ein solcher neuer Entschlufs mufs indessen nach Corneille nicht bewirkt werden 'par un simple changement de volonté, mais par un événement qui en fournisse l'occasion'. Man darf daher offenbar nicht von Corneille sagen: The heroine's bloody threat he purposely averted 'par un simple changement de volonté.'

Ich will meine Besprechung nicht durch eine Aufzählung der ziemlich

zahlreichen Druckfehler des Buches, die sich meist leicht verbessern lassen, verlängern, doch möchte ich mein Bedauern darüber nicht zurückhalten, dass in ein wissenschaftliches Buch zur französischen Litteraturgeschichte der von englischen Journalisten oft gebrauchte, pseudofranzösische Ausdruck 'double entendre' im Sinne von 'Doppelsinn' Eingang gefunden hat (S. 116).

Hoffentlich werden die kleinen Ausstellungen, bei denen ich mich vielleicht reichlich lange aufgehalten habe, nicht den Eindruck hervorrufen, als ob ich die Zuverlässigkeit von Ayers Untersuchung herabsetzen wolle. Im grofsen und ganzen scheint mir vielmehr der Verfasser seine Aufgabe gut und gewissenhaft gelöst zu haben, und sein Buch bildet einen schätzenswerten Beitrag zur Poetik der französischen Tragiker. E. Braunholtz.

Cambridge (England).

Gesta Karoli Magni ad Carcassonam et Narbonam. Lateinischer Text und provenzalische Übersetzung mit Einleitung von Dr. F. Ed. Schneegans, Privatdozenten an der Universität Heidelberg. Halle a. S., Niemeyer, 1898. 75, 270 S. kl. 8. (Romanische Bibliothek, herausgeg. von W. Foerster, Nr. 15.) Die lateinische Erzählung des XIII. Jahrhunderts, die unter dem (nicht ganz zutreffenden) Namen Gesta Karoli Magni ad Carcassonam et Narbonam geht, auch häufig als Chronik des Pseudo-Philomena bezeichnet wird, enthält in den umfangreichsten, mit besonderer Liebe ausgearbeiteten Abschnitten, welche von der auf Karl den Grofsen zurückgeführten Gründung des Klosters La Grasse (Aude) berichten, nur Legenden von geringem geschichtlichem oder poetischem Wert. Von gröfserer Bedeutung ist sie für die Kenntnis der französischen Heldensage, aus der sie eine Anzahl früher und später Bestandteile, wie die Siege des Kaisers über die Sarazenen und die Eroberung Narbonnes, aufgenommen und um den frommen Kern gelagert hat. Herr F. Ed. Schneegans, dem wir schon eine vortreffliche Untersuchung dieser Quellen' verdanken, legt nunmehr eine neue Ausgabe des Werkes selbst vor, welche die ältere von Sebastiano Ciampi (Florenz 1823) zu ersetzen bestimmt ist, und einen kritischen Text der provenzalischen Übertragung, von der bisher nur Bruchstücke gedruckt worden waren, die aber als wertvolles Sprachdenkmal wie als Zeugnis fortdauernder Beschäftigung mit dem epischen Stoffe eine vollständige Veröffentlichung verdiente.

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Der litterarhistorische Teil der Einleitung schliefst sich zunächst (S. 1-32) an die bereits erwähnte Schrift an, deren wichtigste Ergebnisse er nochmals vorführt, gelegentlich berichtigt. In klarer und ansprechender Form wird auseinandergesetzt, wie der geistliche Verfasser der Gesta

1 Die Quellen des sogenannten Pseudo-Philomena und des Officiums von Gerona zu Ehren Karls d. Gr. Strafsburger Dissertation 1891.

2 Von Du Mège in der Hist. gén. de Languedoc, t. II (add.), S. 16 ff.

sich mit den Angaben über den Bau der Abtei und die Schicksale ihrer ersten Bewohner auf urkundliche Zeugnisse und lokale Überlieferung stützt, aber kritiklos Zustände der Gegenwart in die Vergangenheit hineinträgt und zahlreiche Entlehnungen aus Heiligenleben einflicht. Bei der Zergliederung der weltlichen Elemente wird der Nachweis versucht, dafs der doppelten Schilderung von den vergeblichen Angriffen der Ungläubigen auf La Grasse eine Aufzeichnung über dessen Schicksale nach der berühmten Schlacht am Orbieu zu Grunde liegen kann. Weiterhin bespricht Schneegans den Zusammenhang des Werkes mit dem lateinischen ‘Officium von Gerona zu Ehren Karls des Grofsen' (XIV. Jahrh.), das auf eine gemeinsame Quelle zurückgeht, die von einem Zuge des Kaisers über die Ostpyrenäen nach Spanien wufste; die engen Beziehungen zur chanson de geste 'Aymeri de Narbonne', welche die Einnahme dieser Stadt in ähnlichem Sinne, wenn auch mit gröfserer Kunst berichtet und in ihrer ursprünglichen Gestalt dem Inhalt unserer Chronik noch näher gestanden haben wird; endlich einige Berührungen mit anderen Sagenmotiven. Die folgenden Ausführungen (S. 32-40) über die unmittelbare Vorlage jenes sonst unbekannten Mönches, der sich Guillermus Paduanus nennt und, wie ziemlich sicher nachgewiesen wird, seine Arbeit in den ersten Jahren des XIII. Jahrhunderts vollendet hat, scheinen mir nicht unanfechtbar. Die ystoria des angeblichen Filomena, die er am Anfang wie am Schlusse als seine Quelle bezeichnet, soll bald eine 'Kompilation der Lokalgeschichte Südfrankreichs in der Zeit der Kämpfe gegen die Sarazenen' (S. 34), bald gar eine Sammlung vorlitterarischer Epen' (S. 39) in provenzalischer Mundart gewesen sein. Damit geschieht ihr wohl zu viel Ehre. Sie braucht nicht an Umfang und Inhalt die Gesta erheblich übertroffen zu haben, da sich Wilhelm nur zu unwesentlichen Kürzungen bekennt, für die ihm seine Leser gewifs zu Dank verpflichtet sind; sie braucht nicht in einer anderen als der lateinischen Sprache abgefafst zu sein, da translatare (Z. 29) nicht immer 'übersetzen', sondern auch ‘abschreiben' bedeutet (s. Du Cange); sie braucht nicht provenzalisch gewesen zu sein, da sich die wenigen (nicht einwandfreien) Provenzalismen, die Schneegans (S. 37) im lateinischen Texte auftreibt, bei einem Südfranzosen auch ohne eine solche Voraussetzung erklären.

Der Sprache der provenzalischen Übertragung ist ein eigener Abschnitt (S. 50—75) gewidmet. Alle wichtigeren Punkte der Laut- und Formenlehre, auch Einzelheiten der Syntax werden kurz, aber völlig ausreichend erörtert, Übereinstimmungen und Abweichungen in der Schreibung der beiden Hss. sorgfältig angegeben. Zum Vergleich zieht der Verfasser eine Anzahl Urkunden aus Mahuls Cartulaire de Carcassonne mit Vorteil heran; auch einige Patoistexte müssen bei der Dialektbestimmung Aushilfe leisten, werden aber nicht immer mit der Vorsicht verwandt, die nötig ist, wo die Zwischenstufen vom Alten zum Neuen nicht klar sind (s. z. B. das über den Artikel Gesagte, S. 69). Diese Untersuchungen, die durch eine eingehendere Benutzung der grammatischen Litteratur noch hätten gewinnen können, bestätigen die naheliegende Vermutung, dafs die

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